Nehmt euer Kreuz und Ungemach Ich bin das Licht, ich leucht euch für Wer zu mir kommt und folget mir, Mein Herz ist voll Demüthigkeit, Mein Mund, der fleusst zu jeder Zeit Mein Geist, Gemüthe, Kraft und Sinn Fällts euch zu schwer, ich geh voran, Ich kämpfe selbst, ich brech die Bahn, Ein böser Knecht, der still darf stehn, Wer seine Seel zu finden meint, Wird sie ohn mich verlieren; Wer sie hier zu verlieren scheint, Wird sie in Gott einführen. Wer nicht sein Kreuz nimmt und folgt mir, Ist mein nicht werth und meiner Zier. So lasst uns denn dem lieben Herrn Mit Leib und Seel nachgehen, Und wohlgemuth, getrost und gern Bei ihm im Leiden stehen. Denn wer nicht kämpft, trägt auch die Kron 10 20 30 PATER MARTIN VON COCHEM. [Scherer D. 336, E. 339.] Capuziner; gestorben 1712. Er schrieb das Leben Christi', eins der besten katholischen Erbauungsbücher, das aus der mystischen Literatur des Mittelalters schöpft. Es erschien zuerst Frankfurt am Main 1691. AUS DEM GROSSEN LEBEN CHRISTI. AUS DEM 57 CAPITTEL: WIE DER HERR JESUS IST GEBOHREN WORDEN. Die Höhl darin Christus gebohren worden war in einem lebendigen Felsen von der Natur formiert: drey vnd zwantzig Schuch lang, eilff Schuch breit, vnd dreyzehen Schuch hoch. Vor der Höhl war ein Schopffen oder hangendes Strohdach, darunder man das Viehe stellen kont. In diser Höhl waren Maria und Joseph allein, vnd warteten mit Verlangen auff die gnadenreiche Geburt. Als die H. Christnacht anbrache, da gieng der H. Joseph in die Höhl, 10 brachte der Jungfrawen ein angezündte Kertz (wie die Offenbahrung meldet) steckte sie in die Maur, vnd gieng wieder hinauss vnder den Schopffen. Als nun die gebenedeyte Jungfraw in der Höhl allein war, da zuge sie zum ersten jhre Schuh von jhren Füssen: gleich wie GOtt dem Moysi bey dem brinnenden Dornbusch befohlen hatte. Dan sie wuste wohl dass diss Orth, an welchem der eingebohrne Sohn Gottes solt gebohren werden, so heilig wäre, dass niemand würdig wäre dasselbige mit seinen Schuhen zubetretten. Darnach that sie jhren Mantel ab, nahm den Schlayer von jhrem Haupt, legte diese beyde neben sich, vnd stund allein im Rock: 20 vnd jhre schöne goldgelbe Haar hiengen über die Schultern hinab. Darnach zuge sie zwey leinene, vnd zwey wüllene gantz reine vnd zarte Tüchlein heraus, so sie mit sich gebracht hatte, das Kindlein darein zu wicklen: wie auch zwey andere kleine leinene Tüchlein sein Häuptlein zu verbinden: welche alle sie neben sich legte, damit sie sich deren zu gelegener Zeit gebrauchte. Vnd als sie bedachte wie dieses so schlechte Ding wären, ein so Edles ja Königliches Kind darein zu wicklen, welchem alle Reichthumb der Welt viel zu gering wären, da giengen jhr die Augen über, vnd sprach zu GOtt: 0 Himlischer Vatter, siehe diss ist die gantze Fürbereitung, so ich deinen Sohn zu empfangen gemacht hab. Siehe hie lege ich für deine Göttliche Augen alle die Reichthumb, welche ich deinem Sohn verehren werd. Ich waiss wohl dass er, als der allerhöchste HErr Himmels vnd der Erden, würdig ist dass ich jhn in Sammet vnd Seyden, ja in güldene vnd silberne Stück solte einwicklen aber du waist dass ich wegen meiner 10 Armuth nichts bessers hab können verschaffen. Drumb nemme mit meinem guten Willen für lieb: dan wan ich die Reichthumb aller Welt hätte, so wolt ich sie gern zu seinem Dienst anwenden. Da nun alles also bereit war, da kniet die Jungfraw mit grosser Ehrerbietung nider, erhebte jhre Händ vnd Augen gen Himmel, vnd blieb also biss vmb die Mitternacht knien. O wer wil nun auss sprechen wie andächtig, wie demütig vnd wie ehrerbietig Maria gebettet, vnd was sie in diesem Gebett an Leyb vnd Seel empfunden hab! Die Offenbahrung sagt, sie seye in dieser jhrer Betrachtung gantz verzückt, vnd für lauter Göttlicher Süssigkeit truncken worden. 20 Ja der liebe GOtt gab jhr ein so klare Erkandnus seiner vnendlichen Wesenheit, so viel als jhre sterbliche Natur jmmer könte ertragen. In dieser Verzückung erkente sie gantz klärlich, wie gross der jenige GOtt wäre, der bald von jhr solt aussgehen: vnd wie gering die jenige Menschheit wäre, in welcher er würde gebohren werden. Sie erkendte auch (so viel ein Mensch erkennen mag) wie derjenige, den sie bald gebähren würde, von Ewigkleit von GOtt dem Vatter wäre gebohren worden: vnd wie sie dess jenigen wahre natürliche Mutter würde seyn, dessen GOtt Vatter ein wahrer übernatürlicher Vatter ware. Endlich kam die jenige Stund herzu, nach welcher Himmel vnd Erden so lang verlangt hatten: nemblich die jenige allerglückseeligste Stund, in welcher der Sohn Gottes, als ein gekrönter Bräutigam, aus der Schlaff-Kammer des Jungfräwlichen Leybs solte herfür gehen. O wohl ein güldene Stund, in welcher alle Creaturen seynd gesegnet vnd erfrewt worden! Diss war die zwölffte Stund in der Mitternacht, da die Finsternus des Alten 30 in das Liecht des Newen Testaments solte verändert werden. Derwegen so bald als die Mitternacht herzu kam, da kam ein solcher Glantz vom Himmel herab, dass es so hell wurde als mitten im Tag. Vnd durch diesen himlischen Schein wurde nit allein die Höhl sampt der Stadt Bethlehem, sonder auch die gantze Welt erleucht; also dass sich alle Menschen verwunderten, dass zu Mitternacht der helle Tag erschiene. ABRAHAM A SANCTA CLARA, [Scherer D. 338, E. 340.] Der unter diesem Namen bekannte Augustiner, Ulrich Megerlin, war 1642 in Schwaben geboren und lebte seit 1669 als Hofprediger zu Wien, wo er 1709 starb. Seine bedeutendsten Werke sind: Judas der Erzschelm', 'Merk's Wien', und 'Etwas für Alle'. Eine Auswahl seiner Werke erschien Wien 1846, 2 Bde., eine Ausgabe seiner sämmtlichen Werke, Passau und Lindau 1850, 21 Bde. 2 Aufl. Lindau 1856; Neudruck der Schrift 'Auf, auf ihr Christen' (Wien 1883). Prediger, was geschicht dir? was ist dem H. Paulo begegnet? den haben die Herren Galater für einen jrrdischen Engel gehalten, haben seine Predigen mit solchem Lust angehöret, dass sie ihn ein 10 Posaun dess Himmels benambset1. Die Kinder auff der Gassen haben mit Fingern gedeut auff Paulum, vnd ihn allerseits geprysen. Der Paulus, dess Pauli, dem Paulo, den Paulum, o Paule, vom Paulo: Vom Paulo war kein andere Red, als Lob. O Paule, sagt ein jeder, gebenedeyt ist dein Zung, den Paulum hat man wegen seines Predigen vor ein Wunderwerck aussgeschryen: dem Paulo hat man aller Orthen Ehr vnd Reverentz erzaiget, dess Pauli Wörter waren lauter Magnet, so die Hertzen gezogen, der Paulus war bey den Galatern so angenehm, dass sie ihn wie ihr aigne Seel liebten. Wie er dann selbsten sagt: Testimonium enim perhibeo, 20 quia si fieri posset, oculos vestros eruissetis, et dedissetis mihi: Ich bekenne es selbsten meine Herren Galater, dass ihr hättet euere Augen aussgestochen, vnd mir geben auss lauter Lieb ihr Herren Galater seyt halt galante Leuth. Gemach! nachdem Paulus hat 1 genannt. angefangen scharpff zu predigen. O insensati Galata! O ihr Sinnlose Galater, sagt er, wer hat euch verzaubert der Wahrheit zu widerstreben, seyt ihr Thorre, dass ihr mit dem Geist habt angefangt, vnd nunmehr mit dem Fleisch endet? Wie Paulus solch scharpffe Saitten auffgezogen, da hat ihm kein einiger mehr mit dem Fuss Reverentz gemacht, ja man hätt ihn lieber mit Füssen tretten; keiner hat ihm mehr ein Ehr erzaigt, man hat ihm darvor den Rucken zaigt, keiner hat ihn mehr angelacht, sondern nur aussgelacht, keiner hat ihm mehr die Herberg anerbotten, sondern die Herberg auffgesagt, alle waren wider ihn: Inimicus factus sum 10 vobis veritatem dicens. So lang ein Prediger ein schöne, zierliche, wolberedte, ein auffgebutzte, mit Fabeln vnd sinnreichen Sprüchen vnderspickte1 Predig macht, da ist jedermann gut Freund. Vivat der Pater Prediger! ein wackerer Mann, ich hör ihm mit Lust zu, &c. Wann er aber ein scharpffen Ernst anfangt zu zaigen mit Paulo: O insensati Germani, o insensati Christiani, &c. Wann er anfangt grossen Herren die Warheit zu sagen, sie sollen doch einmahl die Brillen brauchen vnd nit allzeit durch die Finger schauen sie sollen doch mit der Justitz nicht vmbgehen, als mit einem Spinnen-Gewöb, 20 allwo die grosse Vögl durchbrechen, die kleine Mucken hangen bleiben: sie sollen doch nicht seyn wie die Destillier-Kolben, welche auss den Blumen den letzten Tropffen herauss saugen. Wann er anfangt die Warheit zu predigen denen hohen Ministris vnd Räthen, sie sollen lehrnen 3. zehlen, sie sollen jene Lection recht lehrnen, welche Christus seinen Gehaimisten gegeben. Visionem, quam vidistis, nemini dixeritis. Wann er anfangt den Edl-Leuthen die Warheit zu predigen, dass sie denen Barbierern in ihr Profession eingreiffen 2, vnd ihr mehristes Einkommen nicht im Wein oder Trayd3, sondern in Zwifflen stehe, weilen sie die 30 Bauren gar zu starck zwifflen; Wann er die Warheit sagt denen Geistlichen, dass sie gar offt seynd wie die Glocken, welche anderen in die Kirchen leutten, vnd sie selber bleiben darauss: dass sie gar offt seynd wie die Zimmerleuth dess Noë, welche anderen die Archen gebauet, dass sie sich salvieret, vnd sie selbsten seynd zu 1 gespickte. 2 das sie das Volk barbieren. |