Barthold Heinrich Brockes. Brockes gehört noch in die Zeit vor dem GottschedBodmer'schen Streite. Er war der Sohn eines reichen Kaufmanns in Hamburg, hatte in Halle Jura studirt, dann Italien, die Schweiz und die Niederlande bereist, und wurde später Senator zu Hamburg. Seine Gedichte zeichnen sich durch lebendige Naturschilderung aus, die nur oft zu sehr sich im Einzelnen verliert. Am bekanntesten ist sein «Irdisches Vergnügen in Gott.»> Frühe Knospen an einem Birn-Baum. EIn Birn-Baum von sehr früher Art Zeigt' allbereits im Mertz die Knospen seiner Blüthe. Beschaut' ich mit betrachtendem Gemüthe, Und ward mit reiner Lust erfüllt, Als ich nicht nur die zarte Zierlichkeit Samt ihren schlancken Stielen, sahe, Nein gar, wie jeden Theil ein zartes Pelz-Werck schmückte Von weissen Zäserchen, vor Lust erstaunt erblickte; So dass mir diess mit weiss gemischte Grün Durch einen geistigen Verstand Und mehr von unsichtbarer Hand Gebildet, als gewachsen, schien. Wodurch ich denn gerührt von GOttes Macht und Liebe Zu Seiner Ehr' und meinem Troste schriebe: Du Allmachts-voller GOtt, der Du so wunderbar In jeder Creatur, in allen Deinen Wercken Macht, Lieb' und Weisheit lässest mercken, Der Du so gar In weissem Sammt, in weicher Seiden Die frühe Blüth des Birn-Baums pfleg'st zu kleiden, Des späten Frosts sie zu bewahren; Ach warum soll denn ich mit kindlichem Vertrauen Auf deine Lieb' und Vater-Treu nicht bauen, In fester Zuversicht, Du werdest hier im Leben Johann Christian Günther. 1695-1723. Ein Dichter von grossen Anlagen, kräftig, eigenthümlich und blendend in seiner Sprache, der aber früh in wildem Leben zu Grunde ging. Buss-Gedancken. MEin GOtt! wo ist denn schon der Lentz von meinen Jahren So still, so unvermerckt, so zeitig hingefahren? So schnell fleucht nimmermehr ein Segel durch das Meer, In dem mir Raum und Zeit noch manchen Schertz kan geben. Durch Uebung, Schweiss und Kunst zu wichtigen Geschäfften, Kein Eckel, keine Furcht, kein abergläubig Schrecken Vermochte mir das Hertz mit Unruh anzustecken. Die Glieder fluchten nicht auf Hitze, Frost und Stein, Dabey verschmäht ich auch kein äusserlich Vergnügen, Die Liebe wusste mich recht künstlich zu besiegen, So bald Anacreon in meinen Zunder bliess; Ich dacht, es zöge mich nur bloss ein nettes Singen Bey vielem Aergerniss und unter allen Sorgen, Verdarb ich gleichwohl nicht Gesellschaft, Schertz und Kussen; Die Geister sind verraucht, die Nerven leer und trocken, Nicht etwann, dass mein Fleisch die abgelegte Bürde Allein wer hat hier Schuld? Ich leider! wohl am meisten, Nun ist auch diss wohl wahr, der Himmel wird es zeigen, Dass Neid und Unglück oft die besten Köpfe beugen, Und dass ich wider mich gar viel aus Noth gethan. O hätte mich die Pflicht des Nächsten oft gerettet, Und mancher Bluts-Freund selbst mir nicht den Fall gebettet! Vielleicht.. jedoch genug! ich klage niemand an. Ich klage niemand an aus redlichem Gemüthe, Nur mich verklag ich selbst vor dir, gerechter Richter! So viel mein Scheitel Haar, so viel der Milch-Weg Lichter, So viel die Erde Grass, das Welt-Meer Schuppen trägt, So zahlreich und so gross ist auch der Sünden Menge, Die mich durch mich erdrückt, und immer in die Länge Mehr Holtz und Unterhalt zum letzten Feuer legt. Das ärgste wäre noch, mich hier vor dir zu schämen: Hier steh ich grosser GOtt! du magst die Rechnung nehmen, Ich hör', obgleich bestürtzt, das Urtheil mit Gedult. Wie hab ich nicht in mich so lang und grob gestürmet, Und Fluch auf Fluch gehäuft und Last auf Last gethürmet! Schlag, wirf mich, tödte mich! es ist verdiente Schuld. Dein Zorn brennt nicht so sehr die bösen Sodoms - Kinder, Die Hölle scheint noch kalt und plaget viel gelinder, Als mich die Quaal und Reu, die in der Seelen schmertzt. Ists möglich? ach! so gieb, du ewiges Geschicke, Mir auch jetzund für Blut ein Theil der Zeit zurücke, Mit der sein Selbst-Betrug sein zeitlich Wohl verschertzt! Wie besser wolt ich jetzt das theure Kleinod schätzen! Wie ruhig sollte sich hernach mein Alter setzen! Und, wenn denn meine Pflicht der Welt genug gedient, Mit Fried und Freudigkeit, und als im Rosen-Garten, Den Tod und auf den Tod den Nach-Ruf still erwarten: Ich sey als wie ein Baum nach vieler Frucht vergrünt. Mein GOtt! es ist geschehn, mehr kan ich nun nicht sagen, Stimmt deine Vorsicht bey, so setze meinen Tagen (Hiskias weint in mir) nur wenig Stuffen zu, Ich will den kurtzen Rest in tausend Sorgen theilen, Durch That und Besserung das Zeugniss zu ereilen, Dass ich anjetzo nicht mit Heucheln Busse thu. Der Ernst macht alles gut, was hin ist, sey vergessen, Kein Kraut ist ja so welck, man weiss noch Saft zu pressen, Der, kommt gleich jenes um, den Krancken Heyl gewährt. Manasses mehrt zuletzt die Anzahl frommer Fürsten, Und Saul kan nicht so starck nach Blut und Unschuld dürsten, Als eyfrig und geschickt hernach sein Geist bekehrt. Ist deiner Ordnung ja mein längres Ziel zuwider, So rette, treuer GOtt! doch alle meine Brüder, Die voller Irrthum sind und noch an Jahren blühn, Und lass sich ihren Geist an meinen Thränen spiegeln, Eh Ohnmacht, Schwäch und Zeit die Gnadenthür verriegeln, Damit sie mehr Gewinn von ihrem Pfunde ziehn. Von nun an will ich mich dir gäntzlich überlassen, Und um den letzten Sturm den stärcksten Ancker fassen. Den uns auf Golgatha der Christen Hoffnung reicht. Dein Wort, dein Sohn, dein Geist befriedigt mein Gewissen, Und lehrt mich hier getrost der Jugend Fehler büssen, Bis ihrer Strafen Schmertz mit Wärm und Athem weicht. Komm nun und wie du willst, die Erb-Schuld abzufodern, Der Leib, das schwere Kleid, mag reissen und vermodern, Weil diss Verwesen ihn mit neuer Klarheit schmückt: Ich will ihm zum voraus mit Freudenreichem Sehnen Auf Gräbern nach und nach den Schimmer angewöhnen, In welchem ihn hinfort kein eitler Traum mehr rückt. O sanfte Lager-Statt! o seliges Gefilde! Du trägst, du zeigest mir das Paradiess im Bilde, Ich steh, ich weiss nicht wie, recht innerlich gerührt. Wie sanfte wird sich hier Neid, Gram und Angst verschlafen, Bis einst der grosse Tag die Böcke von den Schaafen, Die in die Marter jagt, und die zur Freude führt. Mein Schatz, Immanuel! mein Heyland, meine Liebe! Verleih doch, dass ich mich in deinem Wandel übe, Verdirb mir alle Kost, die nach der Erde schmeckt, Verbittre mir die Welt durch deines Creutzes Frieden, Vertreib, was mich und dich durch mein Versehn geschieden, Und hüll' in dein Verdienst, was Zorn und Rache weckt. Soll je mein jäher Fall den Cörper niederstürtzen, So lass mir Zeit und Schmertz auf deine Brust verkürtzen, Dem sey der Spruch ans Hertz wie mir an Sarg geschrieben: Nicolaus Ludwig Graf von Zinzendorf. 1700-1760. In Dresden geboren, in Halle unter Francke erzogen, studirte in Wittenberg die Rechte, neigte sich aber mehr und |