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6) Auff die Mässigkeit.

Der seiner vollen Krüge schonet,

Ist mässig, und nicht der, der Durst gezwungen leidt;

In einem leeren Fasse wohnet

Der Durst, und nicht die Mässigkeit.

7) Die Tugend bey einem Lorber Baum.

Bey einem Lorberbaum sah' ich die Tugend stehen,
Und beyd' ohn' anzusehn das Volck vorüber gehen;
Grün' edles Paar, sagt' ich, ob schon
Man keinen sieht dir Ehr' erzeigen!
Bist du nicht dein selbsteigner Lohn?
Krönst du dich nicht mit eignen Zweigen?

8) Allmosen.

Allmosen giebt man zwar den Armen,

Doch mehr aus Hoffarth, als Erbarmen,

Und drum erreichet hier kein Reicher Ziel und Zweck;
Am besten geben die, die selbst im Elend wandern:
Ein Reicher wirfft die Gabe weg,

Ein Armer lehnet 1) sie dem andern.

9) Über gewisse Gedichte.

Der Abschnitt?2) gut. Der Vers? fliesst woll 3). Der Reim? geschickt.

Die Wort'? in Ordnung. Nichts, als der Verstand verrückt.

Gottfried Wilhelm Freiherr von Leibniz.
1646-1716.

Geboren in Leipzig, wo er die Nicolaischule besuchte und später studirte. Seit 1667 Canzleirevisionsrath in Mainz, und viel zu diplomatischen Geschäften benutzt. Nachdem er auf seinen Reisen in Holland, Frankreich und England die bedeutendsten Männer der Wissenschaft kennen gelernt, zog er sich nach Hannover zurück, wo er Hofrath und Bibliothekar wurde. Seine Werke sind lateinisch, französisch und deutsch geschrieben. Er war Stifter und erster Präsident der Berliner Academie (1700).

1) leihen. 2) die Căsur. 3) wohl.

Aus den unvorgreiflichen Gedanken betreffend die Ausübung und Verbesserung der Teutschen Sprache.

Ich finde, dass die Teutschen ihre Sprache bereits hoch bracht in allen dem, so mit den fünf Sinnen zu begreifen, und auch dem gemeinen Mann fürkommet; absonderlich in leiblichen Dingen, auch Kunst- und Handwerks - Sachen, weil nemlichen die Gelehrten fast allein mit dem Latein beschäftiget gewesen, und die Mutter - Sprache dem gemeinen Lauf überlassen, welche nichts desto weniger auch von den so genannten Ungelehrten nach Lehre der Natur gar wohl getrieben worden. Und halt ich dafür, dass keine Sprache in der Welt sey, die (zum Exempel) von Erz und Bergwerken reicher und nachdrücklicher rede, als die Teutsche. Dergleichen kann man von allen andern gemeinen Lebens - Arten und Professionen sagen, als von Jagt- und Waid- Werk, von der Schifffahrt und dergleichen. Wie dann alle die Europäer, so aufm grossen Welt-Meer fahren, die Namen der Winde und viel andere Seeworte von den Teutschen, nehmlich von den Sachsen, Normannen, Osterlingen und Niederländern entlehnet.

Es ereignet sich aber einiger Abgang bey unserer Sprache in denen Dingen, so man weder sehen noch fühlen, sondern allein durch Betrachtung erreichen kann; als bey Ausdrückung der Gemüths-Bewegungen, auch der Tugenden und Laster, und vieler Beschaffenheiten, so zur Sitten-Lehr und Regierungs- - Kunst gehören; dann ferner bey denen noch mehr abgezogenen und abgefeimten Erkenntnissen, so die Liebhaber der Weisheit in ihrer Denk - Kunst, und in der allgemeinen Lehre von den Dingen unter dem Namen der Logik und Metaphysik auf die Bahne bringen; welches alles dem gemeinen Teutschen Mann etwas entlegen, und nicht so üblich, da hingegen der Gelehrte und Hofmann sich des Lateins oder anderer fremden Sprachen in dergleichen fast allein und, in so weit, zu viel beflissen: also dass es denen Teutschen nicht am Vermögen, sondern am Willen gefehlet, ihre Sprache durchgehends zu erheben. Denn weil alles was der gemeine Mann treibet, wohl in Teutsch gegeben, so ist kein Zweifel, dass dasjenige, so vornehmen und gelehrten Leuten mehr fürkommt, von diesen, wenn sie gewollt, auch sehr wohl, wo nicht besser, in reinem Teutsch gegeben werden können.

Nun wäre zwar dieser Mangel bey denen logischen und metaphysischen Kunstwörtern noch in etwas zu verschmerzen,

ja ich habe es zu Zeiten unser ansehnlichen Haupt-Sprache zum Lobe angezogen, dass sie nichts als rechtschaffene Dinge sage, und ungegründete Grillen nicht einmal nenne (ignorat inepta). Daher ich bey denen Italiänern und Franzosen zu rühmen gepfleget: Wir Teutschen hätten einen sonderbaren Probierstein der Gedanken, der andern unbekant; und wann sie denn begierig gewesen, etwas davon zu wissen, so habe ich ihnen bedeutet, dass es unsere Sprache selbst sey; denn was sich darin ohne entlehnte und ungebräuchliche Worte vernehmlich sagen lasse, das seye würklich was Rechtschaffenes: aber leere Worte, da nichts hinter, und gleichsam nur ein leichter Schaum müssiger Gedanken, nehme die reine Teutsche Sprache nicht an.

Alleine, es ist gleichwohl an dem, dass in der Denk-Kunst und in der Wesen - Lehre auch nicht wenig Gutes enthalten, so sich durch alle andere Wissenschaften und Lehren ergiesset, als wenn man daselbst handelt von Begrenzung, Eintheilung, Schluss-Form, Ordnung, Grund-Regeln, und ihnen entgegengesetzten falschen Streichen; von der Dinge Gleichheit und Unterscheid, Vollkommenheit und Mangel, Ursach und Würkung, Zeit, Ort, und Umständen, und sonderlich von der grossen Muster-Rolle aller Dinge unter gewissen HauptStücken, so man Prädicamenten nennet. Unter welchen allen viel Gutes ist, damit die Teutsche Sprache allmählig anzureichern.

Sonderlich aber stecket die gröste natürliche Weisheit in der Erkäntniss Gottes, der Seelen und Geister aus dem Licht der Natur, so nicht allein sich hernach in die offenbahrte GottesGelehrtheit mit einverleibet, sondern auch einen unbeweglichen Grund leget, darauf die Rechts-Lehre sowohl vom Rechte der Natur, als der Völker insgemein und insonderheit auch die Regierungs-Kunst samt den Gesetzen aller Lande zu bauen. Ich finde aber hierin die Teutsche Sprache noch etwas mangelhaft, und zu verbessern.

Zwar ist nicht wenig Gutes auch zu diesem Zweck in denen geistreichen Schriften einiger tiefsinnigen Gottes-Gelehrten anzutreffen; ja selbst diejenigen, die sich etwas zu denen Träumen der Schwärmer geneiget, brauchen gewisse schöne Worte und Reden, die man als güldene Gefässe der Egypter ihnen abnehmen, von der Beschmitzung reinigen, und zu dem rechten Gebrauch wiedmen könnte. Welchergestalt wir den Griechen und Lateinern hierin selbst würden Trotz bieten können.

Am allermeisten aber ist unser Mangel, wie gedacht, bey denen Worten zu spüren, die sich auf das Sittenwesen, Leidenschaften des Gemüths, gemeinlichen Wandel, RegierungsSachen, und allerhand bürgerliche Lebens- und Staats-Geschäfte ziehen, wie man wohl befindet, wenn man etwas aus andern Sprachen in die unsrige übersetzen will. Und weilen solche Wort und Reden am meisten fürfallen, und zum täglichen Umgang wackerer Leute so wohl, als zur BriefWechselung zwischen denselben erfordert werden; so hätte man fürnehmlich auf deren Ersetzung, oder weil sie schon vorhanden, aber vergessen und unbekannt, auf deren Wiederbringung zu gedenken, und wo sich dergleichen nichts ergeben will, einigen guten Worten der Ausländer das Bürger - Recht

zu verstatten.

Hat es demnach die Meynung nicht, dass man in der Sprach zum Puritaner werde, und mit einer abergläubischen Furcht ein fremdes, aber bequemes Wort als eine Tod-Sünde vermeide, dadurch aber sich selbst entkräfte, und seiner Rede den Nachdruck nehme; denn solche allzu grosse Scheinreinigkeit ist einer durchbrochenen Arbeit zu vergleichen, daran der Meister so lange feilet und bessert, bis er sie endlich gar verschwächet, welches denen geschieht, die an der PerfectieKrankheit, wie es die Holländer nennen, darnieder liegen.

Ich erinnere mich gehöret zu haben, dass wie in Frankreich auch dergleichen Rein- Dünkler aufkommen, welche in der That, wie Verständige anitzo erkennen, die Sprache nicht wenig ärmer gemacht, da solle die gelehrte Jungfrau von Journay, des berühmten Montagne Pflege-Tochter, gesaget haben: was diese Leute schrieben, wäre eine Suppe von klarem Wasser (un bouillon d'eau claire), nehmlich ohne Unreinigkeit und ohne Kraft.

So hat auch die Italiänische Gesellschaft der Crusca oder des Beutel-Tuchs, welche die böse Worte von den guten, wie die Kleyen vom feinen Mehl scheiden wollen, durch allzu eckelhaftes Verfahren ihres Zwecks nicht wenig verfehlet, und sind daher die itzigen Glieder gezwungen worden, bey der letzten Ausgebung ihres Wörter - Buchs viel Worte zur Hinterthür einzulassen, die man vorhero ausgeschlossen; weil die Gesellschaft anfangs ganz Italien an die Florentinische Gesetze binden, und den Gelehrten selbst allzu enge Schranken setzen wollen. Und habe ich von eincm vornehmen Glied derselbigen, so selbst ein Florentiner, gehöret, dass er in

seiner Jugend auch mit solchem Toscanischen Aberglauben behaftet gewesen, nunmehr aber sich dessen entschüttet habe.

Also ist auch gewiss, dass einige der Herren Fruchtbringenden und Glieder der andern Teutschen Gesellschaften hierin zu weit gangen, und dadurch Andere gegen sich ohne Noth erreget, zumalen sie den Stein auf einmal heben wollen, und alles Krumme schlecht 1) zu machen gemeinet, welches wie bey ausgewachsenen Gliedern (adultis vitiis) ohnmöglich.

Anitzo scheinet es, dass bey uns übel ärger worden, und hat der Mischmasch abscheulich überhand genommen, also dass die Prediger auf der Cantzel, der Sachwalter auf der Cantzley, der Bürgersmann im Schreiben und Reden, mit erbärmlichen Französischen sein Teutsches verderbet; mithin es fast das Ansehen gewinnen will, wann man so fortfähret, und nichts dargegen thut, es werde Teutsch in Teutschland selbst nicht weniger verlohren gehen, als das Engelsächsiche in Engelland.

Gleichwohl wäre es ewig Schade und Schande, wenn unsere Haupt- und Helden - Sprache dergestalt durch unsere Fahrlässigkeit zu Grunde gehen sollte, so fast nichts Gutes schwanen 2) machen dörfte; weil die Annehmung einer fremden Sprache gemeiniglich den Verlust der Freyheit und ein fremdes Joch mit sich geführet.

Achtzehntes Jahrhundert.

Johann Christoph Gottsched.

1700- 1766.

Wir stellen Gottsched an die Spitze des achtzehnten Jahrhunderts, weil sein Einfluss in der ersten Hälfte desselben vorherrschend ist. Geboren 1700 zu Judithenkirch bei Königsberg und daselbst erzogen, flüchtete er später nach Leipzig, wo er seit 1730 Professor extraordinarius, seit 1734 Ordinarius wurde. Er stiftete die Deutsche Gesellschaft und erwarb sich durch persönlichen Einfluss auf seine Schüler, sowie durch ihm ergebene Journale eine Art literarischer

1) gerade. 2) voraussehn.

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