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was braucht es bei dem Lachen in der Seele mehr, wenn es zum Weinen werden soll, als daß die Lust und Unlust, aus deren Vermischung das Lachen entsteht, beide zum höchsten Grade anwachsen, und eben so vermischt bleiben? 3. E. der Kopf eines Kindes in einer großen Staatsperrücke ist ein lächerlicher Gegenstand; und der große Staatsmann, der kindisch geworden ist, ein beweinenswürdiger.

Ich sehe, daß mein Brief doch lang geworden ist. Neh= men Sie mir es ja nicht übel! Leben Sie wohl, liebster Mo= ses, und fahren Sie fort mich zu lieben.

Ich bin

ganz der Ihrige, Leffing.

18. Mendelssohn an Lessing.

Liebster Freund!

Berlin den 23 Nov. 1756.

Ich muß mich aufmachen, daß ich Ihnen wieder vorausSie machen es ungefähr wie die alten Wettläufer, die ihrem Rival einen kleinen Vorschritt gelassen, um ihn desto plöklicher zu überraschen, und den eingebildeten Sieg ihm unvermuthet aus den hånden zu reißen. In Wahrheit, Ihr lehter Brief an Hrn. Nicolai enthält so viel merkwürdiges, daß ich mir einige Zeitfrist ausbitten muß, alle Ihre Gedanken reiflich zu überlegen, bevor ich darauf antworten kann. Wenn Ihnen die Langeweile zu Leipzig diese vortrefflichen Gedanken eingegeben hat, so gerathe ich fast in Versuchung, Ihnen öfters Langeweile zu wünschen. Ich bitte mir indessen vorläufig einige Erläuterung über Ihre Gedanken von der Bewunderung aus. Wenn Sie hierin den rechten Punkt verfehlt hätten, so verspreche ich mir, Ihr ganzes System niederreißen zu können.

Wenn wir an einem Menschen gute Eigenschaften gewahr werden, die unsre Meinung, welche wir von ihm oder von der ganzen menschlichen Natur gehabt haben, übertreffen, so gerathen wir in einen angenehmen Affect, den wir Bewunderung_nennen. Da nun eine jede Bewunderung ungemein gute Eigenschaften zum Grunde hat, so muß dieser Affect schon an und für sich selbst, und ohne Rücksicht auf das Mitleiden, dessen die bewun

derte Person entbehren kann, in dem Gemüthe des Zuschauers ein Vergnügen zuwege bringen. Ja es muß sogar der Wunsch in ihm entstehen, dem bewunderten Held, wo es möglich ist, nachzueifern; denn die Begierde zur Nacheiferung ist von der anschauenden Erkenntniß einer guten Eigenschaft unzertrennlich; und ich werde nicht nöthig haben, Ihnen die Erfahrung anzuführen, daß diese Begierde öfters die vortrefflichste Wirkung gehabt hat.

Ich gestehe es, daß die Bewunderung öfters das Mitleiden mildert oder, wenn Sie wollen, auf eine Zeit lang gänzlich aufhebt, das wir vorhin der leidenden Tugend aufgeopfert hatten. Allein sie thut dieses nicht immer; und wenn sie es thut, so ist es bloß eine zufällige Wirkung, die unmöglich ihren ganzen Werth erschöpfen kann, weil sie ihr mit dem völligen Tode des Helden gemein ist. Die todte Zaïre fordert eben so wenig unser Mitleiden, als der sterbende Gusman; und dennoch ist es etwas mehr als ein gedämpftes Mitleiden, das uns in dem vortrefflichen Betragen dieses Lestern dahinreißt, und, wo ich nicht irre, in jeder menschlichen Brust den Wunsch erzeugt, eben so erhabner Gesinnung fähig zu seyn. Wenn Mithridatesin den bedrängtesten Umständen, darin er sich befindet, noch mit einem Anschlage auf Rom schwanger geht, und seinen Söhnen den Plan dazu so vortrefflich auseinanderseßt, daß wir sogar die Möglichkeit der Ausführung einsehen; so erregt er unstreitig Bewunderung. Hat aber Mithridates mißliches Schicksal im Kriege wider die Römer uns je zum Mitleid bewogen? würde es nicht ein unvergeblicher Fehler des Dichters seyn, wenn er ein Mitleiden dämpfen wollte, das gleichsam außer der Scene vorgegan= gen ist und in die Verwickelung kaum den allerentferntesten Einfluß hat? Bitten Sie also die Bewunderung, diese Mutter der Tugend, um Verzeihung, daß Sie von ihrem Werthe so nachtheilig gedacht haben. Sie ist nicht bloß ein Ruhepunkt des Mitleidens, welcher nur deswegen da ist, um dem von neuem aufsteigenden Mitleiden wieder Plaß zu machen; nein! die sinnliche Empfindung des Mitleidens macht einer höhern Empfindung Plas; und ihr sanfter Schimmer verschwindet, wenn der Glanz der Bewunderung unser Gemüth durchdringt. Die Be= wunderer der Alten mögen zusehen, wie sie es entschuldigen wollen, daß die größten Dichter Griechenlands nie bewundernswürdige Charaktere auf die Bühne gebracht haben. So viel

mir von ihren Trauerspielen bekannt ist, weiß ich mich nicht eines einzigen Zuges eines Charakters zu erinnern, der von Seiten seiner Moralität unsere Bewunderung verdienen sollte. Ihre Bildhauer haben sich diesen würdigen Affect besser zu Nuße gemacht. Sie haben die Leidenschaften fast durchgehends von einem gewissen Heroismus begleiten lassen, dadurch sie ihre Charaktere etwas über die Natur erheben; und die Kenner gestehen, daß ihre Bildsäulen von dieser Seite fast unnachahmlich sind.

Ich will mein langweiliges Geschwäß hier abbrechen. Meine Gedanken vom Schrecken und vom Weinen kann ich Ihnen nicht eher eröffnen, bis ich mich mit unserm Hrn. Nicolai darüber besprochen habe. Es scheint mir immer, als wenn eine jede Illusion vom Schrecken, auch ohne Beihülfe des Mitleidens, angenehm seyn müsse. Ein Beispiel davon sei die vom Aristoteles angeführte gemalte Schlange, oder vielmehr die von Ihnen selbst angeführte Erscheinung eines Geistes auf der Schaubühne. Die Art und Weise, wie Sie dieses Schrecken auf ein Mitleiden reduciren wollen, ist allzu spißfindig, als daß sie natürlich seyn könnte. über alles dieses wollen wir uns weitläuftiger her: auslassen, wenn wir erst unsere Gedanken von der Wirkung der theatralischen Illusion und von dem Streite derselben mit der deutlichen Erkenntniß in Ordnung gebracht haben. Dieses soll geschehen, sobald der Krieg die Handlung so sehr zu Grunde gerichtet haben wird, daß sowohl Hr. Nicolai als ich einige Stun= den zur Speculation übrig haben werden. Ich lasse jest meine Gedanken „von der Wahrscheinlichkeit“ *) abschreiben, um sie Ihnen zu überschicken. Sie werden mir verzeihen, daß ich die Geduld unsers Hrn. Nicolai nicht gehabt habe, die besten Gedanken daraus in einen Auszug zusammenzuziehen, um Sie der Mühe zu überheben, alles durchzulesen. Es gehört auch eine besondere Gabe dazu, dasjenige kurz vorzubringen, was man weitläuftig gedacht hat.

Ich habe noch einen Vorwurf von mir abzulehnen, welchen Sie mir in dem Schreiben durch Hrn. Joseph zu machen belieben. Sie beschuldigen mich einer seichten Gefälligkeit für das

*) Die Schrift,über die Wahrscheinlichkeit“ (Bd. 1. dieser gesammelten Schriften S. 349-369) erschien zuerst im 2ten Theile von M. M's.,,philosophischen Schriften", Berlin 1761, S. 241-283. Anm. des Herausg.

herrschende System, und glauben, ich hätte mir vorgenommen, den Hrn. von Leibniß von seiner schwachen Seite nachzuahmen. Ich erkenne in diesem Vorwurfe Ihre Freundschaft, und gestehe es, daß ich nichts erhebliches zu meiner Entschuldigung vorzubringen habe. Ich bitte aber, diese für Sie nicht geschriebene Stellen zu übergehen, und mich von den übrigen Ihr Urtheil wissen zu lassen. Leben Sie wohl, mein theuerster Lessing, und wachen Sie beständig auf alle Schritte

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Ich muß Ihnen auf Ihren legten Brief den Augenblick antworten; denn was bei mir nicht den Augenblick geschieht, das geschieht entweder gar nicht oder sehr schlecht. Da ich aber nichts weniger als Langeweile habe und den größten Theil des Tages mit unsern Gästen zubringen muß (denn das wissen Sie doch, daß nunmehr auch Leipzig nicht länger von preußischer Einquartierung verschont ist?), so werde ich von der Faust weg schreiben und meine Gedanken unter der Feder reif werden lassen.

Es kommt mir sehr gelegen, was Sie von der Bewunderung sagen; und in meinem Briefe an unsern Freund habe ich diesen Affect nicht sowohl überhaupt erklären, als anzeigen wollen, was für Wirkung er in dem Trauerspiele hervorbringe; eine Wirkung, die Sie selbst nicht ganz in Abrede find.

Wir gerathen in Bewunderung, sagen Sie, wenn wir an einem Menschen gute Eigenschaften gewahr werden, die unsere Meinung, welche wir von ihm oder von der ganzen menschlichen Natur gehabt haben, übertreffen. In dieser Erklärung finde ich zweierlei Dinge, die zweierlei Namen verdienen, und in unserer Sprache auch wirklich haben. Wenn ich an Einem gute Eigenschaften gewahr werde, die meine Meinung von ihm übertreffen,

so heißt das nicht: ich bewundere ihn, sondern ich verwundere mich über ihn. Bewundern Sie den sterbenden Gusman? Ich nicht, ich verwundere mich bloß, daß aus einem christlichen Barbaren so geschwind ein Mensch geworden ist; ja ich verwundere mich so sehr, daß ich mich nicht enthalten kann, den Dichter ein wenig zu tadeln. Die Veränderung ist zu jáh, und nach dem Charakter des Gusman durch nichts wahrscheinlich zu machen, als durch eine übernatürliche Wirkung der Religion. Voltaire muß es selbst gemerkt haben:

Sieh hier den Unterschied der Götter, die wir ehren,
Die deinen konnten dich nur Wuth und Rache lehren.

Bis diesen Augenblick habe ich den Gusman gehaßt; ich freue mich fast, daß ihn der Wilde erstochen hat: er erstach ein Ungeheuer, das eine Welt verwüstete; wo sollte das Mitleiden herkommen? Nunmehr aber höre ich, er vergiebt; er thut die erste und lehte gute That, die ich nicht von ihm erwartet håtte; das Mitleid erscheint an der Hand der Verwunderung, d. i. es entsteht durch die endlich und plöglich entdeckte gute Eigenschaft. Ich sage mit Fleiß: plößlich, um eine Erfahrung daraus zu erElåren, die ich wirklich gehabt habe, ehe die Speculation noch daran Theil nehmen konnte. Ich bin, als ich diese Scene zum ersten Mal las, über die Vergebung des Gusman erschrocken. Denn den Augenblick fühlte ich mich in der Stelle des Zamor. Ich fühlte seine Beschämung, seine schmerzliche Erniedrigung; ich fühlte es, was es einem Geiste wie dem seinigen kosten müsse, zu sagen: ich scháme mich der Rache!" Zum Lode, dem kleinern übel, war er vorbereitet; zur Vergebung, dem größern, nicht.

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Also wenn ein Bösewicht oder jede andere Person eine gute Eigenschaft zeigt, die ich in ihm nicht vermuthet hätte, so ent= steht keine Bewunderung, sondern eine Verwunderung; welche so wenig etwas angenehmes ist, daß sie vielmehr weiter nichts als ein Fehler des Dichters genannt zu werden verdient, weil in keinem Charakter mehr seyn muß, als man sich Anfangs darin zu finden verspricht. Wenn der Geizige auf einmal freigebig, der Ruhmredige auf einmal bescheiden wird, so verwundert man sich; bewundern aber kann man ihn nicht.

Wenn nun dieser Unterschied keine falsche Spißfindigkeit ist, so wird die Bewunderung allein da statt finden, wo wir so

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