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Diese kleine Pièce foll in den mélanges littéraires Ihnen zugeschrieben seyn? Ich habe es aber selbst noch nicht darin gelesen, und rede nur Hrn. Naumann nach, welcher mir es erzählt hat.

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Eben jest komme ich aus der Vossischen Buchhandlung, wo ich mir die lehthin herausgekommenen Abendzeitvers treibe"*) gekauft habe. Ich will Hrn. Naumann in meinem Leben nichts mehr nachreden. Hat er mir nicht aufbinden_wollen, er wüßte ganz gewiß, Sie hätten diese Mährchen geschrieben! Bald werde ich seinen unsichern Geschmack kennen lernen. Er wollte Ihre ganze Denkungsart, Ihre ganze Seele darin erkannt haben. Was für ein elendes Ding wäre Ihre Seele, wenn sie sich in einem so alltäglichen Gewäsche verlieren könnte! Die Deutschen scheinen sich insgemein zu begnügen, wenn solche kleine Geschichten nur in einer reinen Schreibart abgefaßt sind; aber von Ihnen bin ich überzeugt, daß Sie interessante Süjets ge= wählt, mit Episoden ausgefüllt, und mit feinen Anspielungen verziert haben würden, wenn Sie sich einen Abendzeitvertreib hätten machen wollen.

Merken Sie es nun, warum ich auf der vorigen Seite Abendzeitvertreib unterstrichen hatte?

Es wollen mich Einige überreden, ich sollte die ganze Me= taphysik nach meiner Art abhandeln. Ich bin aber fest entschlossen, dieses Werk nicht eher zu unternehmen, als wenn ich das Vergnügen haben werde, mit Ihnen zusammen zu leben. Ich hielt diese sehr gewünschte Zeit für nahe; und ob es gleich nunmehr ein wenig weitläuftig damit aussehen möchte, so lasse ich dennoch die Hoffnnng dazu nicht ganz sinken. Bis dahin will ich mich ein wenig in der Mathematik festsehen, und meine vhilosophischen Begriffe zur gehörigen Reife gedeihen lassen. Die Welt wird meine Metaphysik nicht vermissen, wenn sie auch gar ausbleiben wird; und ich würde mich schwerlich beruhigen kön= nen, wenn ich eine herausgegeben hätte, ohne einen freimüthigen Lessing zum Beurtheiler gehabt zu haben.

Der Herr von Breitenbauch muß sich ganz in seine Händel verloren haben. Er denkt an keine Seele in Berlin,

*),,Abendzeitvertreib, in verschiedenen Erzählungen". Es sind das von 11 Theile zu Leipzig 1756-1777 in 8° erschienen.

Anm. des Herausgebers.

außer an einen gewissen von Fink, an welchen er, nach der unzuverlässigen Aussage Hrn. Naumann's, wirklich geschrieben haben soll.

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Ich will nach Ihrer löblichen Gewohnheit mit einigen Fragen schließen. Wo bleiben Ihre Auszüge aus dem Gol= doni? Haben Sie die glückliche Erbinn" aufführen sehen? Wie hat er Ihnen gefallen? Spielt Koch Ihre Miß Sara? Sind Sie zufrieden in Leipzig? Was hat Ihr Reisegefährte für einen moralischen Charakter? Wie viel Procent wollen Sie mir antworten? Dieserhalb müssen wir nothwendig einen Accord treffen, damit der Termin bestimmt sei, wann ich, ohne eigennützig zu seyn, mich über Ihr Stillschweigen beschwe ren kann. Leben Sie so zufrieden, theuerster Freund! als Ihnen wünschet

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Sorgen Sie nur nicht; ich verspreche Ihnen, daß Sie am Ende, wenn wir uns unsers Briefverkehrs wegen berechnen werden, sehr wenige Procent Verlust haben sollen; so wenige, daß Sie nicht anstehen sollen, mir wieder neuen Credit zu geben. Sie sind jezt mit drei Briefen im Vorschusse, mit zwei geschrie= benen und einem gedruckten. Aber was wollen drei Briefe sa= gen, wenn ich einmal ins Antworten kommen werde? Erlau:

ben Sie, daß ich jezt des gedruckten zuerst gedenke *). Noch habe ich ihn nur zweimal gelesen. Das erste Mal beschäftigte mich der Freund so sehr, daß ich den Philosopben darüber vers gaß. Ich empfand zu viel, um dabei denken zu können. Mehr sage ich Ihnen nicht; denn ich habe es nicht gelernt, in diesem Punkte ein Schwäher zu seyn. Ich will es nicht wagen, der Freundschaft, noch Ihnen eine Lobrede zu halten; ich will nichts, als mich von ihr hinreißen lassen. Möchte ich Ihrer Wahl so würdig seyn, als Sie der meinigen find! Bei der zweiten Lesung war ich nur darauf bedacht, Ihre Gedanken zu fassen. Sie haben mir ungemein gefallen, ob ich mir gleich einige Einwürfe auf unsere mündliche Unterredung vorbehalte. Sie be treffen vornehmlich das zweite Stück, aus welchem Sie, nach den eignen Einräumungen des Rousseau, die Moralität den Menschen wieder zusprechen wollen, die Perfectibilité. Ich weiß eigentlich noch nicht, was Rousseau für einen Begriff mit diesem Worte verbindet, weil ich seine Abhandlung noch bis jet mehr durchgeblättert als gelesen habe. Ich weiß nur, daß ich einen ganz andern Begriff damit verbinde, als einen, woraus sich das, was Sie daraus geschlossen haben, schließen ließe. Sie nehmen es für eine Bemühung, sich vollkommener zu machen; und ich verstehe bloß die Beschaffenheit eines Dinges darunter, vermöge welcher es vollkommener werden kann, eine Beschaffenheit, welche alle Dinge in der Welt haben, und die zu ihrer Fortdauer unumgänglich nöthig war. Ich glaube, der Schöpfer mußte alles, was er erschuf, fähig machen, vollkommener zu werden, wenn es in der Vollkommenheit, in welcher er es erschuf, bleiben sollte. Der Wilde z. E. würde ohne die Perfec= tibilität nicht lange ein Wilder bleiben, sondern gar bald nichts bessers als irgend ein unvernünftiges Thier werden; er erhielt also die Perfectibilität nicht deswegen, um etwas besseres als ein Wilder zu werden, sondern deswegen, um nichts geringeres zu werden. Ich zweifle, ob ich mich deutlich genug ausdrücke; und zweifle noch mehr, ob mein Einwurf Stich halten würde, wenn ich ihn auch noch so deutlich ausdrückte. Ich verspare ihn also, wie gesagt, auf unsere persönliche Zusammenkunft.

*) In Mendelssohn's Übersehung von Rousseau's Schrift,vom Ursprunge der Ungleichheit unter den Menschen“. Anm. von Garl Lachmann.

Und wann soll denn diese seyn? werden Sie fragen. Ganz ge= wiß in den nächsten drei oder vier Wochen. Mein Reisegefährte will Berlin noch vor seiner Abreise sehen, weil uns unser Weg vielleicht nicht durchführen möchte. Er will es, und Sie können sich leicht vorstellen, daß ich es ihm nicht auszureden suchen werde. Alsdann, liebster Freund, will ich mich umständlicher über Ihre Übersetzung sowohl als über Ihren Brief erklären, die ich beide bis jeht nur loben kann.

In einem von Ihren Briefen fragen Sie mich, ob ich glaubte, daß uns die Großmuth Thränen auspressen könne, wenn sich kein Mitleiden in das Spiel mischt? Ich glaube es nicht; aber gleichwohl glaube ich, daß es Menschen giebt, welche bei dem soyons amis, Cinna, weinen, weil mir diese Stelle nicht so gar ohne allen Anlaß zum Mitleiden scheint. Großmüthige Vergebung kann oft eine von den härtesten Strafen seyn; und wenn wir mit denen Mitleiden haben, welche Strafe leiden, so können wir auch mit denen Mitleiden haben, welche eine außer ordentliche Vergebung annehmen müssen. Halten Sie es für unmöglich, daß Cinna selbst bei den Worten: soyons amis könne geweint haben? hat aber Einn a weinen können, warum nicht Andere mit ihm? Die Thränen des Cinna würden die schmerzhaftesten Empfindungen seiner Reue verrathen, und diese schmerzhaftesten Empfindungen können mein Mitleiden erwerben, und können mir Thränen kosten. In diesem Falle wäre Cinna der, welchen ich mitleidig beweinte. Für gewisse Gemüther kann es aber auch Augustus seyn, welcher Mitleiden verdient. Für unedle Gemüther vielleicht, welche eine solche Handlung der Großmuth für etwas sehr schweres halten; für etwas, das eine erstaunende Selbstüberwindung erfordere, die ohne unangenehme Empfindungen nicht seyn kann. Haben Sie noch Niemanden aus Bosheit weinen sehen, weil er sich nicht rächen können? So Einer kann, natürlicher Weise, glaube ich, den Augustus beweinen, weil er ihn in eben den Umständen vermuthet, die ihm so schmerzhaft gewesen sind. überhaupt, wenn Großmuth das edelmüthige Bezeigen gegen unsre Feinde ist, so kann ich mir gar keinen Fall vorstellen, bei welchem nicht Mitleiden statt finden sollte: welches seine Wirkungen mehr oder weniger äußert, nachdem z. E. der Dichter es durch Umstände mehr oder weniger fühlbar gemacht hat.

Ich würde noch manches Geschwäg auskramen, wenn mich

nicht eben jeht ein unangenehmer Besuch überfiele. Es årgert mich, daß ich aufhören muß; ich werde aber ehster Tage an Hrn. Naumann schreiben, und einen neuen Brief an Sie einschließen, ohne auf einen neuen von Ihnen zn warten: der mir aber desto angenehmer seyn wird, je unerwarteter ich ihn bekommen werde. Die Abendzeitvertreibe", die Herr Naumann auf meine Rechnung schreiben wollen, habe ich noch nicht mit einem Auge gesehen. Leben Sie wohl, ich bin

Dero

beständiger Freund, G. E. Leffing.

10. Mendelssohn an Lessing.

Berlin den 9 März 1756.

Mein werthester Freund!

Ich habe Ihre Antwort auf meine beiden Briefe erhalten; und wenn Sie Ihr Versprechen gehalten hätten, so hätte ich schon vor acht oder zehn Tagen das Vergnügen gehabt, mich mit Ihnen zu unterhalten. În Wahrheit, liebster Lessing! ich durste sehr nach diesem Vergnügen. Ich habe in meinem Leben so viel Bekanntschaften nicht gemacht, als seitdem Sie von hier weg sind; und ich finde noch keinen Einzigen, mit welchem ich die wenigen müßigen Stunden, die ich habe, so angenehm und so nüglich zubringen könnte, als mit Ihnen. Wem erzähle ich aber dieses? Einem Freunde, der in wenig Tagen fast vergessen muß, daß er Freunde in Deutschland hat; den ich fast nur deswegen habe kennen gelernt, um mich von ihm wieder zu trennen, und das Leere recht zu fühlen, das sich mitten in einer herrlichen Bibliothek oft unsrer Seele bemeistert! Man hat vor einigen Wochen aus Leipzig geschrieben, Sie wären schon wieder von da weg; und ich hoffte damals ganz gewiß, Sie würden auf dem Wege hierher begriffen seyn.

Was machen Sie? Soll ich denn gar nichts von Ihnen zu lesen bekommen? Wie steht es um den Auszug des Gol= doni, welchen Sie zu einem Stücke in der,,Bibliothek" anher schicken wollten? Wie steht es um die 5 Comödien, die noch vor Ostern hatten die Presse verlassen sollen?

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