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der nüchternsten Form nebeneinandergestellt, ohne irgend welche Rücksicht auf ihren historischen Zusammenhang, so klar dieser auch zu Tage liegen mag, das ist das charakteristische Merkmal unserer Consultafelannalen. Diese Anschauung steht freilich schon im Widerspruch mit sonst ausgesprochenen Ansichten über die Fasten. Man hat sich weit übertriebene Vorstellungen von der Reichhaltigkeit und Ausführlichkeit ihrer Nachrichten gemacht, wenn z. B. Hille1) meint, wir würden eine vollständige Geschichte des fünften Jahrhunderts haben, wenn wir ein vollständiges Exemplar der Ravennater Annalen besässen. Wenn Binding 2) eingehende Nachrichten über die Ansiedelung der Burgunden in Gallien, über deren Kämpfe und Bündnisse in ihnen sucht, wenn Kaufmann 3) früher annahm, sie hätten einen ausführlichen Bericht über die Hunenschlacht des Jahres 451 enthalten, und meinte, Gregor von Tours und Jordanis hätten daraus die Erzählung genommen von der List, mit welcher Aëtius Gothen und Hunen nach der Schlacht nach Hause zu schicken wusste. Hier das Schema des ausführlichsten Schlachtberichtes, der sich in den Ravennater Fasten findet: His conss. pugna facta est inter... (es folgen die Namen der beiderseitigen Heeresbefehlshaber) loco . . . . die . die..., et multi (populi) ceciderunt ab utraque parte (wenn der Kampf blutig und hart bestritten war), et occisus est .. (es folgt der Name oder die Namen der beiderseitigen höheren Anführer, welche fielen. Oder auch et captivus (captus) est .), et fugatus est. . . . (wenn der Kampf überhaupt für eine Partei entscheidenden Sieg brachte). Der Satz, welchen Kaufmann construirt 4), um die Nachrichten, welche, auf die Hunenschlacht bezüglich, seiner Meinung nach aus den Fasten genommen sind, herzustellen, könnte schon der Form wegen nicht in den Fasten gestanden haben. Wir dürfen natürlich, um die Form der Fastennachrichten zu ermitteln, uns nur an die Fastenableitungen halten, welche selbst noch Fasten geblieben sind, an die reinen Ableitungen, das sind also die beiden Recensionen des Anon. Cusp. und das Exc. Sangallense. Zwischen ihnen und den Chroniken, sowie sonstigen Quellen, welche die Ravennater Annalen benutzt haben, ist streng zu scheiden; jene sind Fragmente der alten Quelle selbst, diese haben nur aus ihr geschöpft. Aber auch von den letzteren haben sich einige so treu an die ursprüngliche Form gehalten, wie Marius v. Avenches, Anon. Valesianus, Agnellus, dass eben an der Form allein die Fasten

1) Cont. Havn. p. 12: Plenam haberemus huius temporis historiam. 2) Burgundisch-rom. Königreich I, 54 f. n. 209. 3) Forschungen VIII, 120, ff. 4) Forschungen VIII, 123: Chunni repedantes in campos Catalaunicos pugnaverunt contra Aëtium patritium etc.

nachrichten bei ihnen mit Leichtigkeit zu erkennen sind. Die Nachrichten der ravennatischen Annalen zeichnen sich ferner aus durch ausserordentliche Genauigkeit der Zeit- und Ortsbestimmungen; fast durchweg jedes Ereigniss erhält sein bestimmtes Datum: auch dieses ist ein wichtiges Merkmal der Fasten, welches auch ihre Fragmente von den sonstigen Ableitungen unterscheidet, denn die letzteren lassen die Daten fast regelmässig weg. Endlich ist den Fasten besonders eigenthümlich die vollkommene Objectivität und Affectlosigkeit den Ereignissen gegenüber. Sie ist schon mit durch die Form bedingt: so starr und bestimmt fixirt wie diese ist auch der Inhalt und Charakter der Nachrichten. Es fehlt nicht nur jede, auch die leiseste Andeutung über irgend eine Vorliebe oder Abneigung gegen eine Persönlichkeit der vielfach wechselnden Herrscher, über irgend einen politischen oder kirchlichen Standpunkt, es lässt sich auch nicht das geringste persönliche Moment darin wahrnehmen: diese Fasten gehören gar nicht mehr in das Gebiet der Historiographie, sondern sie sind nur Register historischer und unhistorischer Daten, die Erhebung eines Königs oder Kaisers wird mit derselben Regelmässigkeit einregistrirt, wie eine Sonnenfinsterniss oder eine grosse Feuersbrunst in Ravenna. Dass diese Annalen von einem Verfasser herrühren, der mit ihnen ein historiographisches Product hat geben wollen, ist vollkommen undenkbar. Auf den Gedanken, in dieser Form Geschichte, oder doch geschichtliche Dinge zu schreiben, hat Niemand kommen können, am wenigstens in der Zeit, da der schwülstige Styl blühte. Zu welcher Zeit sollte der Verfasser auch gelebt und geschrieben haben, da die Annalen um die Mitte des fünften Jahrhunderts benutzt sind und über die Mitte des sechsten Jahrhunderts hinausreichen. Dächte man sich diese Consularannalen als ein historiographisches Product im gewöhnlichen Sinne, von einem bestimmten Verfasser herrührend, so wäre man gezwungen, immer neue Fortsetzer anzunehmen, die sich stets vollkommen in die Form und die ganz sonderbare Weise ihres Vorgängers gefügt hätten, an demselben Orte lebten, denselben räumlichen und sachlichen Gesichtskreis hatten 1). Wie merkwürdig auch, dass diese Quelle, entstanden in einer Zeit, wo die heftigsten kirchlich-dogmatischen Kämpfe die ganze Welt bewegten, in der jeder Chronist in eifernden Worten seinen Standpunkt dokumentirt 2), den entgegengesetzten verfolgt,

1) Kaufmann, Fasten, S. 274 freilich hält das für möglich. 2) Natürlich abgesehen von Cassiodors Chronik, welche der katholische, gothische Minister für den arianischen, gothischen Fürsten schreibt, aber dennoch bezieht sich bei ihm vieles auf die Kirche und ihre hervorragenden Männer.

auch nicht mit einem Worte der Kirche, ihrer Diener und Gegner gedenkt, da man schwerlich in diese Kategorie die Bemerkungen bringen kann, dass zwei Kaiser, nachdem sie abgesetzt worden, zu Bischöfen gesalbt wurden. Es kann ja kein Zweifel sein, dass diese Fasten nicht Privatarbeit sind, sondern offiziell und zwar von Zeit zu Zeit und immer von neuem redigirt wurden. Alles was wir über ihre Beschaffenheit gesagt, führt mit Nothwendigkeit zu dieser Annahme. Auch eine Aeusserlichkeit zeigt das auf das entschiedenste: die Kaiser Majorian, Severus, Anthemius, Leo, Julius Nepos, Anastasius, namentlich aber König Theoderich erhalten sämmtlich das Prädikat 'Dominus noster' in der Recension des Anon. Cusp., welche mit 493 abbricht1). Man kann der Argumente noch viele anführen, wie immer, wenn man etwas beweisen will, das zweifellos ist, so die ungeheure Verbreitung der Fasten, die vom fünften bis zum neunten Jahrhundert in den verschiedensten Ländern, in Süd- und Nordfrankreich, vielleicht in Spanien, Constantinopel, Burgund, so gut wie in Ravenna benutzt wurden. Es ist deshalb auch nicht passend, die Ravennater Consultafelannalen als eine Chronik zu bezeichnen und von ihrem Verfasser als einem Chronisten zu sprechen. Unzweifelhaft beweist die offizielle Redaction auch der Umstand, dass wir in Constantinopel den unserigen durchaus gleichartige Consultafelannalen finden, dieselbe kurze und schematische Ausdrucksweise so dass sogar die formelhaft gewordenen Ausdrücke in beiden durchaus die gleichen sind. Dieselbe Zusammenhangslosigkeit der Nachrichten, dasselbe Prinzip bei dem Inhalt der Nachrichten, dieselbe Genauigkeit der Daten finden wir in beiden Fastenexemplaren. Ueber das Fragment der alexandrinischen Fasten im Anon. Scal., welche auf den weströmischen Fasten beruhen, haben wir schon gesprochen, auch sie haben ähnlichen Charakter; Reste ähnlicher Fasten von Antiochien wird man, wie mir scheint, bei Joannes Malalas finden. Es kann kaum zweifelhaft sein, dass auch in Rom solche redigirt wurden, und einige Spuren haben sich, wie wir sahen, auch in unserem Quellenmaterial erhalten.

1) Es scheint, dass nur die von Ostrom als legitim anerkannten Herrscher dieses Prädikat erhalten: Maximus, Olybrius, Glycerius, Augustulus, welche vom oströmischen Kaiser nicht anerkannt wurden, erhalten es nicht, dagegen Avitus ist wahrscheinlich noch von Marcian anerkannt worden, ist aber sehr bald danach abgesetzt, und Odovachar wurde eigentlich stets, namentlich später von den gothischen Königen als Usurpator betrachtet, auch bei ihrem Namen fehlt darum das Prädikat. Doch gar viel Gewicht ist im Einzelnen darauf nicht zu legen, denn z. B. Zeno erhält im Anon. Cusp. nicht das 'Dominus noster', und in der ursprünglichen Quelle wird es doch gestanden haben.

Ebenso lassen sich in einigen Quellen auch dürftige Bruchstücke von Consularannalen nachweisen, welche in Arles in der zweiten Hälfte des fünften Jahrhunderts abgefasst sein müssen1). Also in mehreren Hauptstädten des Reiches, namentlich aber in den beiden Residenzstädten sind so gleichartige Consularannalen redigirt worden, deren Nachrichten sich einmal auf den Mittelpunkt des Reiches, den kaiserlichen Hof, beziehen, dann aber stark lokalen Charakters sind. Durch mehr als zwei Jahrhunderte sind sie für uns Quelle von höchstem Werth, und ihr Werth wird steigen, je mehr man sieht, in wie hohem Grade unsere Ueberlieferung auf ihnen beruht. Welchen Zweck diese Annalen hatten und wie man dazu kam, sie offiziell zu redigieren, kann nicht unschwer angegeben werden. Der nächste Zweck muss gewesen sein, die Fasten zu publiciren. Das musste von Amtswegen geschehen und die neue Publikation von Zeit zu Zeit war durchaus nothwendig: die Behörden, dann aber jeder private Geschäftsmann, namentlich aber die Juristen mussten die Consularfasten haben. Schon mit dem ältesten Rechtsbuche des Cn. Flavius war der Kalender und vielleicht auch das Consulnverzeichniss verbunden 2), mit Exemplaren des Codex Theodosianus verband man die Consultafel und die Kaiserliste3). In der offiziellen Sammlung von 3544) stehen am Anfange der Kalender und die Consultafel (Anon. Noris.). Dass man mit ihr später die ravennatischen Annalen verband, ist nicht blosser Zufall, sondern weil sie gleichen Charakter und gleichen Zweck haben, wie sämmtliche Stücke dieser Sammlung, nämlich dem praktischen Bedürfniss zu genügen, hatte man Grund, sie ihnen anzufügen. Mit diesen Consultafeln verband man nun hier und da einige Notizen. Indem man bei einem Consuljahr das Hauptereigniss bemerkte, hatte man zugleich einen Anhalt für das Gedächtniss. Allmählich nehmen diese Notizen an Reichthum zu und so entwickelt sich ein eigentümlicher Zweig geschichtlicher Aufzeichnung. Wir können diese Entwicklung an dem geringen uns gebliebenen Material noch ziemlich verfolgen. Der Anon. Noris. hat nur einige wenige vorzüglich wichtige Notizen über Christi Geburt und Passion, der Apostel Peter und Paul Ankunft in Rom und ihren Mätyrertod. Diese Notizen sind in alle uns erhaltenen späteren Exemplare übergegangen; je weiter dann aber ein Fastenexemplar reicht, desto ausführlicher und wichtiger sind seine Nachrichten, bis es dann dahin kommt, dass wir die Geschichte Odovachars, namentlich seine

3)

1) Vgl. meine Dissertation S. 47 ff. 2) Mommsen, Römische Chronologie S 210 f. Baudi a Vesme in Memorie dell academia reale serie IIa., VIII, 180; vgl. de Rossi, Inscript. Rom. 4) Mommsen, Chronograph S. 608.

delle scienze di Torino, I, prol., p. LVIII.

Kämpfe mit Theoderich um Ravenna fast allein aus den ravennatischen Annalen kennen1) und doch nicht schlecht unterrichtet sind. Diese Fastenlitteratur trägt von vorn herein christlichen Charakter und es ist kaum ein Zufall, dass sie bald nach dem Siege des Christenthums hervortritt. Das Christenthum begünstigte Chronologie und Annalistik, während die eigentliche römische Profangeschichtschreibung durch dasselbe eher ertödtet, als befördert wurde. So hat die römische Geschichtschreibung einen Kreislauf vollbracht: mit dürftigen Pontificalfasten beginnt sie, mit christlich gefärbten offiziellen Consular - Fasten schliesst sie im sechsten Jahrhundert ab. Was darüber hinaus liegt, darf kaum noch römisch genannt werden.

Es ist eine eigenthümliche Erscheinung, dass in den Fasten die Naturereignisse so viel berücksichtigt werden, man könnte fast meinen, das beruhe auf Tradition aus altrepublikanischer Zeit her. Indess ist doch auch zu bemerken, dass die christliche Chronographie von Anfang an auf solche Ereignisse Rücksicht nimmt.

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In einem Punkte übereinstimmend, weichen Pallmanns Ansichten über diese Annalen von den unserigen gänzlich ab, sind ihnen meist entgegengesetzt. Sie wurden bis dahin nicht berücksichtigt, um die Darlegung nicht zu unterbrechen. Pallmann 2) kommt auch zu dem Resultat, freilich aus ganz andern Gründen, dass die ravennatischen Annalen von den Fasti Idatiani sprechen wir hier nicht. offiziell, oder doch halboffiziell sind. Das versteht er aber so: ein Geistlicher hat zu Honorius' Zeit, ebenfalls ein Geistlicher zu Odovachars Zeit im Interesse des jedesmaligen Herrschers höfisch gefärbte Aufzeichnungen gemacht, der Erste aus Dankbarkeit, weil die 'christlich bigotte Hofpartei) die Oberhand gewonnen', der Zweite, weil Odovachar den Bischof von Ravenna 'zu einem selbständigen Auftreten veranlasste, um dem römischen Bischof ein Gegengewicht entgegenzustellen' 4). Zunächst weiss ich nicht, wie P. beweisen will, dass der erste Theil der Fasten unter Honorius abgeschlossen ist. Dass mit 403 im Anon. Cusp. A eine Lücke eintritt, welche P. (p. 228) selbst für zufällig zu halten scheint, kann unmöglich der Grund sein, namentlich da ja dieser dankbare Geistliche erst nach dem Sturze Stilico's (408) geschrieben haben soll. Ich nehme auch kein besonderes Interesse für Honorius wahr. Cusp. bemerkt, dass Honorius geboren wurde

Der Anon. und zwar

1) Waitz, in Gött. Nachr. 1865, p. 113. 2) Gesch. der Völkerwanderung II, p. 213, 229–31, 245. 3) Deren Treiben Pallmann, Bd. I, S. 281 ff. nachgewiesen zu haben glaubt. 4) Das behauptet Pallmann II, 342 ff. Die Behauptung und Ausführung schwebt aber in der Luft.

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