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XII.

Am Palmsonntage.

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Evangelium: Matth. XX. v. 1 — 9.

Von dem Eigenfinn, von der Veränderlichkeit,

von dem unerwarteten Wechsel, und von der hinreiffenden Gewalt dessen, was wir unser Schicksal nennen, M. 3., giebt es in dem ganzen Umfang der Geschichte kein Beyspiel, das lehrreicher wåre, das mehr von uns beherzigt zu werden verdiente, als die Erzählung, über die ich jest sprechen soll. Nie empfand der Sohn Gottes den Zug seines Schicksals stärker, als von dem Zeitpunkt an, den das heutige Evange lium beschreibt. Sobald ihn der Wirbel der zusammenströmenden Menge, mit welcher wir ihn heute umgeben sehen, ergriffen hatte, um ihn nach Jerusalem zu führen, näherte sich sein Schicksal einer groffen Entscheidung, und seine Umstände wurden mit jedem Augenblicke verwickelter und dringender. Zwar hatte es den Anschein, nicht anders, als erwünscht könne die Wendung seyn, die fein Schicksal jezt nehmen werde; denn zum König rief man ihn aus, unter den Huldigungen

eines begeisterten, alles für ihn wagenden Volks Fam er nach Jerusalem. Aber wenn der Anschein jemals trüglich gewesen ist, wenn es jemals klar wurde, wie wenig man den Schmeicheleyen des menschlichen Schicksals trauen darf, so war dieß hier der Fall. Es war nicht ein Thron, dem es ihn entgegen führte, sondern das Kreuß; nicht Herrschen sollte er zu Jerusalem, sondern bluten. Und wie schnell, wie hinreiffend war die Gewale! seines Schicksals! Ihr kennet die Geschichte der Woche, welche wir heute anfangen. Schon am Donnerstag in der Nacht war der, dem sein Volk vier Tage zuvor Palmen gestreut, den es für sei nën König erklärt hatte, in Fesseln; kaum war der Morgen angebrochen, fo forderte man mit wildem Ungestüm sein Blut, und schon in den inden Mittagsstunden des Freytags hieng er in der Mitte von zwey Miffethätern am Kreuz, und gab gegen Abend seinen Geist auf.

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Eine Reihe von Veränderungen, die wird nicht anordnen, deren Gang wir weder beschleuni gen, noch aufhalten, denen wir auf keine Weife' entfliehen können, trägt sich auch mit uns zu, M. 3., und sie sind es, was wir unser Schicksals nennen. Es ist mit dem, was von unsrer Frey heit abhängt, was wir nach eignen Entschliessun gen veranlassen und bewirken, unaufhörlich ver flochten, dieses Schicksal; es pflegt unsre Absich ten und Plane bald zu begünstigen, bald zu ver eiteln; es steht mit unsern Wünschen zuweilen in" einer schmeichelhaften Uebereinstimmung, zuweilen in dem entschiedensten Widerspruche; es wird Manchen eine wohlthätige Kraft, die sie machtig empor hebt, und für Andre eine Last, die sie zu

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Boben brückt und wehe Jedem, der es nicht im rechten Lichte zu betrachten, der es nicht weise zu benußen, der es nicht standhaft zu ertragen, der es nicht in ein heilsames Mittel seiner Bildung, in eine Erziehung zur Vollkommenheit und zum Himmel zu verwandeln weiß!

Besser können wir dieses Leztere uirgends ler nen, M. 3., als aus der groffen Geschichte, auf die uns das heutige Evangelium führt, und deren Andenken wir in dieser Woche erneuern. Nur ins Auge dürfen wir Jefum, unfern Herrn, fafsen, dürfen nur erforschen, wie Er das Schicksal anfaly, dessen Zug er jezt so mächtig fühlte; dürfen nur beobachten, mit welchen Gesinnungen er dem felben folgte, durch welche Entschliessungen er den Zwang desselben milderte, welche Handlungen er in die Streiche desselben mischte, mit welcher Standhaftigkeit er die Härte desselben bekämpfte, durch welche Hoffnungen er die Schrecken desselben besiegte, um alles beysammen zu haben, was uns zur weisen Benußung, und zur männlichen Ertragung unsers eignen Schicksals fähig machen und ausrüsten kann. Nein, wir werden den Anfang der Woche, in welcher das Schicksal un sers Herrn seiner Entwickelung so schnell entgegen eilte, nicht besser machen, werden weder für seine Verherrlichung durch ein ehrfurchtsvolles Anden. Fen, noch für unsre Ermunterung zu seiner treuen Nachfolge zweckmässiger forgen können, als wenn wir ihn gleichsam auf jedem Schritte begleiten, und uns aus seinem Verhalten Anweisungen und Regeln für das unfrige sammeln. Er sey mit ung, und erfülle uns alle mit seinem Sinn. Darum flehen wir in stiller Andacht.

Evangelium: Matth. XX. v. 1-9.

Ihr kennet den Gesichtspunkt bereits, M. 3., aus welchem wir das vorgelesene Evangelium viekmal betrachten wollen; Auweisungen zu einer christlichen Ertragung unsers Schickfals wollen wir nämlich jezt aus der Geschichte des lezten Einzugs Jesu zu Jerusalem fammeln. Nichts läßt sich leichter finden, M. 3., als diese Anweisungen, wenn wir nur aufmerksam und begierig genug sind, fie zu suchen.

Die Geschichte, welche wir vor uns haben, die in ihren Wendungen fo unerwartet war, und in ihren Folgen so wichtig für unser ganzes Ge schlecht geworden ist, muß uns nämlich vor allen Dingen an die groffe Wahrheit erin nern, daß unser Schicksal einen weifen und gütigen Urheber hat, dieß ist die erste und unentbehrlichste Belehrung, welche wir zu einer christlichen Ertragung desselben no thig haben. Daß das, was in den Begebenhetten der Menschen unabhängig von ihrem freyen Verhalten ist, was ihnen begegnet, ohne von ih nen angeordnet, oder veranlaßt, oder verdient zu seyn, nicht in einem Gewebe von Zufällen besteht, die sich ohne Ursache zusammen fügen; daß es eben so wenig nach dem Drang einer eisernen Nothwendigkeit erfolgt, bey der weder Ueberle gung, noch Absicht Statt findet : das ist nie an. schaulicher, nie einleuchtender geworden, M. 3., als durch die Geschichte unsers Evangelii. Belchen Ausgang der ehrenvolle Einzug zu Jerusa. lem haben würde, den das Evangelium beschreibt,

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wußte Niemand genauer, als Jesus; noch in Galilåa hatte er seinen Jüngern vorhergesagt, verspottet, geschmåhet, verspeyet und hingerichtet werde er dießmal zu Jerusalem werden; dieß sey das Schicksal, dem er entgegen gehe. Gleichwohl war er innig überzeugt, nach dem Willen feines Vaters werde ihn dieß alles treffen; der Herr und Regierer der Welt, dessen Abgeordneter er fen, habe ihm dieses Loos be schieden, und groffer, heiliger, ewig wohlthätiger Endzwecke wegen müsse er es übernehmen. Hat er sich in dieser Meynung getäuscht, M. Z.? If sein Glaube, das traurige Schicksal, das ihn jezt ergreife, werde zur Herrlichkeit führen, nicht auf das Vollkommenste gerechtfertigt worden? Sind aus dem Martertode, den er so willig duldete, nicht Folgen entsprungen, die segensreich für unser ganzes Geschlecht waren, die den Zustand der Welt in jeder Hinsicht verbesserten, durch deren Einfluß wir uns selbst glücklich fühlen, die unmöglich etwas anders seyn können, als der Rathschluß und das Werk eines Wesens, das eben fo mächtig, als weise, eben so heilig, als wohlwol lend, eben so besorgt für das Ganze, als für jeden Einzelnen ist? Ist es aber hiemit nicht auf im mer entschieden, daß auch unser Schicksal von dies sem Wesen abhangt? Immerhin sen an unsern Begegnissen unendlich weniger gelegen, als an den Begebenheiten dessen, der mit allen Merkma len des erhabensten Gesandten Gottes auf Erden erschienen war; immerhin scheine es des unendlichen Herrn und Regierers der Welt fast un, würdig zu seyn, unfern kleinen Angelegenheiten eine besondre Aufsicht zu widmen: was sich mit Jesu zugetragen hat, ist der klare Beweis, auch

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