An Herrn Dr. A. Tholuck. Diese Abhandlungen bringe ich Dir, mein theurer Freund, als Denkmal einer fast funfzigjährigen Freundschaft dar. Als mich der Ruf des Herrn zum Theologen gemacht und ich doch wieder bei eingehenderem Studium der Theologie und besonders der Philosophie von Zweifeln und Kämpfen überschüttet wurde, da führte mich der Zuspruch eines nun schon hinübergegangenen Freundes zu Dir. Du machtest mich damals auf den sittlichen Geist des Christenthums aufmerksam und erwecktest in mir wieder die Zuversicht, dass im evangelischen Glauben die seligmachende Wahrheit zu finden sei und ausser ihm nirgends. Du überredetest mich nach Berlin zu gehen, wo ich zu Deinen und unsers seligen Neanders Füssen die Theologie kennen lernte, von deren Ursprunge er selbst zeugte durch sein Lieblingswort: Pectus est quod disertum facit. Damals ahnte ich nicht, dass es mir vergönnt sein sollte später, nun mehr als 30 Jahre lang, an einer und derselben Universität nach Deinem Vorbilde und mit Dir für diese Theologie zu wirken. Ich bin dess guter Zuversicht, dass Du diese Abhandlungen alle im Wesentlichen Deiner Zustimmung werth finden wirst. Solltest Du gegen einzelne der hier ausgeführten Gedanken Bedenken haben, wie ich mich besonders in Beziehung auf die Abhandlungen III und VII darauf gefasst mache, so wird jeder Wink von Dir mich bereitwillig finden zu neuer Prüfung. J. Müller. Vorrede. Die sieben Abhandlungen dieses Buches beziehen sich zum grössern Theil auf Gegenstände, die in der heutigen theologischen Litteratur streitig sind. Sie sind alle schon früher erschienen in Zeitschriften und als akademisches Programm; hier werden sie den Lesern in grossentheils veränderter, ja auch gänzlich umgearbeiteter Gestalt dargeboten. Ich kann von keiner dieser Abhandlungen sagen, dass meine Ueberzeugung über deren Gegenstand sich seit ihrem ersten Erscheinen wesentlich geändert hat; von der, welche durch die Umarbeitung eine ganz andre geworden ist siebenten andern. von der gilt diess so wenig als von irgend einer Aber ich bin mir bewusst im Streite nur den Frieden zu suchen; ja nichts erfüllt mich mehr mit Schmerz und Trauer, als dass auch unter denen, die ihre Hoffnung ganz allein auf Christum den Gekreuzigten und Auferstandenen setzen, ein Unfriede währt, der alle brüderliche Gemeinschaft und allen Verkehr der Liebe und des Vertrauens zwischen ihnen fast ganz ausgeschlossen hat. Ob diese Abhandlungen ein Weniges dazu beitragen können den friedlichen Verkehr herstellen zu helfen zwischen den streitenden Theilen, ich weiss es nicht; aber Eins weiss ich, und das möchte ich die Streitenden |