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oder den Herrn, den Stellvertreter der Gottheit; ihm, ich möchte sagen, Alles an den Augen ansehen, was er will, jeden Wink befolgen in seinen Schicksalen, in der Natur, in seinem Innern, in der Bibel gegeben; das will er, das ist sein eigenster, innerster Wille. Nichts mehr und Nichts weniger. Unthätig oder thätig, hoch oder niedrig, verachtet oder gepriesen zu seyn, so wie der Geliebte will: so ist ja jede Liebe. „Je dois toutes mes vertus à l'envie de vous plaire," sagt ja sogar der frivole Voltaire.

Man hat Ihnen gesagt, daß doch die Mystiker diese Willenlosigkeit, diese Uneigennüßigkeit der Liebe übertrieben, daß sie bei Darstellung derselben der Phantasie zu viel Spielraum gelassen hätten. Man hat Ihnen die bekannte Stelle aus Fenelon angeführt:,,Wenn durch einen Fall, der unmöglich ist, Gott die Seelen der Gerechten im Augenblick ihres leiblichen Todes vernichten, oder sie sei= nes Anblicks berauben und sie ewig in den Versuchungen und dem Elende dieses Lebens lassen wollte; wenn er sie sogar, ferne von sich, in allen Strafen der Hölle ewig schmachten lassen wollte, so würden doch die Seelen, die sich im Stande der reinen Liebe befinden, ihn nicht mit weniger Treue lieben und ihm dienen." Sie find erinnert worden an so manche Spielereien, die sich in den

Commentarien mancher Mystiker, eines Bernhard, Richard de St. Victore und Anderer finden; an allzu üppige Phantasterei, die man in Rußbroch, Müller, Johannes à Cruce lieset.

Und wenn man nun dies Alles als übertrieben, als Mißbrauch der Phantasie zugibt; ist deswegen die ganze Mystik zu verwerfen? Verwirft man die Philosophie, weil es unter den Philosophen auch Sophisten, Skeptiker, grobe Idealisten gibt? Je kräftiger, eingreifender Etwas ist, desto mehr kann es mißbraucht werden; Wein mehr als Waffer, China mehr als Kreide, eine Sertus Empirifus Vernunft mehr als ein bürgerlicher schlichter Menschenverstand. Soll man darum den Wein verdammen, die China verbieten, jeden hochspeculativen Kopf für einen Narren erklären?

Und dann erinnern Sie sich doch daran, daß auch Liebe zu Gott, zu Christus Liebe ist, und nichts Underes seyn soll, und daß man von Liebe nicht anders als unter finnlichen Bildern reden kann, wie man ja auch sogar reine Verstands- oder Vernunftproducte durch die sinnlichen Ausdrücke: Begriff, dunkler, heller Begriff, Ansicht u. s. w. bezeichnet. Das Geistige hat nun einmal für uns sinnliche Menschen keinen eigentli

chen Ausdruck. Die geistigen Dinge an sich zu nennen ist nicht des Menschen Sache, da er sie auch nicht an sich erkennen kann.

Ich sagte einmal bei Gelegenheit, jede Wissenschaft habe ihre Mystik, und man erwiderte mir: Niemand habe noch das Geheime in Wissenschaften Mystik genannt. Aber könnte man es nicht recht gut so nennen? Von der Idee des Verbor genen, Geheimnißvollen ging doch der Ausdruck: Mystik aus. Das Geheime, Unerklärliche ist doch der Mittelpunct des Begriffs: Mystik. Ich wollte nur sagen: in jeder Wissenschaft ist Etwas, das man nicht ganz erklären kann. Je tiefer die Wissenschaft, desto mehr Unerklärliches. Warum nicht in der geistigsten aller Wissenschaften, Religion, und in der geistigsten aller Religionen, im Christenthum? Gerade das Erhabenste, Tiefste kann nicht zergliedert, dem Verstande ganz begreiflich gemacht, das Wie desselben demonstrirt werden. Mystik ganz verwerfen heißt also das Erhabenste, Tiefste verwerfen, was es gibt. Den Mittelpunct, die Grundwahrheit alles Christenthums: „Gott ist geoffenbaret im Fleisch," nennt Paulus selbst ein großes Geheimniß. Sind wir etwa tiefer in den Geist des Christenthums eingedrungen als er?

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Doch ich bin des Widerlegens müde. Das nächste Mal etwas Besseres. Håtten Sie eine Zeitlang in der Nähe eines echten Mystikers ge= lebt, so würden Ihnen alle Einwendungen schwinden, wie der Schnee schmilzt, wenn die Frühlingsfonne wirkt.

3 wa ni ig ster Brief.

An denselben.

Ich wünschte, daß Sie diesen Brief gemeinschaft

lich mit Ihrer Gattin låsen; denn er redet von einem Mann, dessen zartestes Inneres vielleicht am tiefsten von einem feinfühlenden Weibe nachempfunden werden kann. Ich rede von dem allbekannten Fenelon, einem verschrieenen Mystiker, einem Freund der noch verschrieenern Guyon, und doch einem Welt- und Geschäftsmann, wie es selten und in dieser Verbindung wohl keinen einzigen gab. Von seinen Schriften will ich Ihnen weniger sagen, weil Sie gewiß schon mit mehreren bekannt sind, aber an Züge aus seinem Leben, an Aeußerungen in dem Kreise des gesellschaftlichen Lebens möcht' ich Sie erinnern, auf die oft weniger als auf seine beredten, berühmten Schriften geachtet wird, und die uns doch mehr

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