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cultates animae). Zu ersterem gehört alles, was wir Empfindung, Lebensgefühl, Affekt usw. nennen. Nur der Ungebildete bleibt in dieser Vorstufe stecken; nur insoweit die Vernunft dadurch gefördert wird, ist das Empfindungsleben von Wert. Wolff spricht zwar von Begeisterung (ardor animi), aber er verlangt übereinstimmung mit der Vernunft. Noch Goethe muß für die Gleichberechtigung eintreten. Damit ist alles, was schön und erhaben wirkt, was das Gemüt beschäftigt, altes Kunstgefühl zur Nebensächlichkeit verurteilt. Auch die Dichtung ruft intellektuelles Wohlgefallen hervor. Dieser Wirkung entspricht die künstlerische Tätigkeit. Die Einbildungskraft ist imstande, z. B. aus Teilen von mehreren Gebäuden die „Idee“ eines neuen Gebäudes zusammenzuseßen; sie hat die Fähigkeit zu verknüpfen (combinare). 1) Diese Formel wuchert in der äußerlichen Auffassung noch lange fort. Herrscher im Reiche der Wolffschen Philosophie sind Verstand und Vernunft. Jener ist eine „Kraft der Seele, wodurch sie sich das Mögliche deutlich vorstellt“ (die Fähigkeit, klare Vorstellungen und Begriffe zu bilden), diese: die Zusammenhänge der Dinge (nach Ursache usw.) zu erkennen. Eine Spätblüte dieses Geistes ist das wunderliche Wort, das Ardhingello in eine Liebeserklärung einflicht: ,,Du herrschest über mich wie mein strengster Verstand."

Wolff erweitert die Leibnizsche Weltanschauung nicht, sondern schränkt sie ein und paßt sie dem Mittelmaß an. Gerade die wertvollsten Bestandteile läßt er beiseite (z. B. die Monaden). Troß aller Zuversicht muß er bekennen, daß der Vernunft Grenzen gesezt seien. Auch aus seiner Philosophie spricht bei aller nüchternen Tagesklarheit zuweilen etwas wie Wehmut. Er hat dem Menschen die Fülle genommen und ihn zur Maschine, zum starren Begriffswesen gemacht.

Das Jdeal dieser Zeitrichtung ist der blutleere stoische Weise, der tugendsame Held, dessen Mund von Sprüchen der Weisheit überfließet. Nur darf er keine Schwäche zeigen. Innere Kämpfe, erschütternde Ausbrüche im Sturm der Lebensnot, Anzeichen, daß ein lebendiger Mensch zu uns spreche, gibt es für ihn nicht. Muster: Gottscheds aus zwei englischen Stücken zusammengeschmiedeter,,Sterbender Cato". Die fortwirkende Macht des Vorurteils mußte noch Kleists Prinz von Homburg büßen. Nachklänge des Barocks sind mit im Spiele. Die Rokokostimmung in Deutschland (ungefähr 1720—50) ist ein Niederschlag des Sonnenhofes von Versailles. Das Zeitalter bedeutet doch nicht den „Kazenjammer der Renaissance" (W. H. Riehl), vielmehr eine eigene Welt, worin der tändelnde esprit sein Zepter führt.,,Doris und nicht Apollo" war nunmehr die Göttin im Parnaß. „Für sie wurde gedacht und gedichtet, ihr Gähnen war die härteste Kritik."2) Der Rokokogeschmack lebt

1) Psych. emp. § 145 ff.

2) Borinski, Die Poetik der Renaissance. . ., Berlin 1886, Weidmann, wertvoll auch das Programm von Paul Hoffmann: „Artig und galant, Rokokostizzen", Realschule Frankenberg 1909, dem ich manches entnehme.

Rokokostimmung in Deutschland

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und webt in kindischer Kindlichkeit, im leichten, koketten Tändeln, das sich über den Ernst des Lebens hinwegträumt in ein arkadisches Schäfertum, in anakreontisches Kleinleben. Kurz und treffend kennzeichnet Goethe die ganze Richtung: ,,Lust am Unbedeutenden"; von distillirter Zärtlichfeit" spricht Lessing. Eine Gesellschaftsform ohne innere und wirkliche Größe, aber reich an zierlicher Anmut, voll süßlicher Galanterie, wobei die derben und kraftvollen Worte der Zeit Luthers oder Hans Sachsens streng verpönt waren. Der galant homme, der Stußer feierte Triumphe. Die Musche, das Schönheitspflästerchen, auch ohne den Zwang durch die Blatternkrankheit, gehörte zum Bestandteil jedes Boudoirs; das schmucke Tabakdöschen war der Liebling und stete Begleiter der Dame, das Lomberspiel der gesuchteste Zeitvertreib in geselligen Kreisen. In erkünftelter Vergessenheit des furchtbaren Kriegsjahrhunderts, im leichten Dahinflirten suchte man Vergessenheit. Auch der moralische Standpunkt war dementsprechend, hielt sich ungefähr im Geleise des vielbewunderten Vorbildes (Ludwigs XIV. oder XV.), war genau so äußerlich, galt nur insofern, als es die Rücksicht auf die Sitte erforderte.,,Die größten Feinde galanter Leichtlebigkeit und Beweglichkeit sind nichtige Sorgen, Grübe leien und gelehrte Schrullen, kurz alles das, was die Zeit in den Lieblingsausdruck,,Grillen“ zusammenfaßte. Ihnen erklären die Sänger des Rokoko immer von neuem den Krieg.

Immer lustig, ohne Grillen, Allzeit fröhlich, stets vergnügt! ist die Losung. Lieber sei man ein schellenlauter Tor, nur nicht grillig und langweilig. Wer gesellschaftlich und galant sein will so predigt ein Modeheld in einem Gellertschen Lustspiele - muß viel reden und von lustigen Sachen, sonst schläft man ein." Man kann die Mode nicht besser schildern als mit den Worten Hoffmanns, und wieviel davon in gewissen Gesellschaftskreisen noch fortlebt, brauche ich nicht zu sagen. Mit Recht; nur sollte die Stelle der gemachten die natürliche Fröhlichkeit einnehmen.

Das gleichzeitige Bild der Kunst und Literatur stimmt vollständig damit überein. Ein überwiegen des Malerischen und Dekorativen, Zierlichkeit und Tändelei, mit einem Stich ins Empfindsame und Lüsterne, feine stille Einfalt und edle Größe, keine hochaufstrebende Vertikale, nichts Ernstes und Erhabenes. Der typische Vertreter ist Watteau (1684-1721); sogar bis in die Gartenanlagen erstreckt sich diese liebenswerte Unnatur. Wer in Würzburg lebt, weiß diesen heiteren Geist, einen Bestandteil menschlichen Sehnens, zu schäßen. Der Hofgarten ist ein anmutiges Idyll, ein köstliches Meisterstück dieser Art, ein kleines Paradies, woraus allez verbannt ist, was an das geschäftige und an das große Leben gemahnt: ein Garten zum Lustwandeln und zu fröhlicher Abwehr der Sorgen.

Die Kehrseite dieser Geschmacksrichtung ist der völlige Bruch mit der vaterländischen überlieferung, besonders mit dem gotischen" Zeit alter. Für die ritterliche Dichtung des Mittelalters mußte naturgemäß mehr Empfänglichkeit bestehen, obwohl man sie erst auszugraben begann. AdL VII: Schnupp, klass. Prosa

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Der,,Poet" der Zeit war neben Anakreon vor allem Horaz, dem Lessing zeitlebens die größte Verehrung bewahrte.

Diese geistige Atmosphäre, eine seltsame Mischung von Gegensägen, in die Lichter der Zukunft fielen, lagerte über dem Deutschland der vierziger Jahre. Die notwendigen Züge (abgesehen von späteren Ergänzungen, Genie, religiösen Fragen) sind alle angedeutet. Es wäre eine anregende Aufgabe, im einzelnen nachzuweisen, wie das Erbe der Vergangenheit in Lessing wieder auflebt, wie er sich damit zurechtfindet und sich darüber erhebt; doch würde dies den Raum ungebührlich überschreiten. Nur die großen Gesichtspunkte sind am Plaze.

Lessing als Gefolgsmann und als Führer der Beit.

Wir behandeln in diesem Abschnitt hauptsächlich seinen persönlichen und ästhetischen Entwicklungsgang, was ja die Sache von selbst nahelegt. Alle rein literargeschichtlichen Fragen scheiden hier aus. Die Jugendeindrücke sind nicht unbedingt maßgebend; aber sie wirken jedenfalls nach und kein tieferer Mensch schüttelt sie leicht ab. Die erste Prägung findet durch das Elternhaus, viel weniger durch die Schule statt; die Kameradschaft trägt das Ihrige bei. Schon das Kind hat den dunklen Drang in sich, sein Leben einigermaßen selbständig zu gestalten; es will nicht immerfort gespielt sein, sondern selber spielen ohne Beaufsichtigung irgendwelcher Art. Es kann nicht immer am Gängelbande gehen. Die heranwachsende Jugend richtet sich unbewußt und freiwillig und darauf kommt

alles annur nach dem, welchem sie vertraut; ferner nimmt sie nicht alles an, was man ihr vorseßt. Das Urteil des Rektors Grabener über Lessing ist bekannt:,,Er ist ein Pferd, das doppeltes Futter haben muß. Die lectiones, die andern zu schwer werden, sind ihm kinderleicht. Wir können ihn fast nicht mehr gebrauchen.“ Die stärkere Individualität hält frühzeitig Auslese. Echtes Interesse ist wesensverwandt mit Begabung. St. Afra bietet ihm mehr als grammatischen Drill, legt den Grund zu seiner eingehenden Kenntnis des klassischen Altertums, zu seiner Vorliebe für die alten Schriftsteller. Insbesondere beschäftigt er sich mit Theophrast, Plautus, Terenz: Charaktertypen, Lustspiele. Die Mathematik übt starke Anziehungskraft; später besucht er ein Kolleg über Chemie. Der Sinn für das Erfahrungsgemäße wird in ihm erweckt. Wir hören ferner noch Klagen über sein,,mokantes" Wesen. Sein Mut zur Wahrheit tritt schon in der Fürstenschule glänzend zutage. Die Grundrichtungen seines Geistes künden sich an: Lernhunger, rasche Auffassung, Neigung zu Scherz, Wig. Ausgesprochene Hinneigung zu den schönen Wissenschaften“ und zur Mathematik, keine allzu häufige Erscheinung, bringt jedenfalls eine eigenartige Verbindung zustande und kennzeichnet sein späteres Verhalten, die Empfänglichkeit und klare Sichtung des Empfangenen. Lessing muß ein aufgeweckter, frisch lebendiger Knabe gewesen sein. Und doch fehlt in seinem Jugendbilde ein Zug, der freilich bei allen echt

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männlichen Naturen zurücktritt. Er schwärmt nicht in Natur wie Klopstock, tändelt wenig in jüßlicher Schäferpoesie, sosehr die Empfindsamkeit für die Natur sich allenthalben zu regen beginnt.

Lessing urteilt über seine Universitätsstudien (1745—48) nicht eben günstig; troßdem bildet diese Zeit den Wendepunkt in seinem Leben. Er kehrt sich entschlossen von der Theologie ab und der Laufbahn eines freien Literaten oder Journalisten zu ein damals doppelt gewagter Schritt, wo sich die meisten mit dem Schriftstellern nur im Nebenamt, als Nebensache befaßten. Daß ihn diese Entscheidung in schwere Kämpfe stürzen mußte, war vorauszusehen. Er bedurfte dazu eines anspornenden Beistandes, und diese Rolle übernahm Mylius, ein,,böser Dämon“. Anfangs sezt er seine alte Gewohnheit fort, sein,,ganzes Glück besteht in den Büchern". Er gewinnt wertvolle Anregungen durch den Mathematiker Kästner, durch den Archäologen Christ, den Latinisten Ernesti; sein Sinn für philologische Kritik wird ausgebildet und vertieft. Im ganzen jedoch ist er von dem Ergebnis seiner Studien enttäuscht. Er findet nicht wie Herder einen Hamann oder Kant, keine überragende Persönlichkeit, die ihn dauernd oder vorübergehend in ihren Bann gezogen, seine Lehrzeit abgekürzt hätte. Der übergang zum Fachstudium an der Hochschule ist heute noch schroff.

,,Seßen Sie sich einen Augenblick an meine Stelle", schreibt Lessing (1749) an seine Eltern.,,Es dauerte nicht lange, so gingen mir die Augen auf: soll ich sagen, zu meinem Glücke oder Unglücke? Die künftige Zeit wird es entscheiden.“ Ein Geständnis, das über Vorhergegangenes Aufschluß gibt. Er fühlte, daß etwas in ihm zu verkümmern drohe, was wertvoller ist als alle Bücherweisheit. Faust contra Wagner. Der Ruf des Lebens ergeht an ihn; um nicht zum trockenen Gelehrten zu werden,,,wagte er sich unter seinesgleichen". Dieser Entschluß hat nicht nur persönliche oder zufällige Geltung, er ist ein Zeichen der Zeit. G. F. Meier (vgl. Lavkoon) und die Rokokonachzügler spötteln einhellig über den Schulfuchs, den Pedanten. Für Lessing bedeutete es mehr. Um die zwanziger Jahre fällt die Entscheidung. Es ist die Stunde, die ihm Klarheit über seine Bestimmung bringt. Nicht die Bücher, nur das Leben vermag ihn „zu einem Menschen zu machen“. Unwillkürlich denkt man an die vielberufene Reise Kleists nach Würzburg. Eine mehr oder minder starke Ruhelosigkeit treibt beide, und sie suchen in der Flut des Lebens, in der aufrüttelnden Zerstreuung mit sich ins reine zu kommen. Der dunkle Drang der Seele, den man sonst als Jcherlebnis bezeichnet. Ein wesentlicher Unterschied besteht allerdings zwischen unbedeutenden und begabten Menschen: jene verlieren sich in den Wogen des Lebens und werden enticht, diese finden sich schließlich auf sich selbst zurückgewiesen und erstarken zu reicher und bewußter Selbständigkeit. Zuerst Mensch, dann Gelehrter und auch Schriftsteller, lautet die erste Absage an den Rationalismus (vgl. im Laokoon: Mensch – Held). Eine völlige Umkehr, ein Markstein in der Entwicklung Lessings. Er wird nun ein,,galanthomme" nach den Be

griffen der damaligen Zeit, lernt,,tanzen, fechten, voltigiren" und sich in der Gesellschaft bewegen. Sein bewußtes Eigenleben beginnt. Wie sich der junge Goethe mit ehrfürchtigem Staunen in die Wunderwelt Shakespeares versenkt, nicht versinkt, so beschäftigt er sich in kleinerem Verhältnis mit dem Theater, insbesondere den Komödien. Dadurch lernt er sich selbst kennen", lernt die Laster ebensosehr,,wegen ihres Lächerlichen als wegen ihrer Schändlichkeit fliehen“. Menschen- und Selbsterkenntnis gewinnt er auf diesem Wege; der psychologische Scharfblick, der ihn später auszeichnet, bahnt sich an. Ehrgeiz erfaßt ihn. Er will dem Namen eines deutschen Moliere, womit schmeichelnde Freunde ihn beehren, auch wirklich Ehre machen; es ist sein Wunsch, „in einer Sache eine Stärke zu zeigen, in der, wie ich glaubte, sich noch kein Deutscher allzusehr hervorgetan hatte". In seine Stimmung mischt sich eine mystisch-religiöse Schattierung. Krankheit und lähmende Seelenqualen hält er (1749) einigermaßen für eine „,göttliche Schickung“, wobei er nicht hinzuzufügen versäumt: „wenn es nicht was Unanständiges ist, daß man auch in solchen kleinen und geringen Sachen sich auf sie berufen will." Seine Eltern betrachten den Komödienschreiber als einen verlorenen Sohn. Man darf den Vorwand, als sei die Mutter krank, nicht überstreng beurteilen. Es ist sehr zweifelhaft, ob Lessing ohne den kräftigen Ruf an seine Pietät der Aufforderung zur Rückkehr so schnell gefolgt wäre. Das Elternhaus sollte ihn sich selbst zurückgeben, das war ihr Wunsch, und es hat seine Wirfung getan (vgl. Goethes Rückkehr von Leipzig). Von schlichten Leuten, die um ihr Kind in Sorge sind, kann man nicht die Moral einer Iphigenie verlangen. Liebe und Verantwortlichkeitsgefühl entschuldigen sie reichlich.

Um seine Wittenberger Krankheit und das Drum und Dran breiten sich Fragen, die uns hier nicht beschäftigen können. Das Bekenntnis, welches in diese Zeit fällt:,,Ich bin mir niemals selbst zu einer unerträglichern Last gewesen als damals“, gewinnt im Zusammenhalt mit anderen innere Wahrhaftigkeit. Lähmende Sorgen um seinen Lebensunterhalt und seine Stellung in der Welt lagen ihm nahe genug. Manches aus seiner,,Vorrede zu Mylius Schriften“ (1754), womit ich zeitlich etwas vorgreife, gewährt Rückblicke auf seine inneren Zustände. Eine schwermütige Stimmung spricht aus diesen Zeilen. Über den deutschen Genies liegt eine Art von Verhängnis.,,Wie viele derselben fallen in ihrer Blüte dahin! Sie sterben reich an Entwürfen und schwanger mit Gedanken, denen zu ihrer Größe nichts als die Ausführung fehlt." Er teilt auch die Ursache davon. mit. Das Genie geht meist aus wirtschaftlich ungünstigen Verhältnissen hervor. Bald wird es von dem Mangel der nötigsten Hilfsmittel zurückgehalten, bald von dem Neide, welcher die Verdienste auch schon in ihrer Wiege verfolgt, unterdrückt, bald in mühsamen und seiner unwürdigen Geschäften entkräftet." Dazu fehlen ihm gerade in Deutschland,,alle Arten von Ermunterungen". Man muß solche Anwandlungen als das nehmen, was sie sind: Dämmerstunden in der Rückschau auf das Geleistete und im Vorblick auf das noch nicht Erreichte. Einiges Kraft

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