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in das Innere dieses wahrhaftig vergotteten Mannes (ein passender mystischer Ausdruck) blicken laffen als jene Schriften; denn was läßt sich nicht Alles schreiben? Und ist man darum das Alles, was man ge- und beschrieben hat? Bei den Mystikern besonders muß man ihr Leben mit ihren Schriften zusammennehmen. Nicht blos, weil diese dadurch am besten erklärt werden, und weil sich manche der wichtigsten Einwendungen gegen ihre Schriften durch ihr Leben am besten widerlegen, sondern hauptsächlich, weil sie auf das Leben ge= hen, auf das Innere, das sich in dem Aeußern ausspricht. Man wirft den Mystikern oft vor, daß sie zu unduldsam gegen Andere, besonders gegen Fehlerhafte seyen. Hören Sie dagegen, was Fenelon mit dem Scharfsinn der Liebe sagt:,,Oft ist's eigene Unvollkommenheit, daß man die Unvollkommenen tadelt. Es ist eine feine und durchdringende Eigenliebe, die der Eigenliebe Anderer Nichts verzeiht, die Leidenschaften Anderer scheinen unendlich lächerlich und unerträglich Jedem, der den seinigen hingegeben ist. Die Liebe zu Gott ist voll Achtung, Duldsamkeit, Schonung und Herablassung. Sie thut nie zwei Schritte auf einmal. Je weniger man sich selbst liebt, je mehr fügt man sich in Anderer Unvollkommenheiten, um sie geduldig davon zu heilen. Man macht nie Ein

schnitte, ohne viel Balsam und Del auf die Wunde zu thun. Man wagt keine Speration, bis die Natur selbst winkt, daß sie darauf vorbereite. Man kann ganze Jahre warten, bis man einen einzigen heilsamen Rath anbringt.“ Mystiker sollen zum Absprechen und Richten geneigt seyn. Fenelon aber läßt Sokrates dem Menschenfeind Timon in seinen Todtengesprächen sagen:,,Die unvollkommene Tugend unterliegt, im Dulden den Unvollkommenhei ten Anderer. Man liebt sich selbst noch zu viel, um das zu ertragen, was unserem Geschmack und unseren Grundsägen zuwider ist. Die Eigenliebe will weder von der Tugend noch von dem Laster Widerspruch dulden. Die unvollkommene Tugend ist schwierig, kritisch, rauh, streng und unversöhnlich. Die wahre Tugend ist immer gleich sanft, freundlich, mitleidig. Sie nimmt Alles auf sich und denkt an nichts Anderes, als Gutes zu thun."

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Darum sagte Fenelon dennoch seinen Freunden die Wahrheit, wenn sie sie hören konnten. So bewies er einem derselben sehr scharfsinnig, daß er von Jugend an eine zügellose Eigenliebe, aber unter der Maske eines musterhaften Zartgefühls und einer einzigen Großmuth genährt habe. Er wollte aber auch das Nämliche von seinen Freunden, ihn nicht zu schonen. Glaubten sie auch einmal einen Fehler an ihm zu sehen, den er vielleicht nicht

hatte, so wäre dies ja kein großes Unglück. Wenn ihre Warnungen ihn beleidigten, so sey das ein Zeichen, daß sie den rechten Fleck getroffen håtten. Er müsse mehr als ein Anderer gedemüthigt werden, in dem Maß, wie er durch seinen Stand mehr über Andere erhaben sey. Auch wurde er mehr als hinlänglich gedemüthigt. Bekanntlich verfolgte ihn der Neid Bossuet's und dessen despotische Forderung, die Schriften seiner Freundin Guyon gegen eigene Ueberzeugung zu verdammen. Was natürlich Fenelon nicht thun konnte, erbitterte diesen ehrgeizigen Mann auf's äußerste. Er brachte es durch seine Intriguen so weit, daß Fenelon's Lehre, besonders von der reinen Liebe zu Gott, durch eine päpstliche Bulle verdammt, er zur Bekanntmachung derselben angewiesen) und in seine Dióces verwiesen wurde. Er machte sie von der Kanzel bekannt und ermahnte seine Diocesanen, ihr punctlich Folge zu leisten. Aus seinem Exil schrieb er an seine Freunde: Lasset uns Alle in unserem einzigen Mittelpuncte (centre) bleiben, wo wir uns immer finden, und wo wir Alle Eins sind. Wir sind einander sehr nahe, ohne uns zu sehen, statt daß Leute, die sich zu jeder Stunde sehen, in einem und eben demselben Zimmer sich sehr ferne sind. Gott vereinigt Alles und vernichtet die größte Entfernung in Hinsicht auf Herzen, die

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in ihm vereinigt sind.

Eins zu seyn! Ich will

wie schön ist's, nur Nichts kennen als Einheit. Alles, was man darüber hinaus rechnet, kommt von der Trennung. Pfui der Freunde! Ihrer sind mehrere, also lieben sie sich nicht." (Ihnen brauche ich ja nicht zu sagen, daß nicht von der Zahl der Personen, sondern von dem Sinn die Rede ist.),,Das Ich liebt sich zu sehr, um das Ihn oder Sie zu lieben. Lassen Sie uns denn Alle Eins seyn, um nichts zu seyn, als in unserem gemeinschaftlichen Mittelpunct, wo Alles ohne Unterschied Eins ist. Dort gebe ich Ihnen ein rendez vous, wo wir zusammen wohnen werden. In diesem untheilbaren Puncte ha= ben sich China und Kanada vereinigt." Niemand war dem göttlichen Willen mehr unterworfen als Fenelon, wo er ihn wirklich zu erkennen glaubte. Als echter Katholik unterwarf er sich kindlich den Aussprüchen des Papstes, die seine Schrift über die Marimen der Heiligen und die daraus gezoge= nen Säße verdammt hatten.,,Wir trösten uns," sagt er öffentlich seiner Gemeinde,,,über das, was uns demüthigt, damit der Dienst des Worts, den wir von dem Herrn empfangen haben zu unferer Heiligung, dadurch nicht geschwächt werde, und ohnerachtet der Demüthigung des Hirten die Heerde wachse in der Gnade vor Gott." Als

man ihn ohnerachtet dieser Offenheit beschuldigte, daß er aus Politik oder Schwäche gehandelt habe, erklärt er öffentlich: Meine Unterwerfung ist kein politischer Zug, auch kein ehrfurchtsvolles Schweigen, sondern ein innerer Act des Gehorsams, Gott allein gebracht. Nach katholischen Grundsågen habe ich das Urtheil meiner Vorgeseßten als ein Echo des göttlichen Willens angesehen. Ich habe mich nicht aufgehalten bei den Leidenschaften, Vorurtheilen und Streitigkeiten, die meiner Verdammung vorausgingen. Ich hörte mitten in diesem Wirrwarr wie Hiob Gottes Stimme, die mir sagte:,,Wer ist's, der unbedachtsame Reden unter weise Sprüche mischt?" Und ich antwortete aus meines Herzens Grund: „Habe ich unbedachtsam geredet, so kann ich nur meine Hand auf den Mund legen und schweigen." Aber er war nichts weniger als stoisch gleichgültig. Niemand konnte empfindlicher bei dem Verluste seiner Freun= de seyn als er, bitterlich weinte er bei ihrem Tode; auch verbarg er seine Thrånen nicht, suchte sie nicht zurückzuhalten durch eine gewisse philosophische Kraft. Wie schön war's, diesen großen Mann zum Kinde werden zu sehen durch die Zårtlichkeit der Freundschaft! Aber dabei tröstete er doch sich und die Freunde, die mit ihm weinten. Er ist nicht entfernt von uns," schrieb er,,,in

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