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Händen haben. Sie müssen also, sie mögen wollen oder nicht, gestehen, dass man schreiben könne, ohne vorher zu denken.

Wir thun es und befinden uns wohl dabey. Es ist leichter, und natürlicher, mit den Fingern zu schreiben, als mit dem Kopfe. Wer das letzte thut, ist einem Gauckler ähnlich, der auf dem Kopfe tanzet. Dieses mögen wir nicht von uns gesaget wissen, und brauchen also unsere Finger, wenn wir schreiben, und nicht den Kopf. Wenn unsere Feinde die Gemächlichkeiten, welche diese Schreibart mit sich führet, einzusehen fähig wären: so würden sie uns gewiss beneiden. Nur zweene sind, so viel mir wissend, so 10 weit gekommen, dass sie dieses erkannt haben; und haben daher kein Bedenken getragen, uns glücklich zu preisen, und den guten Scribenten vorzuziehen. Der eine ist ein Engländer und beweiset gar gründlich, dass das Denken nichts` nütze und derjenige, der sich desselben ganz und gar enthält, nohtwendig am besten schreiben müsse. Er spricht:

Here some would scratch their Heads, and try
What they should write, and How, and Why.

But I conceive, such Folks are quite in
Mistakes in Theory of Writing.

If once for Principle 'tis laid,

That Thought is Trouble to the Head.

I argue thus: The World agrees

That He writes well, who writes with Ease.
Then He, by Sequal logical,

Writes best, who never thinks at all1.

Der kratzt den Kopf, sinnt Zweifels-voll,
Was, wie, warum er schreiben soll;
Doch merk ich selbst aus seinem Fleiss,
Dass er vom Schreiben wenig weiss.
Denn hält man diesen Satz bewährt,
Dass Denken nur den Kopf beschwert ;
So folgt auch: Es gesteht die Welt,

Der schreibt gut, dem's nicht mühsam fällt.

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Draus macht selbst die Vernunft den Schluss,

Dass der, so niemals denkt, am besten schreiben muss.

Mich deucht, dieser Beweis ist unumstösslich. Der andere ist

1 Prior's Poems, T. I. p. 12.

ein Franzose, und, O bienheureux Ecrivains, rufet er aus, Mr. de Saumaise en Latin, et Mr. de Scuderi en François ! J'admire vôtre facilité, et j'admire vôtre abondance. Vous pouvez écrire plus de Calepins, que moi d'Almanachs. Bienheureux, fährt er fort, les Ecrivains qui se contentent si facilement, qui ne travaillent que de la memoire et des doigts, qui sans choisir écrivent tout ce qu'ils savent'. Ist es nicht ewig Schade um die ehrlichen Männer, dass sie, da sie so viele Erleuchtung hatten, sich nicht bestrebet haben, uns gleich zu werden? Sie haben übel bey sich gehandelt. Ich beklage sie, und halte sie, als Zeugen der Wahrheit ungemein hoch. 10 Sollten sie jetzund noch leben, da meine vortreffliche Schrift zum Vorschein kömmt: so würden sie unstreitig ganz umgekehret, und neue Menschen werden.

Ich kehre wieder zu meinem Zweck, und sage, dass wir, wenn wir schreiben wollen, die Prüfung unserer Kräfte, mit welcher sich unsere Feinde quälen, vor eben so unnütz halten, als Vernunft und Nachdenken. Wir brauchen so vieler Umstände nicht. Wir haben die besondere Gabe von der Natur, dass wir schreiben können, was wir nicht gelernet haben, und von Sachen urtheilen können, die wir nicht verstehen. Wir schreiben ganze Bücher von der Möglichkeit 20 einer ewigen Welt, und handeln die schwersten Fragen aus der Weltweisheit, auf eine ganz eigene Weise, ab, ob wir gleich nichts davon begreifen. Philippi kann unbesehens von den Schriften urtheilen, die für und wider die wolfische Philosophie herausgekommen sind. Sievers, der kaum seinen Catechismus weiss, ist doch geschickt, andere zu lehren, was der seligmachende Glaube sey, und Rodigast kann die ungeheuresten Werke aus dem Lateinischen ins Deutsche übersetzen, ob er gleich weder Latein noch Deutsch verstehet, und niemand, ja vielleicht er selbst nicht, weiss, was er vor eine Sprache redet. Hätte dieses edle Kleeblat elender 30 Scribenten sich lange besinnen, und seine Kräfte untersuchen wollen, ehe es die Feder ansetzte: so will ich wetten, wir würden noch nicht wissen, ob es in der Welt sey. Allein wir elende Scribenten sind so misstrauisch gegen uns selbst nicht; weil wir wissen, dass uns, auch bey der grössten Schwachheit, alles möglich ist.

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Diese vortreffliche Eigenschaft erhebet uns unendlich über unsere Feinde. Ein guter Scribent muss seine besten Jahre mit einem verdriesslichen Lernen verderben: weil er die abergläubige Einbildung hat, man könne sonst nicht schreiben. Wir hergegen fangen ganz frühe an zu schreiben, und warten nicht, bis die bösen Tage kommen, und die Jahre herzutreten, da man sagt: Sie gefallen mir nicht. Wir können gleich, ohne alle Vorbereitung, zum Werke schreiten; und ehe ein guter Scribent mit der Einsammlung der Sachen fertig ist, die er zu seinem Zweck nöthig achtet, haben wir uns zehenmal in Kupfer stechen lassen, und den 10 besten Platz in den Buchläden eingenommen. Ein guter Scribent mag seine Zeit noch so wohl angewandt und sich zum Schreiben so geschickt gemacht haben, als er immer will: so wird er doch allezeit gestehen, dass einige Materien ihm zu hoch sind, und selbst von denen, die er verstehet, nicht ohne vorhergegangene Überlegung und mit Furcht und Zittern schreiben. Uns ist keine Materie zu hoch. Wir wissen alles, ob wir gleich nichts wissen. Wir schreiben drauf loss und kehren uns an nichts. Und daher hat die Welt von uns die besten Dienste. Wir entdecken eine unsägliche Menge der gefährlichsten Irrthümer, die unsere Feinde 20 gemeiniglich übersehen, und das in Schriften, die wir nicht gelesen haben, und die wir, wenn wir sie lesen, kaum verstehen. Wir sind die eifrigsten Vertheidiger der Wahrheit und ein Schrecken der Ketzer. Wir entdecken sie, wie sehr sie sich auch verbergen; und ob wir gleich nicht wissen, was Ketzer und Ketzerey ist: so kann uns doch keiner entwischen; weil wir wie die Hunde, die das Capitolium bewacheten, den sichersten Weg gehen, und alles, was uns verdächtig vorkömmt, anbellen. Unsere Feinde verdenken es uns, dass wir so oft einen unnützen Lerm erregen. Sie wollen, dass man mit Behutsamkeit und Verstand eifere; aber eben 30 dadurch verrahten sie ihre Schwäche, und geben uns das Zeugniss, dass wir ohne Nachdenken und Verstand eine der wichtigsten Pflichten eines Wahrheit-und Ordnung-liebenden Menschen beobachten können, welches gewiss nichts geringes ist.

CHRISTOPH VON GRIMMELSHAUSEN.

[Scherer D. 380, E. 387.]

Geboren 1625 zu Gelnhausen in Hessen, als Sohn bäurischer Eltern. Er wurde als zehnjähriger Knabe von den Hessen geraubt und musste Soldatendienste thun. Nach dem deutschen Friedensschlusse 1648 verliess er den Soldatenstand und begab sich vermuthlich auf Reisen nach Holland, Frankreich und der Schweiz. Später stand er in Diensten des Bischofs von Strassburg und war in seinen letzten Lebensjahren Schultheiss zu Renchen am Schwarzwald. Hier starb er 1676. Er schrieb unter verschiedenen anagrammatischen Namen: Samuel Greifnson vom Hirschfeldi German Schleifheim von Sulsfort u. a. Sein berühmtester Roman ist der Abentheuerliche Simplicissimus Das ist: Beschreibung dess Lebens eines seltzamen Vaganten, genant Melchior Sternfels von Fuchshaim' 1669. Herausgegeben von Keller (Stuttgart 1854-62, 4 Bde); Kurz (Leipzig 1863, 64, 4 Bde.); Neudruck des Simplicissimus' von Kögel (Halle 1880).

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AUS DEM SIMPLICIUS SIMPLICISSIMUS.

Simplicij Bäurisches Herkommen,

und gleichmässige Auferziehung.

ES eröffnet sich zu dieser unsrer Zeit (von welcher man glaubet, dass es die letzte sey) unter geringen Leuten eine Sucht, in deren die Patienten, wan sie daran kranck ligen, und soviel zusammen geraspelt und erschachert haben, dass sie neben ein paar Hellern im Beutel, ein närrisches Kleid auff die neue Mode, mit tausenderley seidenen Bändern, antragen können, oder sonst etwan durch Glücksfall mannhafft und bekant worden, gleich 10 Rittermässige Herren, und Adeliche Personen von uhraltem Geschlecht, seyn wollen; da sich doch offt befindet, dass ihre VorEltern, Taglöhner, Karchelzieher' und Lastträger: ihre Vettern Eseltreiber ihre Brüder Büttel und Schergen . . . und in Summa, ihr gantzes Geschlecht von allen 32. Anichen her, also besudelt und befleckt gewesen, als dess Zuckerbastels Zunfft zu Prag immer seyn mögen; ja sie, diese neue Nobilisten, seynd offt selbst so schwartz, als wann sie in Guinea geboren und erzogen wären worden. Solchen närrischen Leuten nun, mag ich mich nicht gleich stellen, obzwar, die Warheit zubekennen, nicht ohn ist, dass ich 20 mir offt eingebildet, ich müsse ohnfehlbar auch von einem grossen 1 Karrenzieher.

Ꮓ Ꮓ 2

2

2 Ahnen.

Herrn, oder wenigst einem gemeinen Edelmann, meinen Ursprung haben, weil ich von Natur geneigt, das Junckern-Handwerck zutreiben, wann ich nur den Verlag und den Werckzeug darzu hätte; Zwar ungeschertzt, mein Herkommen und Aufferziehung läst sich noch wol mit eines Fürsten vergleichen, wan man nur den grossen Unterscheid nicht ansehen wolte, was? Mein Knän (dan also nennet man die Väter im Spessert) hatte einen eignen Pallast, sowol als ein andrer, ja so artlich, dergleichen einjeder König mit eigenen Händen zubauen nicht vermag, sondern solches in Ewigkeit wol unterwegen lassen wird; er war mit Laimen 10 gemahlet, und anstat dess unfruchtbaren Schifers, kalten Bleyes, und roten Kupffers, mit Stroh bedeckt, darauff das edel Getraid wächst ; und damit er, mein Knän, mit seinem'Adel und Reichthum recht prangen mögte, liess er die Maur um sein Schloss nicht mit Maursteinen, die man am Weg findet, oder an unfruchtbaren Orten auss der Erde gräbet, viel weniger mit liederlichen gebackenen Steinen, die in geringer Zeit verfertigt und gebränt werden können, wie andere grosse Herren zuthun pflegen, auffführen; sondern er nam Eichenholtz darzu, welcher nutzliche edle Baum, als worauff Bratwürste und fette Schuncken wachsen, biss zu seinem vollstän- 20 digen Alter über 100. Jahre erfodert: Wo ist ein Monarch, der ihm der gleichen nachthut? Seine Zimmer, Säl und Gemächer hatte er inwendig vom Rauch gantz erschwartzen lassen, nur darum, dieweil diss die beständigste Farbe von der Welt ist, und dergleichen Gemähld biss zu seiner Perfection mehr Zeit brauchet, als ein künstlicher Mahler zu seinen trefflichen Kunststücken erheischet; Die Tapezereyen waren das zärteste Geweb auff dem gantzen Erdboden, dann diejenige machte uns solche, die sich vor Alters vermass, mit der Minerva selbst um die wette zuspinnen; seine Fenster waren keiner andern Ursache halber dem Sant 30 Nitglass gewidmet, als darum, dieweil er wuste, dass ein solches vom Hanff oder Flachssamen an zurechnen, biss es zu seiner vollkommenen Verfertigung gelanget, weit mehrere Zeit und Arbeit kostet, als das beste und durchsichtigste Glas von Muran, dan sein Stand macht ihm ein Belieben zuglauben, dass alles dasjenige, was durch viel Mühe zuwege gebracht würde, auch schätzbar, und desto köstlicher sey, was aber köstlich sey, das sey auch dem

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