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Und diese Dinge alle soll er dergestalt mäßigen, daß sie stets der Wahrheit dienen und nicht Andern zu gefallen suchen. Denn wie könnten die hürischen Sitten Etlicher von einem christlichen Herzen gelitten werden? Deßhalb will ich mit solchen Uebungen, die ich vom Jünglinge hier verlange, nichts Anderes, als daß Jeglicher bei sich selbst lerne, über die äußerlichen Fehler zu herrschen und ihnen abzusterben: da diese nicht unsichere Zeichen eines fehlerhaften Gemüthes sind.

Das Gemüth aber muß vor allen Dingen fest und unverdorben sein, und wo es so ist, kann es leicht die unordentliche Bewegung der äußeren Glieder beherrschen, daß wir Antlig und Stirne nicht runzelu oder den Mund verzerren oder das Haupt schütteln und die Hände hin und her werfen, sondern in allem diesem ungezwungene, schlichte und einfache Bescheidenheit und Anstand beobachten. Dies sei Alles vom Reden und Schweigen gesagt.

Uebermaß des Weines soll der Jüngling wie Gift fliehen. Denn außerdem, daß er den jugendlichen Körper, der an sich selbst zur Heftigkeit geneigt ist, bis zur Wuth erhigt, führt er auch frühzeitiges Alter herbei und verderbt es schon in der Blüthe. Daraus folgt denn, daß, wenn wir es auch vielleicht erreichen, wir statt der vermeinten Ruhe nur Krankheit finden. Kann es doch nicht anders sein, daß der, welcher gewohnt ist, sich mit Wein zu überfüllen, am Ende in irgend eine schwere Krankheit fallen muß, als da sind die fallende Sucht, Lähmung, Wassersucht, Aussaß und dergleichen. Sei also frühe alt, wenn du lange alt sein willst.

Die übrige Nahrung sei einfach und nicht kostbar; denn was sollen dem Jünglinge, dessen Magen von Natur hißig und zur Verdauung geneigt ist, die Rebhühner, Krammetsvögel, Schnepfen, Kapaunen, Rehe und ähnliche Leckerbissen? Er spare diese vielmehr aufs Alter, wo die Zähne dann stumpf, der Gaumen abgenußt, der Schlund durch langen Gebrauch verhärtet, der Magen schlaff und der Leib halb erstorben ist; alsdann brauche er dieses Alles. Denn wie soll man hoffen dürfen, das höhere Alter noch zu erquicken und zu stärken, wenn die üppige Jugend sich durch Unmäßigkeit das, wonach das Alter gelüftet, bereits zum Efel gemacht hat?

Den Hunger soll man mit Essen überwinden, nicht ganz vertreiben. Man schreibt nämlich vom Galenus*), er habe hundert und zwanzig Jahre gelebt, weil er nie satt vom Tische gegangen. Hier ist aber meine Meinung nicht, daß du dich zu Tode hungerest, sondern nur, daß du nicht über das hinaus, was die Nothwendigkeit des Lebens erheischt, einer unersättlichen Eßluft fröhnest. Ich weiß wohl, daß man

*) Ein griechischer Arzt.

leicht nach beiden Seiten hinaus fehlen kann, so daß man entweder an Gefräßigkeit den Wölfen gleich wird, oder durch Hungern sich selbst unnüg und untauglich macht.

Nichts scheint mir thörichter zu sein, als wenn man durch köstliche Kleider Ehre und Ruhm suchen will; auf diese Weise könnten auch die Maulthiere des Papstes hoch geehrt und hoch geachtet sein, denn da sie stark sind, könnten sie mehr Gold, Silber und Edelsteine tragen, als der stärkste Mann. Wer sollte sich aber nicht einer köstlichen und prachtvollen Kleidung schämen, wenn er hört, daß der Sohn Gottes und der Maria in der Krippe weinte, und nur in so viel Windeln gewickelt war, als Maria, die auf ihre Niederkunft noch nicht vorbereitet war, bei sich trug. Wer aber täglich mit einer fremden und ungewohnten Kleidung zum Vorschein kommt, der legt dadurch das sicherste Kennzeichen eines höchst unbeständigen, oder, wenn dies zu viel gesagt ist, eines weibischen oder kindischen Gemüthes zu Tage. Es gehört ein solcher auch nicht Chrifto an, denn er läßt inzwischen die Dürftigen frieren und Hunger leiden. Deßhalb soll ein Christ sich des Ueberflusses und der Kleiderpracht eben so sehr enthalten, als jeglichen Scheines des Bösen.

Wenn der Jüngling anfängt zu lieben, so soll er zeigen, welch ein ritterlich und starkes Gemüth er habe, und während andere Jünglinge sich im Kriegsgetümmel durch Kraftanwendung und Waffen üben, soll der christliche Jüngling alle seine Stärke daran wenden, sich gegen unsinnige Liebe und Buhlerei zu schüßen. Er hüte sich vör thörichter Verliebtheit und unsinniger Buhlschaft, und wähle eine solche Geliebte, deren Charakter und Sitten er sich getraue, auch in lebenslänglichem Ehestande ertragen zu können. Doch sei sein Umgang und Verkehr mit dieser, die er sich zur Ehe gewählt, so rein und treu, daß er außer dieser, der Einzigen, unter der ganzen Schaar von Frauen und Jungfrauen keine kenne.

Was soll ich noch den Geldgeiz und die Ruhmbegierde einem christlichen Jünglinge verbieten, da dieses Laster schon bei den Heiden für schändlich gehalten ward? Der wird kein Christ, der dem Geize fröhnet, denn dieses Laster hat nicht nur den Einen und den Andern zu Grunde gerichtet, sondern die blühendsten Reiche vernichtet, die mächtigsten Städte gestürzt, jede Republik, die von ihm angesteckt worden, gänzlich zerstört; Wo dieses Laster sich eines Gemüthes bemächtiget hat, da erstickt es jede gute Regung. Der Geiz ist ein schädliches Gift, aber leider hat er sehr überhand genommen, und ist in uns sehr mächtig geworder. Allein durch Christum vermögen wir dieses Laster zu tödten, wenn wir uns ernstlich befleißigen, ihm nachzufolgen; denn was hat er anders gethan, als gegen dieses Laster gekämpft?

Meß-, Rechnen- und Zahlenkunst soll der Jüngling nicht verachten, doch auch nicht zu lange sich damit beschäftigen; denn wie sie, wenn wir sie kennen, großen Nußen gewähren, und wenn wir sie nicht kennen, uns zu großen Hindernissen gereichen, so wird der, welcher in ihnen grau wird, keinen anderen Gewinn davon tragen, als diejenigen, welche, um nicht ganz in Müßiggang zu versinken, von einem Orte zum andern spazieren.

Fechtübungen tadle ich nicht ganz, doch würde ich anders darüber urtheilen, wenn ich nicht sähe, daß einige Reiche, so wie gegen jegliche Anstrengung, auch gegen diese Uebung, die für das gemeine Leben so viel Nugen bringt, eine so beharrliche Abneigung hätten. Es ziemt aber einem Christenmanne, so weit der gemeine Nußen und Frieden es gestattet, sich der Waffen zu enthalten. Denn der Gott, welcher den David, der, ungeübt in den Waffen, mit einer Schleuder wider Goliath auszog, mit Sieg bekrönte, und die unbewaffneten Israeliten vor dem überfallenden Feinde beschirmte, wird ohne Zweifel auch uns erhalten und beschüßen, oder, wenn es ihm anders gefällt, unsere Hand waffnen und sie geschickt zum Streite machen. Will der Jüngling aber fich im Fechten üben, so geschehe es zu dem Zwecke, daß er das Vaterland und die, so ihn Gott geheißen, schüße.

Endlich wünschte ich, daß Alle, vornehmlich aber die, welche zum Dienste des Wortes Gottes bestimmt sind, nicht anders dächten, als daß sie einzig und allein das Bürgerrecht bei den alten Massilianern *) erlangen müßten, die Niemanden unter ihre Mitbürger aufnahmen, der nicht ein Handwerk verstand, womit er sich Unterhalt verschaffen konnte. Wo dieses der Fall wäre, würde der Müßiggang, die Wurzel und der Samen aller Ausgelassenheit vertilgt und unsere Körper viel gesunder, dauerhafter und stärker werden.

Capitel 3.

Vor allem soll ein edles Gemüth bei sich selbst denken: „Christus hat sich selbst für uns in den Tod gegeben, und ist unser geworden: also mußt auch du dich Allen hingeben und widmen, und nicht glauben, daß du dir selbst angehörst, sondern Andern." Denn wir sind nicht dazu geboren, daß wir uns selbst leben, sondern daß wir allen Menschen alles werden. Daher soll der Jüngling von Jugend auf allein nach Frömmigkeit, Gerechtigkeit, Wahrheit, Treue, Glauben und Standhaftigkeit trachten und sich darinnen üben; denn durch diese Tugenden kann er der gemeinen Christenheit, dem gemeinen Nugen, seinem Vaterlande,

*) Marseille war eine griechische Pflanzstadt.

auch Allen und Jedem insbesondere Nußen und Frucht bringen. Das sind gar schwache Gemüther, die allein darauf sehen, daß ihnen ein ruhiges Leben zu Theil werde, und sind nicht so Gott ähnlich, wie diejenigen, welche sich bestreben, selbst mit ihrem eigenen Schaden, allen Menschen nüglich zu sein.

Hier muß man sich wohl in Acht nehmen, daß dasjenige, welches wir allein zu Gottes Ehre, zu des Vaterlandes und zu dem allgemei nen Nußen vornehmen, nicht vom Teufel oder von der Eigenliebe verunreinigt werde, damit wir nicht, was wir um Anderer willen übernommen zu haben vorgeben, zulegt auf uns und unsern Nußen ziehen und wenden. Denn es giebt Viele, die anfangs wohl recht beginnen und auf dem rechten Wege wandeln, bald aber von eitler Ehrbegierde, diesem Gift und Verderben aller guten Rathschläge, ganz verkehrt und vom Guten abgeführt werden.

Ein christliches Gemüth wird beim Glücke und Unglücke Anderer sich nicht anders betragen, als ob es selbst davon betroffen wäre. Fällt einem Andern Glück zu, so denkt er, es sei ihm begegnet, und ebenso wenn den Nebenmenschen ein Unglück trifft. Denn er wird eine Gemeinde ansehen wie ein Haus und eine Familie wie einen Körper, in welchem die Glieder gemeinschaftlich sich freuen und betrüben, auch sich wechselseitig helfen, so daß, was Einem begegnet, Alle angeht. So wird er mit den Fröhlichen sich freuen, und mit den Weinenden weinen: denn er wird die Begegnisse aller Menschen als die seinigen ansehen; da ja nach Seneca's Worte „Jedem begegnen kann, was Einen getroffen."

Jedoch soll der christliche Jüngling nicht auf die Weise Freude und Traurigkeit äußern, wie man gemeiniglich zu thun pflegt, indem man im Glücke übermüthig, und im Unglück verzweifelt und ungeduldig wird; sondern dieweil wir nicht ohne diese und andere Anfechtungen sein fönnen, so sollen wir doch, wenn wir anders vernünftig sind, dieselben so mäßigen und bescheidentlich tragen, daß wir nie von der Wohlanständigkeit abweichen. Dergestalt werden wir uns, wenn es den Andern wohlgeht, freuen, als wäre es uns widerfahren, und ebenso uns betrüben, d. h. wir werden alle Dinge gleichmüthig ertragen.

Ich will nicht, daß man dem Jünglinge anständige Freuden verbiete, wenn das Volk, Weiber und Männer, gemeinschaftlich zusammen zu kommen pflegen: wie zu Hochzeiten der Verwandten, zu jährlichen Spielen und Freudenfesten; denn ich sehe, daß auch Christus die Hochzeit nicht verachtet hat. Es gefällt mir weit besser, daß, wenn man doch einmal solche Dinge haben will oder muß, sie öffentlich geschehen, und nicht in Winkeln oder sonst in verdächtigen Häusern. Denn es find Viele also gesittet, daß sie vielmehr vor der Menge der Menschen

fich scheuen, als vor ihrem eigenen Gewissen. Das muß schon ein ganz verdorbener Bösewicht sein, von dem nichts mehr zu hoffen ist, der sich) nicht schämt, vor einer Gesellschaft etwas Unehrliches zu begehen. Aus solchen öffentlichen Zusammenkünften soll der Jüngling sich immer befleißigen, etwas Gutes für sich davon zu tragen, damit er nicht, wie Sokrates *) flagt, immer ärger heimgehe. Daher soll er wahrnehmen und fleißig Acht haben, wo Einer unter der Gesellschaft ehrbar und züchtiglich sich beträgt, und demselben darin nachfolgen; wo Einer schändlich und unsittlich sich aufführt, soll er sich dagegen vor solchem Wesen zu hüten suchen.

Solches vermögen aber kaum, die reiferen Alters sind, zu befolgen, Deshalb ist mein Rath, daß man die Jünglinge zu solchen öffentlichen Zusammenkünften so selten als möglich gehen lasse, und wenn man durchaus sich mit Andern toll aufführen muß, so soll man sich doch bald wieder auf sich selbst zurückziehen. Leicht läßt sich ein Vorwand zur Entfernung finden, der denen genügt, die es wissen, daß wir uns stets löblicher und edler Dinge zu befleißigen suchen. Wenn es aber unserm Nächsten übel geht, so sollen wir ihm unverzüglich beispringen, da steht cs wohl an, der Erste und der Lezte zu sein; da soll man alle Nerven anspannen, um den Schaden zu ermessen, anzugreifen, zu entfernen, mit gutem Rathe beizustehen.

Nächst Gott soll man die Eltern am höchsten und theuersten achten, was auch schon bei den Heiden und Ungläubigen Sitte ist. Ihnen soll man allenthalben nachgeben. Und wenn sie sich einmal nicht nach dem Sinne Christi, der auch der unsrige ist, verhalten sollten, so darf man sich nicht mit Ungestüm gegen sie auflehnen, sondern soll ihnen mit höchster Sanftmuth vortragen, wie geredet und gehandelt werden sollte, und wenn sie das nicht annehmen wollen, soll man sie cher fahren lassen, als sie beschimpfen.

Zorn, sagen die Aerzte, entspringt aus heißem Temperamente, und dieweil die Jugend sehr hißig ist, so soll sich der Jüngling sorgfältig hüten, daß er nichts aus Eingebung und Antrieb des Zornes rede oder thue. Alles, was uns während des Zornes einfällt, muß uns verdächtig sein. Vermögen wir die Schmach und Unbill, welche uns widerfährt, nicht zu verschlucken und zu verdauen, so soll man die Sache vor den Richter oder vor die Obrigkeit bringen, denn Scheltworte mit Scheltworten vergelten und Schmähung mit Schmähungen, heißt nichts Anderes, als dem gleich werden, der uns zuerst gescholten hat.

Spiele mit deinesgleichen und zu rechter Zeit erlaube ich gerne; nur sollen es kunstreiche und zu körperlicher Uebung dienliche sein.

*) Sokrates, der bekannte berühmte Weisheitslehrer Griechenlands.

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