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1. Abtheilung.

A.

Begriff des Socialismus im allgemeinen Sinne.

Was ist der Socialismus ?

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Die Antwort auf diese Frage erfordert für den Zweck unserer Arbeit die Stellung des Neuen Testamentes zum Socialismus: zu erforschen die grösste Klarheit und Präcision. Dass diese Eigenschaften den landläufigen Definitionen des fraglichen Be-griffes eigenthümlich wären, kann man durchaus nicht sagen. Wenn man die socialistische Literatur der Gegenwart überschaut

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wir meinen diejenigen Arbeiten, welche sich mit den socialen. Fragen oder dem Socialismus selbst beschäftigen so findet man selten eine deutliche Darstellung des Inhaltes des Wortes.. Am beliebtesten ist die Methode, die alten französischen Socialisten St. Simon und seine extravaganten Schüler, Fourier mit seinen Phalansteren, Baboeuf mit seiner Verschwörung, Proudhon. und sein von den Meisten nicht einmal in seinem eigenthümlichen Sinne begriffenes Schreckenswort: Eigenthum ist Diebstahl, vor die Augen zu malen, als die geschichtlichen Beläge für den phantastischen, gefährlichen Unsinn des Socialismus überhaupt. Oder aber, man macht es sich noch bequemer, indem man einfach die Gassenfegerparole:,,Es muss Alles verrungenirt werden" in gebildetes Deutsch übersetzt und sagt:,,Die Socialisten wollen alle bestehende göttliche und menschliche Ordnung geradezu auf den Kopf stellen; sie wollen das Eigenthum, die Ehe und Familie, den Staat, die Religion, kurz Alles, was den Menschen als ehrwürdig und heilig bis heute gegolten hat, mit Stumpf und Stiel ausrotten, das Tohuwabohu wieder herstellen und dann als Fettaugen auf dem allgemeinen Gewässer der Anarchie umher

schwimmen." Auf diese Weise wird diese grossartige Bewegung der neuesten Zeit zu einem Product einiger weniger intelligenten, begabten Egoisten gemacht, die um ihre selbst- und herrschsüch-tigen Ziele zu erreichen, ein heiliges Streben für das Gesammtwohl der Völker, insonderheit der unterdrückten Bestandtheile derselben, heucheln, die Massen aufhetzen und mit ihrer Hülfe nur sich allein emporschwingen wollen. Danach ist denn das ganze Streben der Socialisten nichts als infernalische Empörung, Ausgeburt der Hölle in ihrem eigensten Wesen, wenn auch in blendender Form der Wahrheit, Gerechtigkeit und Liebe. Einer solchen oberflächlichen Behandlung des Begriffes,,Socialismus" machen sich selbst wissenschaftliche Theologen noch schuldig. Hat doch Scharling in seinem vortrefflichen Werke,,Humanität und Christenthum" (1875) sich von diesem Fehler nicht frei machen können und den Socialismus an den Fourier'schen Pha-lansteren exemplificirt. Aber was thun wir heute mit Fourier und Proudhon? Der letztere wird von unsern deutschen Socia-listen bekämpft, und der erstere als ein excentrischer Mann behandelt, dessen Theorien man wohl kennen müsse, aber nicht durchführen könne.

Wollen wir den allgemeinen Begriff des Socialismus ergründen, dann müssen wir uns auf dem Boden der gegenwärtigen. socialistischen Realitäten bewegen, nicht auf dem der Vergangenheit angehörenden, und noch viel weniger dürfen wir uns auf die Höhen der Hypothesen begeben und die Consequenzen, welche sich dem denkenden und besorgten Geiste für die Zukunft ergeben wollen, als Merkmale des heutigen Begriffes des Socialismus fixiren.

Der Kundige weiss, dass, wenn heute vom Socialismus die Rede ist, er nicht blos an die bösen Socialdemokraten und ihre Lehrmeister Marx, Lassalle, Liebknecht, Bebel, Hasselmann zu denken hat, sondern dass es auch Kathedersocialisten gibt, d. h.. Männer, die an nichts weniger als an eine Bundesgenossenschaft mit den Socialdemokraten denken. Er kennt ferner die ChristlichSocialen mit ihren Führern v. Ketteler, Moufang, Schings etc., Leute, die auf die Dauer nun und nimmermehr Freundschaft mit den atheistischen Socialisten halten können. Er weiss endlich von den Social-Conservativen, denen unbestritten die eingehendste und umfassendste Kenntniss und das tiefste Verständ-

niss der grossen Bewegung eigen ist, die aber schon mit der zweiten Hälfte ihres Parteinamens bekunden, dass sie den zerstörenden radikalen socialistischen Elementen gegenüber conserviren wollen. Alle diese Parteien gehören zu den verschiedenen Nüancen des Socialismus und kennzeichnen sich in dieser Zugehörigkeit schon theils durch die ihnen von den Gegnern beigelegten (Kathedersocialisten), theils durch die selbst acceptirten Namen (christlich-social, social-conservativ). Sehen wir uns aber diese Parteien genauer an, so ergibt sich, dass der Socialismus sein Contingent eben sowohl unter den Ultramontanen wie unter den Evangelischen, ja Evangelisch-Lutherischen hat, dass er also unabhängig vom Bekenntniss ist. Ferner finden wir, dass nicht bloss Gelehrte, sondern auch Leute aus allen gebildeten Ständen, Geistliche, Schriftsteller, Gutsbesitzer, Banquiers, Fabrikanten, Handelskammersekretäre etc. sich unter den Socialisten befinden. Alle sind Arten der allgemeinen Gattung Socialist.

Um zum ganzen Verständniss dieses Genus durchzudringen, müssen wir einen Augenblick bei der Betrachtung des bekannten Begriffes: sociale Frage, stehen bleiben. Denn der Socialismus selbst steht im engsten Zusammenhange mit der sogenannten socialen Frage. Diejenigen, welche die letzten Decennien mit Bewusstsein erlebt oder doch durch geschichtliches Studium nacherlebt haben, werden sich erinnern, dass die sociale Frage zuerst in die Oeffentlichkeit unsers innerpolitischen Lebens trat (Rodbertus, Wagener, Huber, Schulze-Delitzsch) und nachher erst der Socialismus mit seinen speciellen Programmen. Es ist diese Reihenfolge auch sehr natürlich. Denn jedes socialpolitische Programm ist eben eine Antwort auf die sociale Frage, und so ist auch der radikale Socialismus und will auch nichts anderes sein die Antwort auf die sociale Frage, und nach seiner Meinung natürlich die allein richtige.

Was ist aber nun die sociale Frage?

Zunächst nicht eine einzelne, sondern ein Complex von einzelnen Fragen; weshalb es auch correcter wäre, nicht von der socialen Frage, sondern von den socialen Fragen (der Lohn-, Wohnungs-, Frauen- und Kinderarbeits-, Fabrikarbeiter-, Tagelöhner-, Lehrlings- etc. etc. Frage) zu sprechen. Als solchen Complex aller einzelnen socialen und wirthschaftlichen Fragen definiren wir sie heut als:

die Frage der ganzen modernen civilisirten Gesellschaft nach der Stellung, welche diese Gesellschaft sich selbst gegenüber in ihren einzelnen Bestandtheilen einnehmen soll in Bezug auf ihre wirthschaftliche Zusammensetzung und sociale Ordnung; sie ist die Frage, welche die Gesellschaft an sich selbst richtet zum Zweck des ernsten Besinnens auf sich selbst, der ernsten Selbstprüfung, des aufrichtigen mit sich selbst Ins-Gericht-Gehens.

In diesem Sich-selbst-Fragen und Auf-sich-selbst-Besinnen liegt aber zweierlei: Einmal die Anerkennung eines Ideales, und zwar sowohl für das Verhältniss des Menschen zum Menschen, wie für das Verhältniss des Menschen zu Gott, mag das Ideal nun in der modernen berühmten Humanität liegen, oder in der unmodernen heiligen Schrift; das andere Mal die Vergleichung der Wirklichkeit, in der die heutige Gesellschaft lebt, mit diesem Ideale, und weiter in Folge dieser Vergleichung ein Auffinden von wirklich schneidenden Widersprüchen der thatsächlichen Zustände und Verhältnisse mit diesem Ideale. Wo nun irgendwo in der Geschichte und heute in unserm socialen wirthschaftlichen Leben solch ein Widerspruch zwischen Ideal und Wirklichkeit auftrat oder noch auftritt, da war und ist noch eine sociale Frage aufgetreten.

Die sociale Frage ist also die Voraussetzung des Socialismus. Sie liegt im Gebiet des Bewusstseins; dieser dagegen auf dem Felde des Strebens. Denn, WO nun der Versuch gemacht wird, diesen von einem grösseren Theil der Bevölkerung lebhaft empfundenen Widerspruch der realen wirthschaftlichen Zusammensetzung der Gesellschaft mit dem diesem Bevölkerungstheile vorschwebenden Ideale sich klar zu machen und dann zu lösen, da - wird aus der socialen Frage der Socialismus, aus den unklaren Fragen wird ein bewusstes planvolles Streben.

Was ist also der Socialismus im allgemeinen Sinne?

Er ist das Streben, den mit lebhaftem Bewusstsein empfundenen Widerspruch der heutigen realen wirthschaftlichen Zusammensetzung der Gesellschaft mit dem gewissen Bevölkerungstheilen vorschwebenden

Ideale derselben durch eine neue Wirthschafts- und Societätsordnung zu lösen.

Unter diesem allgemeinen Begriff lassen sich alle heutigen socialistischen Bewegungen auf dem Erdball zusammenfassen. Der Russe Bakunin und die Föderation der spanischen Socialisten, die Italiener wie die Amerikaner, die Serben und Oesterreicher nicht minder als die Franzosen und Belgier, die Deutschen und die Dänen sie Alle sind sich gleich in diesem Bewusstsein des Widerspruchs der realen wirthschaftlichen Zusammensetzung der heutigen Gesellschaft mit ihrem jedesmaligen Ideale dafür, und sie Alle streben, wenn auch im Einzelnen von einander verschieden, so doch in den Grundprincipien verbrüdert nach einer Lösung dieses Widerspruchs.

Wirklichkeit und Ideal der wirthaftlichen Zusammensetzung und Lösung des mit lebhaftem Bewusstsein empfundenen, unter ihnen obwaltenden Gegensatzes, ist der Kern unserer Definition, den zuerst gefunden zu haben das Verdienst des Nationalökonomen Prof. Dr. v. Scheel ist.

Der Begriff ist weit und abstract, aber er drückt das innerste Wesen der fraglichen Erscheinung auf dem intellectuellen und ethischen Gebiete unsers Völkerlebens aus, und es liegt uns nunmehr ob, diesen Begriff unter das Licht des Neuen Testamentes zu stellen.

Kritik des Neuen Testamentes.

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Wie steht das Neue Testament zu dem menschlichen Streben,, den Gegensatz zwischen Ideal und Wirklichkeit, zumal wenn er schmerzlich empfunden wird, auszugleichen? Wir haben hier nicht nöthig, eine Reihe von Aussprüchen, der Schrift aufzuführen aus dem einfachen Grunde, weil wir, wollten wir hier den Weg der Citate betreten, am einfachsten lieber gleich das ganze Neue Testament hersetzen könnten. Das ganze Neue Testament,

ebenso wie das alte ist ein einziges fortlaufendes grosses Zeugniss von diesem Widerspruche, der zwischen Ideal und Wirklichkeit obwaltet. Es spricht von dem Menschen als von dem Ebenbilde Gottes idealiter und dem Menschen als dem Sclaven der widergöttlichen Selbstsucht, dem Sünder schlechthin, realiter. Es redet vom alten Menschen

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