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Grion nimmt also die worte Schedels in einem so prägnanten sinne, wie wir das bei Tacitus wol tun dürften und müsten, bei Schedel nach der vorliegenden probe schwerlich. sodann steht nirgends, daß kaufleute von Treviso Freidank dahin berufen hätten; vielmehr sind die worte so zu verstehen: kaufleute der stadt Venedig selbst, in welcher namentlich in folge der kreuzzüge viele Deutsche wohnten, haben Freidank zu sich eingeladen, und auf der reise dahin oder daher ist er in urbe Patavina gestorben. diese freilich kann nach dem ganzen zusammenhange keine andere als Treviso sein, welches auf dem wege aus Deutschland nach Venedig lag und schon seit dem anfange des 15. jahrh. samt Verona, Padua u. s. w. der republik Venedig untertänig war. in seiner großen weltchronik (ausg. Nürnberg. 1493) erwähnt Schedel bei Tarvisium fol. LI. b. das denkmal nicht, da er nur wenig geschichtliches von dieser stadt erzählt, sagt aber: Quod autem ab hac urbe universa regio Tarvisana marchia denominetur, factum credo a minori nominis absurditate, ut haec appellatio marchiae Tarvisanae in ipsa manserit: cum in ea regione sint amplissimae civitates Verona atque Patavium, quae semper et dignitate atque potentatu nec non et opulentia Tarvisio anteierint. hiernach ist es wol begreiflich, daß Schedel, dem bei seinem aufenthalte in Italien die heute noch verwickelte untersuchung über die territorialverhältnisse der italiänischen städte sicher fern lag, Tarvi sium als eine urbs Patavina bezeichnen konnte, ohne daß er die bestimmte zeit von 1384 88 im auge hatte, von welcher er wol nicht einmal etwas wufte. überhaupt aber hat das, was hier als erzählung teils Schedels teils der leute in Treviso (referebant) mitgeteilt wird, kein so großes gewicht, als nach Grions erklärung auf jedes einzelne wort gelegt werden müste. wir haben es nicht mit einer urkunde zu tun, sondern mit tradition, die sich an das denkmal knüpfte, und die schwerlich selbst nach bloß hundert jahren auf urkundliche genauigkeit anspruch machen darf. hält man sich nur an die inschrift, welche die hauptsache ist, und die Schedel selbst gelesen und in der sprache seiner zeit copiert hat, so muß einleuchten, daß sie nicht einem gänzlich unbekannten spruchsprecher vom ausgang des 14. jahrh., namens Freydanck, gelten kann, sondern nur einem namhaften

dichter, der weitverbreiteten ruf genoß. nur für einen solchen durfte das kurze wort: Hie lit Frîdanc' dem setzer des denkmals oder dem maler als vollkommen ausreichend erscheinen und reichte aus; an dem zusatze 'gar âne al sînen danc' wird sich aber kein kenner alter lateinischer und deutscher grabschriften stoßen. hat sich daher auch nichts mehr von dem alten wandgemälde erhalten, das zu Schedels zeit unter spinnengeweben verhüllt noch seine frischen farben hatte; so sind doch alle geltend gemachten gründe nicht stark genug, um dem dichter der Bescheidenheit das ihn ehrende denkmal zu Treviso abzusprechen. dazu ist auch J. Grimm nicht geneigt, indem er sagt: 'ich bin nicht zweifelsüchtig genug, um das echte, was bei den grabschriften oder auch nur der sage von ihnen vorausgesetzt werden muß, zu verschütten.' erst weise man einen berühmten spruchsprecher Freidank am ausgange des 14. jahrh. nach; ehe dieses nicht geschehen, dürfen wir dabei stehen bleiben, daß Freidank, der dichter der Bescheidenheit, auf seinen wanderungen nach 1229 auch nach dem damals blühenden Treviso kam, dort gastliche aufnahme fand und starb, sein andenken aber durch ein denkmal noch lange erhalten blieb.

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In einer ganz neuen weise hat vor kurzem J. Grion in einer zweiten abhandlung über Freidank (Höpfners u. Zachers zeitschr. 2, 408-440) das leben unseres dichters construiert. darnach gibt dieser seinen taufnamen selbst in einem rätsel Carm. bur. 183a an, dessen deutung nach Grion 'Wolf-ker-us' ist, und seinen geschlechtsnamen deutet er an Carm. bur. 189. durch die worte 'Primas autem, qui dicitur Vilissimus' d. h. der durch sein superlatives elend glänzende ellendeberht. er ist also nach Grion kein anderer als Wolfger von Ellenbrechtskirchen, eine weltbekannte große persönlickkeit, die aber nicht diesen geschlechtsnamen führte, da das stammschloß keinem gliede seiner familie angehörte, sondern von Leubrechtskirchen den familiennamen erhielt. er war nach geburt und erziehung ein Niederdeutscher, denn er wurde 1136 zu Köln geboren, war der taufpate des grafen Reinold v. Dassel, damals domherrn zu Hildesheim, später erzbischofs von Köln, studierte zu Hildesheim bis 1155, gieng dann nach Salerno, wo er vier jahre medicinischen studien oblag, begleitete

1160 seinen gönner nach Frankreich, war 1162 in Köln, feierte 1163 weihnachten in Rom, war im juni 1165 unzweifelhaft in Wien, 1166 wieder in Italien. in schloß Andechs besingt er eine nichte Ottos des heiligen, die für seine freiheit gefährlich wurde, dachte auch ernstlich an heirat; nur ihr allzu hoher stand erschien ihm als ein bedenkliches hindernis, und die heirat gieng zu waẞer. 1168 beruft der kaiser ihn nach Hohenstaufen und vertraut ihm, dem gelehrten, dem dichter, dem arzte, dem ritter, dem angenehmen gesellschafter, dem treuen freunde seines unvergeßlichen kanzlers die erziehung seiner beiden söhne Heinrich und Friedrich an. nun entzieht er sich unsern blicken durch viele jahre fast gänzlich, und Grion spricht über diese zeit wieder nur vermutungen aus, auch die, daß er sich dort nebenbei mit seinem epos über den damals noch lebenden Rotbart beschäftigt habe. doch erfahren wir, daß er 1169 weltlicher probst zu Zell am See wurde. 1184 wird er seines amtes bei den kaiserlichen prinzen enthoben, wobei es sehr wahrscheinlich, daß er ein kaiserliches lehen in der trevisaner mark und eine kirchliche rente von dem patriarchen Gottfried in Aquileja erhielt. er ist dann mit dem kaiser in Italien, begleitet ihn nach Deutschland zurück, wird 1188 canonicus in Paßau, wo er 1191 zum bischof gewählt wird. als solcher nun tödtete der alte weltmann mit seinem eigenen ger den wolf in sich und liebte es mit dem angewohnten hange zu Wortspielen

wovon jedoch sich bald Wolger

in der Bescheidenheit fast keine spur oder Wolbert, bald Walther zu nennen, 'so daß am ende sogar der unfehlbare pabst in seinen bullen dessen namen verfehlte.' nun befliß er sich eines ernsteren stils und führte nun auch das in Hohenstaufen begonnene gedicht auf den indessen (10. juni 1190) gestorbenen kaiser Friedrich I. aus. kaiser Heinrich VI. ernennt ihn zum reichsfürsten. im sommer 1197 zieht er mit Friedrich v. Österreich über Friaul, Apulien und Messina nach Ackers, verläßt das heilige land 1198 und kehrt mit Leutold von Seven, der sich hinfort, an den ersten kreuzritter Walther Sensaveir erinnernd, Walt-her von der Vogelweide schrieb, nach Österreich zurück. nach Heinrichs VI. tode stand er auf Philipps seite, dichtete auch wieder im sinne des schnei

denden wolfgêr, wurde 1201 gebannt und

schrieb nach 65

stürmischen lebensjahren nach frieden, nach scharf begrenzter gesetzlichkeit sich sehnend 1201/02 unter dem bedeutsamen namen Frid-anc, des nach frieden, nach gesetzmäßiger sicherheit sich sehnenden, seine Bescheidenheit, ein teil von sinnen die sint kranc: tristis est anima.' darnach verständigt er sich 1203 mit dem pabste, wird 1204 patriarch von Aquileja, nimmt nach kirchlicher und weltlicher seite hin in den bewegungen der zeit eine bedeutende stellung ein, stirbt 23. januar 1218 und wird im langhause der hauptkirche zu Aquileja begraben.

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Dagegen ist allerdings nur wenig zu sagen, aber dieses wenige reicht aus, um die ansicht Grions als unannehmbar erscheinen zu laßen. es fehlt nemlich der beweis, sowol der, daß dieser in namen schillernde Wolfkerus von Ellenbrechtskirchen oder Leubrechtskirchen der dichter Primas, vates vatum, archipoeta, als auch daß dieser wieder eins sei mit Frî-danc, welche beide so bestimmt in den Colm. annalen unterschieden werden, an deren nachricht aber Grion ganz mit stillschweigen vorübergeht; es fehlt an der eingehenden untersuchung, welche gedichte der carm. bur. dem Primas zuzuschreiben seien, und in willkürlicher weise wird mit den sprüchen der Bescheidenheit umgegangen; gegen die etymologie Frid-anc erheben sich schwere bedenken, und die ganze darstellung Grions beruht fast vom ersten satze an nur auf vermutung, die dann wieder die unterlage neuer vermutungen wird, und schwerlich wird jemand, der Grions abhandlung liest und J. Grimms sorgfältige untersuchung über den archipoeta kennt, durch jenen überzeugt werden. vorläufig werden wir daher wol dabei stehen bleiben müßen, daß Freidank als vagant gelebt hat und als vagant gestorben ist. daß ihm die gedichte des Primas bekannt waren, davon bin ich längst überzeugt, eben so sehr aber, daß der verfaßer jener und der der Bescheidenheit nicht ein und dieselbe person seien.

II. Die Bescheidenheit.

1. Inhalt und form.

Die Bescheidenheit, mit sicherheit das einzige uns erhaltene werk Freidanks in deutscher sprache, nimmt durch die reichhaltigkeit ihres inhalts, durch die biedere gesinnung, welche sich überall in derselben ausspricht, sowie durch die faßung und form der sprüche eine vorzügliche stelle unter den spruchgedichten der literaturen aller völker ein. nur wenige gebiete und verhältnisse des menschlichen lebens bleiben von dem dichter unberührt, daß er sie nicht der betrachtung unterziehe und seine anschauung kurz und treffend ausdrücke. das verständige urteil, welches er selbst sich erworben hat, will er anderen nicht vorenthalten, sondern auf grund seiner reichen inneren und äußeren lebenserfahrung bescheidenheit d. i. weisheit und lebensklugheit lehren. was er hat, bietet er dar, und jeder empfängt, was er bedarf. denn mit wie gläubig frommem gemüte er auch gott und das leben in gott erfaßt, so ist er doch nicht in engherzigen satzungen befangen. er hat den zweifel, der selten wol bûwet, überwunden und festes vertrauen auf gott gefaßt, der alles erschaffen hat, auch tun kann, was er will; der die welt durch Christum, den sohn der reinen magd, erlöst hat und endlich ein gerechtes gericht, bei welchem fürsprecher nicht viel helfen, über sünder und fromme halten wird. dieser glaube, dieses vertrauen gibt ihm den mut, frisch und frei, wahr und klar sich über die dinge der welt zu äußern, nicht oberflächlich und seicht, sondern aus tiefer erkenntnis. dabei übt er mâge in allen stücken, ist meist ernst und wendet nur selten ironie an, noch seltener läßt er sich von seiner inneren entrüstung zu heftigeren äußerungen fortreißen, die dann aber um so tiefer wirken.

Alle vollständigeren hss. laßen keinen zweifel, daß Freidank seine betrachtung zuerst auf die göttlichen dinge gerichtet habe. aber es sind nicht die dogmatischen fragen über das wesen des dreieinigen gottes, welche er an die spitze stellt, laßen sich diese doch so, daß kein zweifel in der seele des menschen zurückbleibt, ohne den glauben, die furcht und liebe nicht beantworten. daher fordert er vor allem auf, gott zu dienen, nicht der trügerischen

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