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Am östlichen Ende des freundlichen Thales Toggenburg liegt beinahe in Alpenhöhe das Dorf Wildhaus. Ein einfaches ländliches Gebäude, das auf grüner Wiese links vom Wege steht, ruft dem Wanderer durch dieses Bergthal das Gedächtniß eines großen Mannes in die Erinnerung zurück; denn in diesem einfachen aber freundlichen Hause stand die Wiege des Reformators Zwingli, durch den Gott das Licht sei= nes Evangeliums in neuem Glanze über die durch Menschenwahn und Sünde verfinsterte Erde aufgehen ließ. In der lezten Hälfte des fünfzehnten Jahrhunderts lebte hier im Kreise einer zahlreichen Kinderschaar ein ehrbares und frommes Elternpaar, Huldreich Zwingli und Margaritha geb. Meili. Das Zutrauen, welches der Vater Zwingli bei seinen Mitbürgern genoß, hatte ihn zum Haupte oder Ammann der Gemeinde erfohren, nachdem dieselbe im Fortschritte ihrer freieren Entwickelung das Recht: die Richter, den Ammann und den Pfarrer selbst zu wählen, vom Landesherrn, dem Abte von St. Gallen sich zu erringen gewußt. In kirchlicher Beziehung war die Gemeinde früher in filialer Abhängigkeit von Gams; aber auf Wunsch der Bewohner von Wildhaus ward sie zur selbstständigen Kirchgemeinde erhoben und der erste Pfarrer, den die Gemeinde in Bethätigung des freien Wahlrechts wählte, war der Bruder des Ammanns, Bartholomäus Zwingli, später von 1487 bis 1513 Pfarrer und Dekan zu Wesen am Ausflusse des Wallenfees. Auch die Mutter Zwingli's hatte einen Bruder geistlichen Standes, Johannes Meili, von 1510 bis 1523 Abt vom Kloster Fischingen im Canton Thurgau. Die Bewohner von Wildhaus waren von jeher ein heiteres, frohes und

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gesangliebendes Volk; die Natur des Landes bestimmte sie zum Hirtenleben. Sobald in den ersten Tagen des Mai die Berge grünen, wird das Vieh unter dem Klange harmonischen Schellengeläutes auf die Trift getrieben und nun steigt ein Theil der Bewohner mit der Heerde immer höher, bis Ende Juli die höchste Alp erreicht ist. Diejenigen jungen Leute, welche des Sommers zu Hause bleiben müssen, um die häuslichen Geschäfte zu besorgen und um das Heu zur Winterfütterung für das Vieh zu sammeln, eilen des Sonntags nach den Höhen und feiern da mit ihren Gespielen, die der Heerde warten, unter frohem Gesange und dem einfachen Klange des Alphornes fröhliche Hirtenfeste.

Sobald der Winter von den Eisgebirgen herunter sein Recht immer tiefer bergab geltend zu machen anfängt, treiben die Hirten die Heerden auch immer mehr thalwärts den winterlichen Ställen zu. In den langen Winterabenden erschallt es bei einem schwach glimmenden Talglichte in den Wohnungen dieses frohen Bergvolkes vom fröhlichen Gesange und Tonspiele, denn beinahe in jedem Hause versteht Jemand irgend ein Instrument. Der Ammann Zwingli von Wildhaus besaß auch Wiesen und Alpen und er und seine Familie theilten mit ihren Mitbürgern Beruf und Freuden. Den 1. Januar 1484 beschenkte ihn seine Hausfrau mit einem Sohne, der durch seinen frommen Bruder, den Pfarrer Bartholomäus die heilige Taufe und dabei den Namen des Vaters empfing. Der junge Huldreich hatte noch neun Geschwister, sieben Brüder und zwei Schwestern. Unter allen scheint er frühzeitig durch Munterkeit und Lebhaftigkeit des Geistes sich ausgezeichnet zu haben, so daß die Augen der Eltern und der beiden geistlichen Oheime mit Wohlgefallen und voll Hoffnung auf ihm ruhten. Der Gedanke lag nahe, daß der lebhafte Huldreich ein Geistlicher werden solle, wie des Vaters und der Mutter Bruder es auch waren. Die erste Nahrung empfing der Geist des Knaben im väterlichen Hause, indem der Vater in den langen Winterabenden im Kreise seiner Familie und der Hausfreunde aus der Landesgeschichte erzählte und zeigte, wie das Thal Toggenburg immer größere Freiheit erlangt und den Befiß derselben auch dadurch gesichert, daß es sich mit den tapfern Eidgenossen, welche die Heere Carls des Kühnen geschlagen, verbunden habe. Solche Erzählungen fielen wie Glutfunken in die Seele des jungen Huldreichs und loderten im männlichen Alter auf in hellen Flammen der Liebe zur Heimath und zum Vaterlande. Oft auch horchte er einer frommen Großmutter zu, die durch Erzählungen von Legenden und biblischen Geschichten den frommen Sinn des Knaben anregte. -Aber wohl noch größeren Eindruck machte auf ihn die Sprache, mit der Gott zum Bewohner der erhabenen Gebirgswelt redet. „Ich habe mir in meiner Einfalt oft gedacht," schreibt sein Freund Oswald Myconius, „daß er

auf diesen Höhen in der Nähe des Himmels etwas Himmlisches und Göttliches angenommen habe". Wenn der Donner am Gebirge hinrollet und von Felskluft zu Felskluft mit krachendem Getöse wiederhallt, dann ist es als vernähmen wir immer von Neuem die Stimme Gottes: "Ich bin der allmächtige Gott, wandle vor mir und sei fromm". Wenn in der Morgendämmerung die Eisgebirge vom Lichte Gottes erglühn, so daß ein Feuermeer über alle Höhen hinwallet, dann ist es uns, „als träte der Herr Zebaoth auf die Höhen der Erde" *) und als ob der Saum seines Lichtkleides die Berge verkläre und ahnend vernehmen wir den Ruf, der zu Jesaias Ohr drang: „Heilig, heilig ist der Herr Zebaoth und alle Lande sind seiner Ehre voll!"** Hier unter den großen Eindrücken der Gebirgswelt und ihrer Wunder erwachte in Zwingli die Ahnung von der Größe und Erhabenheit Gottes, die seine Seele später erfüllte, und ihn zum großen Kampfe gegen die Gewalten der Finsterniß begeisterte. In der Einsamkeit der Berge beim Klange des Schellengeläutes seiner weidenden Heerde, sann der denkende Knabe über die Weisheit Gottes, die in allen Kreaturen fich offenbare. Ein Nachklang solcher innigen Naturbetrachtung aus der harmlosen Jugend finden wir noch in einer Schrift, die er in der Reife des männlichen Alters über die Verehrung ***) Gottes schrieb: „Verkünden nicht selbst die Thiere, welche in's Mäusegeschlecht gehören, die Weisheit und Fürsichtigkeit Gottes? Wenn der Igel so künstlich auf seinen Stacheln eine Menge Obst in seine Höhle trägt, indem er sich auf demselben herumgewälzt und es so angespießt? Oder wenn das Murmelthier eines der Seinen als Wache auf die Höhe ausstellt, damit es durch sein Pfeifen die herumschweifenden und der Arbeit obliegenden zur rechten Zeit von der Gefahr benachrichtige, während der übrige Haufe allenthalben das weichste Heu zusammenrafft und dann einander selbst zum Wagen dienen, indem das eine sich auf den Rücken legt, sich das Heu auf Bauch und Brust laden läßt und mit seinen Füßen faßt und festhält, das andere aber seinen so zum Lastwagen gewordenen Gefährten beim Schwanz ergreift und mit der Beute zum Lager fortzieht, damit sie die Strenge des rauhen Winters verschlafen? Oder wenn ein Eichhorn ein Brettchen mit dem Maule an's Ufer zieht und auf demselben wie auf einem Kahn über den Fluß sezt, indem ihm der aufgerichtete haarige Schwanz statt jedes andern Segels dient? Welche Stimme, welche Sprache vermöchte die göttliche Weisheit so hoch zu preisen,

*) Amos 4, 13.

**) Jesaias 6.

***) De providentia Dei.

wie diese Thierchen, die beinahe der niedrigsten Gattung angehören? Ja zeugen nicht auch die empfindungslosen Dinge und Wesen davon, daß die Macht, Güte und belebende Kraft Gottes auch ihnen stets gegenwärtig sei? Die Erde z. B., die Allernährerin, verschließt nie unerbittlich ihre reichen Vorräthe, sie denkt nicht der Wunden, die ihr durch Hacke und Pflugscharre beigebracht werden. Der Thau, der Regen, die Flüsse beleben, befeuchten, erquicken Alles, was bei Dürre und Trockenheit in seinem Wachsthum stille stände, dergestalt, daß es durch sein wundersames Gedeihen von der Gegenwart göttlicher Kraft und Lebens zeugt. Und die Berge, diese plumpen, rohen, trägen Massen, sie, die der Erde, wie das Gebein dem Fleische, Haltung und Festigkeit geben, das Hinüberkommen von einem Orte zum andern unmöglich machen oder doch erschweren; die, ob sie gleich schwerer sind als der Erdboden, doch sich über demselben emporhalten und nicht versinken sprechen sie nicht die unverbrüchliche Macht Gottes und das ganze Gewicht seiner Majestät aus? In diesen Dingen nehmen wir also das Vorhandensein der göttlichen Kraft, durch die sie Bestehen, Leben und Bewegung haben, nicht minder wahr als in dem Menschen.“

2. Zwingli auf den Schulen in Basel und Bern.
1494—1499.

Als der junge Huldreich das achte oder neunte Jahr erreicht hatte, beschloß sein Vater, ihn der treueu Leitung seines Bruders in Wesen zu übergeben. Der Weg nach Wesen führte sie über die grünen Höhen des Ammon, von dessen Gipfel der Knabe zum ersten Male in die weite Welt hinausschaute. Wohl mochte sein Blick ahnungsvoll nach dem Thale Glarus, nach den waldigen Höhen von Einsiedeln und nach den lieblichen Ufern des Zürichsees hinschweifen, wo er später im Vertrauen auf Gott, der die Berge gegründet, den Kampf für Glauben und Wahrheit führen sollte. Der Dekan zu Wesen liebte des Bruders Knaben wie ein eigenes Kind, und ließ ihn vom Schulmeister des Ortes unterrichten. Als die Kenntnisse des Lehrers von Wesen für die rasche Entwickelung seines Schülers nicht mehr genügten, sorgte der Defan Zwingli, daß derselbe nach Basel in die Theodorschule zu seinem Freunde Georg Binzli hingeschickt wurde. Dieser war ein gelehrter und überaus sanftmüthiger und liebenswürdiger Mann. Auch hier überragte bald der junge Huldreich alle Mitschüler, namentlich in den Disputirübungen, die damals auf hohen und niederen Schulen üblich waren. Seine mustkalischen Talente, die er zu entwickeln begann, erweckten allgemeine Bewunderung. Als der treue Lehrer sah, daß seine Schule für den

jungen Huldreich nicht mehr genüge, sandte er ihn nach Hause mit der Empfehlung, ihn auf eine höhere Schule, die dem Grade seiner Entwickelung besser entspreche, zu befördern. Damals lehrte zu Bern die alten Sprachen mit großem Ruhme Heinrich Wölflin (Lupulus). Der Ammann von Wildhaus und der Defau von Wesen beschlossen, den Knaben dahin zu schicken. Lupulus war ein großer Kenner der alten Sprachen und der alten Geschichte; er hatte eine Reise nach dem heiligen Grabe gemacht und auf derselben Italien, Griechenland und Palästina aus eigener Anschauung kennen gelernt. Auch die Geschichte des Vaterlandes erforschte er mit Fleiß und besang begeistert das Leben des frommen Einsiedlers Nikolaus von der Flüe. Von diesem Manne ward Zwingli in das Verständniß der lateinischen Redner und Dichter eingeführt und unter seiner Anleitung fing er an nach dem Vorbilde jener großen Meister in dichterischen Versuchen sein poetisches Talent zu üben. Die Dominikanermönche, welche in Bern wie anderswo mit den Franziskanern um das größere Ansehen beim Volk mit erlaubten und unerlaubten Mitteln stritten, wurden auf den geistreichen und mustkalischen Knaben aufmerksam und suchten ihn für ihren Orden zu gewinnen. Zu diesem Ende bewogen sie ihn, bei ihnen in ihrem Kloster zu wohnen, bis er das Alter erlangt hätte, das ihm in ihren Orden zu treten gestatte. Allein das Auge Gottes wachte über dem Knaben und bewahrte ihn vor den Schlingen dieser verdorbenen Mönche. Sobald Vater und Oheim von der Gefahr hörten, in der der junge Huldreich schwebe, beriefen sie ihn nach Hause, um ihn anderswo unterzubringen.

3. Zwingli auf den Hochschulen in Wien und Basel.
1499-1506.

Zwingli hatte nun die Geistesreife und die Kenntnisse erlangt, die ihn zum Besuche der Hochschule befähigte. Nach dem Rathe des Oheims ward die berühmte Hochschule Wien, die unter Maximilian I. einen schönen Aufschwung gewonnen, für ihn gewählt. Hier traf er mit zwei geistreichen Jünglingen aus der Heimath zusammen, die nachmals beide durch die Hand des Kaisers Maximilian I. mit dem Dichterkranze befrönt worden und als Gelehrte hohen Ruhm sich erwarben. Joachim von Watt, Vadian genannt, eines reichen Kaufmanns Sohn aus St. Gallen war der Eine, Heinrich Loreti, Glareanus genannt, ein Bauernsohn aus Mollis, Canton Glarus, der Andere. Diese drei Schweizerjünglinge, durch das Band der Freundschaft mit einander verbunden, widmeten sich hier mit großem Fleiße und ausgezeichnetem Erfolge der Erforschung der damals mit dem Namen der Philosophie benannten Wis

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