صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

Viertes Capitel.

Die Vollstreckung der Drohungen gegen die Heyden schadet der Erfüllung der, der Kirche gegebenen Verheissungen nicht.

as Geschick der Kirche, und derjenigen Heyden, welche jeho die Kirche ausmachen, sind zwey völlig verschiedene Dinge, und keineswegs unzertrennlich. Die Kirche oder Gemeine fann weder untergehn noch verstoßen werden. Der Bund Jesu Christi mit ihr währt ewig. Feste Ver heissungen, gegründet auf eine freywillige und unüberwindliche Barmherzigkeit, versichern ihr eine unsterbliche Dauer. Sie kann folglich nie das Schicksal der Synagoge haben. So lange die Welt steht, wird sie die getreue und geliebte Braut seyn. Die Lampe der Wahrheit wird nie bei ihr verlöschen; das heilige Feuer der Liebe wird allezeit in ihrem Schooße brennen. Aber mit welchem Recht wollen die Völker, welche den Christennamen tragen, und ihn auf so vielfache Weise entehren, sich eine gleiche Unaufhörlichkeit zueignen? Etwa weil außerdem die Verheissungen der Kirche nicht erfüllt werden könnten? So müßte man mit neuen Theologen die Drohungen des alten und neuen Testaments gegen die Heyden, welche die Kirche ausmachen, blos unbuchstäblich nehmen;, müßte einen Schleyer darüber werfen, ihre Kraft mittelst günstiger Auslegungen schwächen, ihre Ausdehnung durch willkührs

liche Ermäßigungen beschränken, und so den Geist Gottes der Uebertreibung bezüchtigen, welche durch die weise Ges fälligkeit einiger Neulinge gedämpft zu werden nöthig habe.

Zum Glück beruht dieses Ausgleichungssystem aus teinem haltbaren Grund, sondern die Vermittelung des Wis derspruchs zwischen den Dröhungen und Verheissungen macht sich anders. Beyde Wahrheiten stehen unerschütters lich: daß die Kirche weder zu Grunde gehen noch die ge ringste Unterbrechung leiden kann, und daß die Heydenschaft in den Abfall gerathen, und dasselbe Schicksal mit der unglaubigen und verhärteten Synagoge haben wird. Ungleich strafbarer als diese, weil sie mitten im Licht fündigte, wird diese stolze Heydenschaft vom Leibe Jesu Christi abgeschieden, aus dem Hause des himmlischen Vas ters verstoßen, ihrer Vorrechte beraubt, ihrer Finsterniß und Unbußfertigkeit überlassen werden, ohne daß darum die Kirche weder verfinstert noch lichtlos wird. Wir tres ten unsern Plaß an Würdigere ab. Aber die Verheissungen der Kirche hören nicht einen Augenblick auf in Erfüllung zu gehn, weil Andre sie erndten werden. Der my stische Baum grünt fort, wiewohl wir seines kostbaren Safts ermangeln müssen.

Hüten wir uns also sehr zu glauben, daß kraft der göttlichen Zusagen die Kirche und der Mittelpunct der Religion immer unter uns bleiben müsse, daß wir im unverz gänglichen. Besiß des Priesterthums bleiben werden. In Gefolge der nämlichen Täuschung betrachteten die Juden, indem sie die Verheissung einer unauslöschlichen Dauer des Gottesdienstes auf sich bezogen, es als Kegerey und eine Art von Gotteslästerung, wenn man nur den Gedanken hegte, daß das Reich Gottes ihnen genommen, ihr Tempel zerstöhrt, ihr Priesterthum abgeschafft werden, der Schaß des Glaubens und das wahre Verständniß der Schrift in reinere und getreuere Hände übergehen könnte. FA

Eine traurige Erfahrung hat seit langer Zeit dieses hocha müthige Selbstvertrauen beschämt. Die wahre Religion hat keine Unterbrechung erduldet, aber die Juden häben aufgehört im Lichte zu wandeln.

Warum fönnte es mit uns Heyden nicht dieselbe Bewandniß erhalten? Welcher Rathschluß Gottes, welche Weissagung der Schrift, welche Glaubenslehre vereinigt unser Schicksal so unaufhörlich mit dem der Religion? Wo hat Christus und seine Apostel je geäußert, daß die Kirche immer bey den Völkern bestehen werde, die sie anfänglich in ihren Schooß aufnahm, und nicht ohne sie bestehen. könne? Was der Sohn Gottes verheissen und die Apostel gelehrt haben, ist der ewige Bestand einer sichtbaren Ges meine*), bey welcher die gedoppelte Beylage der Wahrheit und Liebe unendlich bleiben wird. Aber muß diese Gemeine stets aus den nämlichen Völkern bestehen, die , anfangs an Jesum Christum glaubig wurden? Das liegt

*) Man verwechsele nicht die sichtbare Gemeine Jesu Chriftk überhaupt, welche in verschiedenen örtlichen und kirchli» chen (confessionellen) Formen aus einer sichtbaren Schaar von Glaubigen auf Erden besteht und bestehen wird, als die wahre sichtbare Kirche, mit irgend einer sichtbaren Form, welche sich für die sichtbare Kirche halten will. Es writt sonst hier dieselbe jüdische Täuschung ein, von der der Verfasser spricht. Lange hielt sich Rom für die einzige Bewahrerin des Christenthums; darauf der Proteftantiss mus. Beyde hatten anfangs einigen Grund dazu; aber beyde irrten, indem sie ihren Vorzug für unvergänglich und an ihr äußeres Daseyn gebunden hielten. Am Ende findet sich, daß die Kirche sichtbar durch sichtbare Glieder und verschiedene Kirchenanstalten, unsichtbar aber dem wahren Geiste nach ist, welcher in ihnen allen waltet, und eine unsichtbare Schaar aus allen für die ewige Kirche aussondert. Der Verf. selbst redet im Folgenden in dent nämlichen richtigen Sinn.

mit nichten in der Verheissung. Folglich können diese Völker ohne den mindesten Eintrag für die Kirche selbst

abgeschnitten, werden, und diese Aussonderung wird so gez recht als wohlthätig seyn. Kein Volk, keine Stadt, keine besondere Kirche kann sich daher der Verheissungen für sich bemächtigen, oder einen Anspruch der Sicherheit und Straflosigkeit auf sie bauen. Der Stamm stirbt nicht ab, aber seine Zweige wechseln. Die Glaubensleuchte verlischt nicht, aber sie erhellt andre Pläße, und läßt die, denen sie bisher schien, in der Dunkelheit.

[ocr errors]

Bestreiten wir also nicht eine Wahrheit mit der andern; urtheilen wir nicht nach menschlicher Weisheit oder gar Selbstsucht. Israels Wiederkehr, diese klare Zusage der Schrift, erfolgt nur durch die Verstoßung des stolzen Heyden. Dieser entsegliche Wechsel, wodurch ein Volk an des andern Statt in den Besit der Glaubensgüter gesezt wird, ist ein über die menschliche Vernunft erhabenes, aber deutlich geoffenbartes Geheimniß, dessen Erfüllung daher nicht ausbleiben wird. Wollen wir aber die Art. wissen, wie dieses zugehen wird, und wie sich die Verheissung der Kirche mit den Drohungen gegen die Heyden auf das leichteste vereinigen läßt, so brauchen wir (wiewohl das Nähere der Zukunft überlassen bleiben muß) nur an den frühern Stellenwechsel zwischen der Synagoge und der christlichen Kirche zu denken. Er war nicht das Werk eines Augenblicks. Nicht plöglich sollte die Verstos sung der Juden Statt haben; nicht durch einen einzigen Schlag sollte die Wahrheit aus den Händen der Synagoge in die einer neuen Gemeine übergehn; kein rasches Wuns der sollte Israel des Besißes entschen, und das Evangelium unter die Heyden pflanzen. Der Bruch und die Trennung wären zu fühlbar, zu blutig, zu nachtheilig gewesen. Im Gegentheil mußten zur Ausführung des göttlichen Rathschlusses einige Israeliten, aus Gnaden von der vers

[ocr errors]

dorbenen Masse ihrer Nation ausgeschieden, die Diener des Heils für die Heyden und gleichsam die Kragsteine werden, woran das neue Gebäude sich lehnen konnte. So bildete sich zu Jerusalem die erste Christenkirche. Von ihr empfiengen die Völker den Glauben, den Schaß der Schrift, und alle Güter der Religion. Und weil von nun an die Synagoge in den Augen der höchsten Gerechtigkeit ein uns nüßes, ja gehässiges Nebending geworden war, so erfolgte ihre völlige Verwerfung; die Nation versank in Finsterniß, und schlürfte in langen Zügen den Becher des Erimms.

Eben so kann und wird es mit den Heyden gehn. Sie brauchen nicht alle auf einen Tag plößlich abgehauen zu werden, was in der kirchlichen Succession allerdings eine, mit der Verheissung unverträgliche Unterbrechung vers ursachen würde. Der mystische Delstamm ist nicht nur unvergänglich, sondern er kann auch nicht auf einmal von allen seinen Zweigen entblößt und unfruchtbar gemacht werden. Und wie die natürlichen Zweige erst abgehauen - wurden, als die fremden Zweige schon eingepfropft waren, so wird eben dasselbe bey der Wiederverwerfung der lehtern geschehen: der Herr wird sich mitten unter den abtrünnigen Heyden eine gewisse Anzahl von getreuen Glaubigen überbleiben lassen, die den neuen, wieder glaubig gewordenen Zweigen zum Stamme dienen und ihnen den Saft der Gnade zuflösen werden. Unstreitig werden die Juden sich mit Jesu Christo, und folglich mit der christlichen Kirche, seiner ewig Vermählten, verbinden, wenn endlich die Decke, die ihnen jeho die Wahrheit verbirgt, von ihren Augen genomnien ist. Ih Schooß dieser Kirche werden sie den wahren Joseph suchen, erkennen, anbeten, nachdem sie ihn den Heyden überantwortet und seit so vielen Jahrhunderten todt geglaubt hatten. Sie werden mit Inbrunst von dens jenigen Christen aufgenommen werden, welche nach der Erlösung Israels seufzen, welche Jesum und seine Kirche

« السابقةمتابعة »