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IX.

Am Sonntage Reminiscere.

Evangelium: Matth. XV. v. 21 — 28.

Es ist ein sehr gewöhnlicher, aber viel zu wenig.

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erkannter Fehler des menschlichen Herzens, M.3., daß es in seinem Verhalten gegen Gott entweder zu verzagt, oder zu kühn ist, sich entweder nichts, oder alles zutraut. Es fehlt nie an Menschen, die ein so lebhaftes Gefühl von der Schwachheit und Hinfälligkeit unsrer Natur besigen, daß sie sich unmöglich überzeugen können, der Unendliche würdige uns seiner Aufmerksam keit und Fürsorge, die es gar nicht wagen zu dürfen glauben, sich an ihn zu wenden: kommt vollends das Bewußtseyn der sittlichen Unvoll. kommenheit hinzu, werden ihnen die unzähligen Fehler und Vergehungen sichtbar, der sie sich schuldig gemacht haben, und fast täglich schuldig machen: so verwandelt sich die Geringschäßung, mit der sie ihre Natur betrachteten, in eine wirk liche Verachtung, und die Blödigkeit, die sie vor Gott empfanden, in Furcht; sie sind sich dann nicht mehr blos unbedeutende und gleichgültige, sondern widerspånstige und strafwürdige Geschöpfe,

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Gegenstände seines Mißfallens und seiner ahndenden Gerechtigkeit. Dagegen könnet ihr überall Leichtsinnige, Stolze, von sich selbst Eingenommene finden, die von diesem allen nichts wissen. Un= zähligen fällt es gar nicht bey, sich den unermeßlichen Abstand vorzustellen, der sie von dem Unendlichen trennt, und sich von der Schwachheit unfrer Natur einen richtigen Begriff zu bilden. Noch weit weniger sind sie geneigt, ihr fittliches Verderben zu ergründen, und die Strafbarkeit ihrer Vergehungen anzuerkennen. Ihnen find die Thorheiten, Fehler und Ausschweifungen, mit welchen sie sich entehren, Umstände, die sich von einer Natur, wie die menschliche ist, nicht trennen lassen; Verfuche, welche sie zur Uebung ihrer Kräfte, und zu ihrer Ausbildung macht; Gebre chen, die der Allgütige gern verzeiht, und nicht weiter ahndet. Und können sie sich vollends das Zeugniß geben, daß sie frey von groben Ausschweisungen sind, daß es ihnen nicht an dem Willen und Bestreben fehlt, ihren Pflichten Genůge zu leisten, daß es ihnen wirklich gelingt, besser zu werden, und etwas Gutes zu wirken: so find sie der Meynung, es könne ihnen ben Gott unmöglich fehlen; so werden sie kühn genug, sich auf ihre Verdienste vor ihm zu berufen, und feine Gerechtigkeit für sich in Anspruch zu nehmen; so überlassen sie sich einer Sorglofigkeit, die sich über nichts weniger BedenklichFeiten macht, als über das Verhältniß, in welchem sie mit Gott stehen.

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In dem Evangelio, welches ich jezt erklären foll, M. 3., finden wir eine Heidin, die, wenn sie gleich Jefum fehr zur Unzeit mit ihren Klas

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gen behelligt, und anfangs mit Hårte zurück gewiesen wird, sich dennoch durch die Gesinnungen, welche sie auffert, den Beyfall Jesu in einem Grade erringt, in welchem er nur wenigen Bittenden zu Theil geworden ist; o Weib, ruft er ihr mit einer Art von angenehmen Erstaunen zu, dein Glaube ist groß, dir gefchehe, wie du willst ! Und welches waren die Gefinnungen, die Jesum so rührten, die er auf eine fo ausgezeichnete Art billigte und belohnte? Mit einer Demuth, die es lebhaft erkannte, sie habe an die Wohlthaten Jesu kein Recht, sie könne sich vor ihm auf gar nichts berufen, als auf ihr grosses, dringendes Bedürfniß, hatte sie sich ihm genåbert; und geduldig nahm sie die bittre, niederschlagende Antwort hin: es ist nicht fein, daß man den Kindern das Brod nehme, und werfe es vor die Hunde. Aber bemerket es wohl, diese Des muth war nicht Verzagtheit und Muthlosigkeit; sie stand mit einem Vertrauen in Verbindung, das sich durch nichts erschüttern ließ; das darauf rechnete, auch dem weniger Würdigen, auch dem Fremden könne aus dem Ueberflusse des groffen, von Gott gesandten. Retters eine Wohlthat zufliessen, ja Herr, antwortet sie mit rüh render Entschlossenheit, aber doch essen die Hündlein von den Brofamen, die von ihrer Herren Tische fallen. Demuth und vernünftige Selbstachtung, Gefühl der Un würdigkeit und herzliches Vertrauen zu einer al les beglückenden Huld, Entfernung von aller Verzagcheit auf der einen, und von aller Anmassung auf der andern Seite, können nicht glücklicher gemischt und mit einander verknüpft

seyn, als sie es hier waren; und diese Mischung, diese Verknüpfung war es, was der Herr so bil ligte, was ihm diese Unglückliche so werth machte, daß er ihr auf der Stelle Hülfe widerfah. ren ließ.

Wenn wir irgend etwas häufig aus der Ucht lassen, M. 3., so ist es die Verbindung einer wahren Demuth vor Gott, und eines her lichen Vertrauens zu ihm, von der wir hier ein Beyspiel sehen. Ich habe gleich anfangs darüber geflagt, daß unsre Demuth leicht in Muthlosig= keit und Verzweiflung, und unser Vertrauen noch weit leichter in Zudringlichkeit und Verwegenheit ausartet; daß wir bald gar nichts vor Gott seyn, bald alles und allein gelten wollen. Wir stehen in einem Verhältniß gegen Gott, das schon unfre Vernunft mißbilligt, und das noch weit mehr von dem Evangelio Jefu für verwerflich erklärt wird, so lange wir dem einen oder dem andern Fehler nachhängen, fo lange wir zu verzagt, oder zu kühn vor Gott sind; wohlgefällig vor Gott können wir nicht eher werden, als bis wir Bescheidenheit mit Muth, Demuth mit Vers trauen verbinden, und bey dem tiefen Gefühl unsrer Unwürdigkeit auf seine väterliche Erbar. mung rechnen lernen, Lasset mich dieß beweisen; laffet mich diese Stunde dazu anwenden, eine Denkungsart zu beschreiben, ohne die man kein ächter Christ seyn kann, ohne welche weder wahre Besserung und Tugend, noch wahre Zufriedenheit und Ruhe möglich ist. Möchtet ihr mich mit Aufmerksamkeit und Nachdenken hören, M. Br. möchtet ihr prüfen, ob ihr die Demuth und das Vertrauen, von deren Vereinigung jezt die Rede

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feyn soll, in eurem Herzen findet; möchtet ihr den Sinn immer mehr annehmen, "ohne welchen 、 es nicht möglich ist, Gott zu gefallen! Er, der selbst sanftmüthig und von Herzen demüthig war, und allen, die sich vertrauensvoll an ihn halten, eine Ursache der Seligkeit geworden ist, sey mit uns, und segne diese Stunde. Darum bitten wir in stiller Andacht.

Evangelium: Matth. XV. v. 21-28.

Ich werde es nicht erst anzeigen dürfen, daß ich das Beyspiel der edlen Mutter in dem vorgelesenen Evangelio dazu benußen werde, vo'n der Verbindung einer wahren Demuth vor Gott und eines herzlichen Vertrauens zu ihm ausführlicher zu sprechen. Die Beschaffenheit; die Noth wendigkeit; und die Nuhbarkeit dieser, Verbindung sind die drey Hauptpunkte, welche sich uns beym Nachdenken darüber darbieten, und über welche wir eine weitere Auskunft su chen müssen; laffet uns zu dem ersten derselben fogleich übergehen.

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Die beyden Gesinnungen, von deren Ver bindung ich spreche,' sind so bekannt, daß es ge nug seyn wird, wenn ich an ihre Natur und Beschaffenheit nur mit Wenigem erinnere. Die wahre Demuth, das wisset ihr alle, ist kein thōrichtes Verkennen unsrer Vorzüge, fein Ber meiden einer vernünftigen Selbstachtung, kein trübsinniges Herabsehen unsrer selbst, und der Würde, die Gott unsrer Natur beygelegt hat; das lebhafte Gefühl der Mångel und Gebrechen,

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