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und eine geringe Aufmerksamkeit auf das abstechende Benehmen beider hätte hingereicht, den Irrthum zu heben. Dadurch, daß der Dichter von ihrer Jugendfreundschaft ausgeht, hat er sich nichts von seinem höheren Plane vergeben; im Gegentheile konnte dieser aus keinem bessern Faden gesponnen werden. Das Verhältniß, in welchem beide zusammen auftreten, war Reminiscenz ihrer früheren akademischen Jahre. Harmonie der Gefühle, eine gleiche Liebhaberei für das Große und Schöne, ein gleicher Enthusiasmus für Wahrheit, Freiheit und Tugend hatte sie damals an einander geknüpft. Ein Charakter, wie Posa's, der sich nachher so, wie es in dem Stücke geschieht, entfaltet, mußte frühe angefangen haben, diese lebhafte Empfin= dungskraft an einem fruchtbaren Gegenstande zu üben: ein Wohlwollen, das sich in der Folge über die ganze Menschheit erstrecken follte, mußte von einem engern Bande ausgegangen seyn. Dieser schöpferische und feurige Geist mußte bald einen Stoff haben, auf den er wirkte; konnte sich ihm ein schönerer anbieten, als ein zart und lebendig fühlender, seiner Ergießungen empfänglicher, ihm freiwillig entgegeneilender Fürstenjohn? Aber auch schon in diesen früheren Zeiten ist der Ernst dieses Charakters in einigen Zügen sichtbar; schon hier ist Posa der kältere, der spätere Freund, und sein Herz, jeßt schon zu weit umfassend, um sich für ein einziges Wesen zusammenz zuziehen, muß durch ein schweres Opfer errungen` werden.

Da fing ich an mit Zärtlichkeiten

Und inniger Bruderliebe dich zu qualen:
Du stolzes Herz gabst sie mir falt zurück.

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Verschmähen konntest du mein Herz, doch nic
Von dir entfernen. Dreimal wiesest du

Den fürsten von dir, dreimal stand er wieder
„Als Bettler da, um Liere dich zu flehn, u. s. f.
Mein königliches Blut

„Floß schändlich unter unbarmherz'gen Streichen;
So hoch kam mir der Eigensinn zu stehn,

,,Von Rodrigo geliebt zu seyn.“

Hier schon sind einige Winke gegeben, wie wenig die Anhänglichkeit des Marquis an den Prinzen auf persönliche Ueber: einstimmung sich gründet. Frühe denkt er sich ihn als Königssohn, frühe drängt sich diese Idee zwischen sein Herz und seinen bittenden Freund. Carlos öffnet ihm seine Arme; der junge Weltbürger kniet vor ihm nieder. Gefühle für Freiheit und Menschenadel waren früher in seiner Seele reif, als Freundschaft für Carlos; dieser Zweig wurde erst nachher auf diesen stärkern Stamm gepfropft. Selbst in dem Augenblicke, wo fein Stolz durch das große Opfer seines Freundes bezwungen ist, verliert er den Fürstensohn nicht aus den Augen. „Ich will bezahlen,“ sagt er, „wenn du — König bist.“ Ist es möglich, daß sich in einem so jungen Herzen, bei diesem lebendigen und immer gegenwärtigen Gefühle der Ungleichheit ihres Standes, Freundschaft erzeugen konnte, deren wesentliche Bedingung doch Gleichheit ist? Also auch damals schon war es weniger Liebe. als Dankbarkeit, weniger Freundschaft als Mitleid, was den Marquis dem Prinzen gewann. Die Gefühle, Ahnungen, Träume, Entschlüsse, die sich dunkel und verworren in dieser Knabenseele drängten, mußten mitgetheilt, in einer andern Seele angeschaut werden, und Carlos war der Einzige, der sie mit ahnen, mit träumen fcunte und der sie erwiederte. Ein Geist, wie Posa's, mußte seine Ueberlegenheit frühzeitig zu genießen streben, und der liebevolle Karl schmiegte sich so unterwürfig, so gelehrig an ihn an! Posa sah in diesem schönen Spiegel sich selbst und freute sich seines Bildes. So entstand diese akademische Freundschaft.

Aber jezt werden jie von einander getrennt, und Alles wird

anders. Carlos kommt an den Hof seines Vaters, und Posa wirft sich in die Welt. Jener, durch seine frühe Anhänglichkeit an den edelsten und feurigsten Jüngling verwöhnt, findet in dem ganzen Umkreise eines Despotenhofes nichts, was sein Herz bez friedigte. Alles um ihn her ist leer und unfruchtbar. Mitten im Gewühle so vieler Höflinge einsam, von der Gegenwart ge= drückt, labt er sich an füßen Rückerinnerungen der Vergangen heit. Bei ihm also dauern diese frühen Eindrücke warm und lebendig fort, und sein zum Wohlwollen gebildetes Herz, dem ein würdiger Gegenstand mangelt, verzehrt sich in nie befriedigten Träumen. So versinkt er allmählich in einen Zustand müßiger Schwärmerei, unthätiger Betrachtung. In dem fort= währenden Kampfe mit seiner Lage nüßen sich seine Kräfte ab, die unfreundlichen Begegnungen eines ihm so ungleichen Vaters verbreiten eine düstere Schwermuth über sein Wefen den zehrenden Wurm jeder Geistesblüthe, den Tod der Begeisterung. Zusammengedrückt, ohne Energie, geschäftlos, hinbrütend in sich selbst, von schweren fruchtlosen Kämpfen ermattet, zwischen schreckhaften Extremen herumgescheucht, keines eigenen Aufschwungs mehr machtig – so findet ihn die erste Liebe. In diesem Zustande kann er ihr keine Kraft mehr entgegenseßen; alle jene frühern Ideen, die ihr allein das Gleichgewicht hätten halten können, sind seiner Seele fremder geworden; sie beherrscht ihn mit despotischer Gewalt; so versinkt er in einen schmerzhaft wollüstigen Zustand des Leidens. Auf einen einzigen Gegenstand sind jest alle seine Kräfte zusammengezogen. Ein nie ges stilltes Verlangen hält seine Seele innerhalb ihrer selbst gefesselt.

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Wie sollte sie ins Universum ausströmen? Unfähig, diesen Wunsch zu befriedigen, unfähiger noch, ihn durch innere Kraft zu besiegen, schwindet er halb lebend, halb sterbend, in sichtbarer Zehrung hin; keine Zerstreuung für den brennenden Schmerz

seines Busens, kein mitfühlendes, fich ihm öffnendes Herz, in das er ihn ausströmen könnte.

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,,Auf dieser großen weiten Erde, Niemand.
„So weit das Scepter meines Vaters reicht,
So weit die Schifffahrt unsre Flaggen sendet,
„Ist keine Stelle, teine, feine, wo

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"

Ich meiner Thränen mich entlasten kann.“

Hülflosigkeit und Armuth des Herzens führen ihn jest auf eben den Punkt zurück, wo Fülle des Herzens ihn hatte aus= } gehen lassen. Heftiger fühlt er das Bedürfniß der Sympathie, weil er allein ist und unglücklich. So findet ihn féin zurückkommender Freund.

Ganz anders ist es unterdessen diesem ergangen. Mit offenen: Sinnen, mit allen Kräften der Jugend, allem Drange des Genie's, aller Wärme des Herzens in das weite Universum geworfen, fieht er den Menschen, im Großen wie im Kleinen, handeln; er findet Gelegenheit, sein mitgebrachtes Ideal an den wirkenden Kräften der ganzen Gattung zu prüfen. Alles, was er hört, was er sieht, wird mit lebendigem Enthusiasmus von ihm verschlungen, Alles in Beziehung auf jenes Ideal empfunden, gedacht und verarbeitet. Der Mensch zeigt sich ihm in mehrern Varietäten; in mehrern Himmelsstrichen, Verfassungen, Graden der Bildung und Stufen des Glücks lernt er ihn kennen. So erzeugt sich in ihm allmählich eine zusammengeseßte und erhabene Vorstellung des Menschen im Großen und Ganzen, gegen welche jedes einengende kleinere Verhältniß verschwindet. Aus sich selbst tritt er jeßt heraus, im großen Weltraume dehnt sich feine Seele ins Weite. — Merkwürdige Menschen, die sich in feine Bahn werfen, zerstreuen seine Aufmerksamkeit, theilen sich in seine Achtung und Liebe. An die Stelle eines Individuums

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jekt in vollen Saaten zu finden, und in ihm den Befreier der Niederlande, den künftigen Schöpfer seines geträumten Staats zu umarmen.

Leidenschaftlicher, als jemals, mit fieberischer Heftigkeit stürzt ihm dieser entgegen.

"

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Ich drück' an meine Seele dich, ich fühle
Die deinige allmächtig an mir schlagen.
,,, jest ist Alles wieder gut. Ich liege
Am Halse meines Rodrigo!“

"

Der Empfang ist der feurigste: aber wie beantwortet ihu Posa ? Er, der seinen Freund in voller Blüthe der Jugend verließ, und ihn jeßt einer wandelnden Leiche gleich wiederfindet, ver-› weilt er bei dieser traurigen Veränderung? Forscht er lange und ängstlich nach ihren Quellen? Steigt er zu den kleineren Angelegenheiten seines Freundes herunter? Bestürzt und ernsthaft erwiedert er diesen unwillkommenen Empfang.

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So war es nicht, wie ich Don Philipps Sohn
Erwartete

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Das ist

,,Der löwenkühne Jüngling nicht, zu dem
,,Ein unterdrücktes Heldenvolk mich sendet —
,,Denn jezt steh' ich als Nodrigo nicht hier,
„Nicht als des Knaben Carlos Spielgeselle -
Ein Abgeordneter der ganzen Menschheit
,,Umarm' ich Sie es sind die flandrischen
„Provinzen, die an Ihrem Halse weinen u. s. f.

"

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Unfreiwillig entwischt ihm seine herrschende Idee gleich in den ersten Augenblicken des so lang entbehrten Wiedersehens, wo man sich doch sonst so viel wichtigere Kleinigkeiten zu fa= gen hat, und Carlos muß alles Nührende seiner Lage aufbieten, muß die entlegensten Scenen der Kindheit hervorrufen, um diese Lieblingsidee seines Freundes zu verdrängen, fein Mitgefühl zu wecken und ihn auf seinen eigenen traurigen

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