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kanntlich seit Basedow zum öftern angepriesen und zu verwirklichen unternommen worden; doch genießt nur ein einziges Land, Nassau, den Ruhm, dieselbe einmal zum Inhalt eines Schulgesetes gemacht zu haben (wie Meyer a. a. D. S. 80 berichtet). Es kann aber nicht übersehen werden, daß, was auf solcher Grundlage als „allgemeiner Religionsunterricht" dargeboten wurde (denn diese Einrichtung hat auch dort nur von 1817 bis 1846 gedauert, s. d. Art. Nassau, Bd. V. S. 31), unsern heutigen Fortschrittsmännern (vide den oben citirten Tegow) noch viel zu confessionell und positiv wäre, wie sich andrerseits die Kirchen mit solch einer Theilung niemals können abfinden lassen. So weit sollte man doch endlich einmal gekommen sein, daß, wer überhaupt in diesen Dingen mitsprechen will, jenen unmöglichen Gedanken nicht wieder vorbrächte; wie die Confessionen keineswegs nur im Buchstaben des Dogmas oder in gleichgültigen Nebenpuncten, sondern in der ganzen Lebensanschauung, auch in der sittlichen Grundauffassung alles menschlichen und göttlichen einander gegenüberstehen, so giebt es auch nicht eine einzige Religionslehre, die nicht irgendwie confessionell bestimmt wäre, und die nicht, wenn sie mit geflissentlicher Abstreifung alles confessionellen in abstracter Kahlheit vorgetragen würde, sofort auch für die eine Confeffion wie für die andere allen Werth verlöre. Man mag das bedauern, man mag die Ursache solcher schroffen, durchgreifenden Gegensäte am rechten oder unrechten Orte suchen, die Thatfache bringt man nicht hinweg, am allerwenigsten durch alberne Declamationen. Sehr merkwürdig ist in dieser Hinsicht die Art und Weise, wie man in England, um nur überhaupt dem Volke die Wohlthat des Schulunterrichts gewähren zu können, den vielerlei Dissidenten zu lieb einen allgemeinen Religionsunterricht vom confessionellen zu trennen versucht hat. (Vgl. Ernst Wagner, das Volksschulwesen in England und seine neueste Entwicklung, Stuttg. 1864. E. 14, 166.) Lancaster schloß (er war Quäker) von seinen Schulen alle Katechismen und Confessionsschriften aus, deren sich dann je nach dem Willen der Eltern die betreffenden Geistlichen bedienen mochten; dagegen las er mit seinen Schülern bloß die Bibel und gab nur solche Erklärungen dazu, die sich von jeder Berührung confessioneller Lehrpuncte fern hielten. Dieses Verfahren wird auch in den fog. britischen Schulen nachgeahmt, die, außer Zusammenhang mit der bischöflichen Kirche stehend, Kinder von allen möglichen Dissenters aufnehmen. Hier läge uns also ein thatsächlicher Beweis vor, daß jene Trennung doch ausführbar sei. Allein man muß schon den Umstand im Auge behalten, daß die verschiedenen Parteien in England in ihrer gemeinsamen Ehrfurcht vor der Bibel einen Einigungspunct haben, der den deutschen Religions- (und Nicht-Religions-) Parteien notorisch abgeht. Aber in England selbst hat dieses Arrangement keineswegs einen glänzenden Erfolg gehabt, wie schon aus den von Wagner mitgetheilten Ziffern hervorgeht, nach welchen die Schüler in jeuen britischen Schulen" von der Gesammtzahl der überhaupt zu einer Schule gehenden Kindern nur 14,4 Procent betragen. Die Unitarier beschweren sich, daß auch bei jenem Bibellesen viel zu viel erklärt, d. h. nach einer ihnen unangenehmen TheoLogie erklärt werde; das wird aber immer unvermeidlich sein, sobald nur irgend eine Erklärung beigefügt wird. In Deutschland aber In Deutschland aber würde denn hier der Katholik dulden, daß sein Kind die lutherische Bibel auch nur mitlesen sollte? Oder welche Erklärung alttestamentlicher Abschnitte, die ein christlicher Lehrer giebt, würde sich der Jude gefallen lassen? Und ists denn nicht in erster Linie gerade das Bibellesen, das Sprüchelernen, was unsre Humanitarier stets bekämpfen?

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7. Aber noch andere Stimmen mischen sich in den Chor der Emancipatoren, die die Schule von allem Gebundensein an die Kirche frei wissen wollen. Auch solche, die nichts weniger als religionslos fein wollen, die sich vielmehr zum Christenthum bekennen, weisen doch darauf hin, daß aus der Christlichkeit der Schule mit nichten auch folge, daß die Geistlichen in der Schule etwas zu sagen haben sollen. Es kann etwa folgendermaßen argumentirt werden. In soweit die Schule Religionsunterricht und Religionsübung (Schulandacht) in sich faßt, hängt sie zwar unstreitig mit der Kirche,

mit dem religiösen Gemeinleben der Nation zusammen und soll diesen Zusammenhang bewahren. Nun aber ist die evangelische Kirche keine Geistlichkeitskirche, sondern eine Gemeindekirche, in welcher jedes Mitglied selbständig und selbstthätig zum Ganzen mitwirkt. Wenn die Eltern das Kind christlich erziehen, so geschieht schon dies nicht außer, sondern innerhalb der Kirche, die Eltern sind ja Kirchengenossen, in ihrer Person ists die Kirche, welche erzieht. Sind nun nicht auch die christlichen Lehrer ebenso selbständige Glieder der Kirche? arbeiten sie nicht im Dienste der Religion als Organe der Kirche? wozu also stellt man neben den Schullehrer auch in der Schule noch den Pfarrer? Wir können etwa mit folgender Vergleichung antworten. Das ganze Volk hat ein gemeinsames Interesse an der öffentlichen und privaten Gesundheitspflege; und so werden auch die Lehrer dafür sorgen, daß die Kinder frische Luft genießen, daß sie nicht im blendenden Sonnenlicht lesen und schreiben u. s. f. Und dennoch hält es kein Vernünftiger für überflüssig, für eine Beeinträchtigung der Selbständigkeit der Lehrer, daß von Zeit zu Zeit ein Medicinalbeamter persönlich nachsieht, ob in obiger Hinsicht alles in Ordnung ist. Warum das? Erstlich weil die gemeinsame Vernunft und das gemeinsame Gesundheitsinteresse doch keineswegs so gleichmäßig in allen Individuen, — mit Verlaub zu reden, auch nicht gleichmäßig in allen Lehrern an allen Orten und Enden repräsentirt ist, daß nicht ein Nachsehen, eine Aufsicht um des allgemeinen Besten willen zweckmäßig wäre, die ja auch nur demjenigen unbequem ift, der seine Schuldigkeit nicht thut; und zweitens weil der Mediciner in diesem Puncte der Sachverständige, der Mann vom Fach ist, der auch da, wo man des besten Willens ist, doch hin und wieder im Falle sein wird, einen guten Rath, einen nöthigen Impuls zu geben. Nun, was die Mediciner und Medicinalbehörden für des Volkes leibliche Gesundheit sind, das sind die Geistlichen und die Kirchenbehörden für des Volkes Religion; die Folgerung mag der Leser selbst ziehen. Uebrigens machen sich schon auch Spuren davon bemerklich, daß man die Unabhängigkeit, die absolute Selbstherrlichkeit und Selbstgenugsamkeit des Lehrerpersonals nicht bloß dem Stande der Geistlichen gegenüber behaupten will, sondern auch gegen die gesammte Kirche. Als verlautete, daß aus Laien und Geistlichen eine Landessynode in Württemberg gebildet und dieser die Bestimmung über die Religionslehrbücher in den Schulen zuerkannt werden foll, was sich ganz von selber versteht, da hat sich der Fanatismus alsbald erhoben, um zu erklären, das sei nicht Sache der Synode, sondern der Lehrer. Also wenn eines Tags die Wortführer der Schule übereinkämen, einen schlechten Katechismus oder ein schlechtes Gesangbuch oder eine schlechte biblische Geschichte je nach dem Zeitgeschmack einzuführen, so sollte die in der Synode durch ihre Abgeordneten vertretene Landeskirche, die damit ihre eigne Zukunft bedroht sähe, in Demuth alles das sich gefallen lassen, als ob von Religion und Bibel und Bekenntnis und von der hierauf bezüglichen Kunst des Unterweisens und der Seelenführung niemand etwas verftünde, als die Schullehrer? Difficile est satiram non scribere. Das sind ja eben die echten Demokraten, die zuerst im Namen des Volkes, der Gemeinden, der Familien gegen alle Bevormundung donnern, schließlich aber, wenn wirklich das Volk, die Gemeinden, die Familien auf gesetzlichen Wegen ihren Willen aussprechen, dann rundweg erklären: Wir und nur wir sind das Volk. — Doch noch eines ist übrig, bevor wir einen Schritt weiter gehen. Wir haben oben die Geistlichen als die in Sachen der Religion Sachverständigen bezeichnet und erinnern uns nur, daß Sectirer, die ihre Weisheit direct vom Himmel beziehen und darum alle wissenschaftliche Bildung hassen und verachten, ihnen jenes Prädicat streitig machen. Da hält aber Hr. Seminardirector Lüben in Bremen einen Vortrag über den Einfluß der Geistlichen in ihrer amtlichen Stellung zur Schule" (Bremen 1867), worin er seinem Bublicum darthut, daß die Geistlichen vom' Religionsunterricht nichts verstehen. Der Religionsunterricht müße ebensogut, wie jeder andere Unterricht nach allgemeinen, aus der Geistesbeschaffenheit des Kindes fich ergebenden Grundsäßen der Methodik behandelt werden" (S. 25); „der Pädagog

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müße Psycholog von Fach sein und große Fertigkeit in psychologischen Beobachtungen erlangt haben" — die Theologie aber, das ist Hrn. Lübens Ansicht, vernagelt jedem den Kopf so vollständig, daß der Theolog schlechthin unfähig ist, etwas von Psychologie, von der Geistesbeschaffenheit des Kindes, von den daraus sich ergebenden Grundsäßen der Methodik zu begreifen. Daß Niemeyer, daß Schwarz, daß Schleiermacher Theologen waren, kommt natürlich solch souveränem Urtheil ex cathedra gegenüber nicht in Betracht. Und was ist der Beweis für jene Anklage? S. 17 wissen die Theologen nichts davon, daß sich Gott auch in der Natur, der Vernunft und im Gewissen offenbare, sie wissen nur von der Bibel, und bei solcher Anschauung können sie kein Wort, keinen Satz, keine Erzählung der Bibel für den Religionsunterricht fallen lassen"; ,,zwischen dem alten und neuen Testament wird so gut wie gar kein Unterschied ge= macht“ u. f. f. Das ist bare Unwahrheit. Wären wir Theologen wirklich solch jämmerliche Gesellen, machten wir wirklich von der Bibel solch einen unwissenschaftlichen Gebrauch, wie uns Hr. Lüben Schuld giebt, dann dürfte man uns nicht nur nicht mehr als Schulinspectoren dulden, sondern man müßte uns auch das Predigen und die Seelforge abnehmen, ja man müßte alle theologischen Facultäten cafsiren. Sehr be zeichnend für die jest so häufige Unfähigkeit oder Ungeneigtheit, diese Verhältnisse wahr und gerecht aufzufassen, ist der betreffende Abschnitt in dem,,Grundriß der Erziehungsund Unterrichtslehre" von F. Dittes, S. 185. Nur in äußerst seltenen Fällen möchte zwischen dem Lehrer und dem Geistlichen, wenn sie sich in den (Religions-) Schulunterricht theilen, eine innere Harmonie stattfinden... Der Lehrer ist Pädagog und der Pfarrer Theolog. Zwischen der auf Anthropologie gegründeten Pädagogik und der auf kirchlichen Sazungen beruhenden Theologie bestehen sehr wesentliche DiffeEs kann ein bekenntnistreuer und eifriger Pfarrer mit einem pädagogisch ge= bildeten und gewissenhaften Lehrer nicht zusammenarbeiten, ohne daß sie einander gegens seitig befehden." Gefeßt, der Pfarrer wird demzufolge von der Schule ausgeschlossen: wie kann er hernach die Kinder auch nur noch confirmiren? wie kann aus einer in so entgegengesetter Richtung geschulten Jugend eine Gemeinde erwachsen? Entweder wird sie dann niemals ein Theil der christlichen Kirche oder weiß der Pfarrer dennoch in seinen Confirmanden und Zuhörern religiöses Leben nach der Weise und auf Grund des kirchlichen Bekenntnisses zu wecken, dann muß ja der in der Schule empfangene Unterricht den reifgewordenen Schülern als falsch, als irreligiös erscheinen. Wäre also die Behauptung thatsächlich richtig, dann wäre der Bruch zwischen Kirche und Schule schon ein unheilbarer und es würden sich Consequenzen daraus ergeben, an die wenigs stens in obiger Diatribe nicht gedacht scheint. Aber schon die hier aufgestellte Antithese ist eine falsche. Die Theologie beruhe auf kirchlichen Sazungen, die Pädagogik auf Anthropologie. Meint man doch, die Urheber dieser „kirchlichen Saßungen“ seien kenntnislose, unwissenschaftliche, ungebildete Menschen gewesen, die nach Laune oder unklaren Ideen, nach dem Grundsage: stat pro ratione voluntas, oder nach dem noch schlimmern: credo quia absurdum est, kirchliche Lehrfäße aufgestellt und bei Strafe der ewigen Verdammnis zu glauben befohlen hätten. Männer aber, wie Augustin, wie Luther und Melanchthon haben von Anthropologie und Psychologie denn doch auch etwas, ja um ein gut Theil mehr verstanden, haben in des Menschen Herz und Leben tiefere Blicke gethan, als manche von denen, die sich auf ihre von irgend einem Dritten entlehnte anthropologische Weisheit ein Namhaftes einbilden. Aus ihrem eignen Wissen und Gewissen haben die Väter der Kirche ihre Lehren geschöpft; und so ist es auchh eine durchaus falsche Behauptung, daß alle Theologie ein bloßzes Wiederkäuen und Einprägen traditioneller Saßung sei. In jedem echten Theologen geht das religiöse Bewußtsein, wie es an die Schrift sich knüpft und von der Kirche gepflegt wird, durch das Feuer des wissenschaftlichen Denkens hindurch; alle Theologie ist Vermittlung des Denkens und Glaubens; sie erkennt nur das als religiöse Wahrheit an, was sie auch wissenschaftlich rechtfertigen kann, was vor der Kritik des denkenden Geistes Bestand

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hat; thäte sie das nicht, so wäre sie gar nicht Wissenschaft. Und daß von da aus auch die Praxis christlicher Unterweisung, die Katechese sich stets neu belebt, davon müßte ein genauerer Blick in den dermaligen Stand kirchlicher Katechetik unzweifelhaft überzeugen, wofern man sich überzeugen lassen wollte. Einstweilen aber ist es, soviel wir sehen, noch die allgemeine Meinung, daß die Ueberwachung und Leitung des Religiösen in der Schule Namens der Kirche den amtlichen Organen der Kirche gebühre; auch die neueren und neuesten Schulgesetzgebungen (f. die näheren Angaben in Richters Kirchenrecht, 6. Auflage, besorgt von Dove, Leipzig 1867. S. 917, 918) sagen fast gleichlautend: „den Religionsunterricht übernehmen und besorgen die Kirchen für ihre Angehörigen," unbeschadet der einheitlichen Leitung der Unterrichts- und Erziehungsanstalten.

b. Also unbeschadet der einheitlichen Leitung" des gesammten Schulwesens. Diese Clausel ruft die weitere Frage hervor: wie denn nun beides, diese einheitliche, nach allen Gesetzgebungen wie nach unserer obigen Ausführung dem Staate zustehende Centralleitung mit jenem Rechte der Kirche organisch zu verbinden, wie beides gegen einander abzugrenzen sei, daß die Interessen des Staates, und mit ihm der Gemeinden und Familien von der Kirche wirklich und aufrichtig „unbeschadet" bleiben. Wir erlauben uns zunächst beispielsweise den Modus anzugeben, nach welchem diese Frage in Württemberg in Bezug auf die gelehrten Schulen gelöst ist, indem nämlich der Oberstudienbehörde immer ein Mitglied der Oberkirchenbehörde beigegeben ist, das verpflichtet und berechtigt ist, die religiösen Interessen warzunehmen; indem ebenso den von jener Studienbehörde vorzunehmenden Visitationen der Gymnasien, Lateinund Realschulen der am Orte befindliche Decan (Superintendent) ex officio anzuwohnen hat, um sich zu überzeugen, ob der Religionsunterricht in befriedigender Weise gegeben wird, und um etwaige Desiderien an die Oberkirchenbehörde zu bringen; und indem endlich an den größeren Lehranstalten nach Bedarf Theologen als Religionslehrer und Seelsorger mit Sitz und Stimme im Lehrercollegium angestellt sind. Anders aber steht die Sache in Württemberg allerdings in Bezug auf die Volksschulen. Für fie ist die Oberkirchenbehörde auch zugleich die Oberschulbehörde; als Bezirksinspectoren sind zwar nicht mehr die Decane als solche eingesetzt, aber auch wo die Schulinspection von der kirchlichen Bezirksaufsicht getrennt ist, sind es doch immer nur Geistliche, denen jene übertragen wird, und im Ortsschulrath hat der Geistliche immer das Präsidium und die innere Leitung; die regelmäßigen Schulbesuche und Schulprüfungen hat er persönlich vorzunehmen, über Einhaltung des Lehrplans zu wachen, den der unter einem Oberlehrer stehende Lehrerconvent vorschlägt und die Oberschulbehörde genehmigt, auch die Aufnahme und Claffificirung der Kinder mit dem Lehrer zu leiten. Damit ist also nicht bloß der religiöse Theil des Schullebens unter kirchliche Leitung und Aufsicht gestellt, sondern auch, wenn gleich unter mancherlei ganz zweckmäßigen Beschränkungen, die dem Pfarrer nur erwünscht sein können, die Schule im ganzen und nach allen Theilen. Einstweilen also hat das verworrene Geschrei, dessen Sinn freilich klar genug ist, es haben die Behauptungen: die Volksschule brauche gar keine Aufsicht, oder es feien wenigstens die Pastoren und Superintendenten gerade die uns fähigsten Leute dazu, oder es sei wenigstens des Lehrstandes unwürdig, daß nicht Lehrer die Lehrer beaufsichtigen, noch weit nicht überall die gewünschte praktische Wirkung gehabt, wie ja selbst die Frankfurter Grundrechte v. 3. 1849 die Geistlichen nicht principiell von der Betrauung mit dem Schulaufsichtsamt auszuschließen wagten. Auch das Vorgeben, die Volksschule repräsentire so gut wie das Gymnasium und die Realschule eine eigene Wissenschaft, von welcher der Theolog, in einer ganz anderen Wissens schaft geschult, nichts verstehe, hat bei vernünftigen und parteilosen Leuten nicht verfangen; daß die Schulmethodik und Erziehungslehre, daß die Elemente des Rechnens, der Sprache, der Geschichte, Geographie und Naturkunde Fächer des Wissens feien, die der Theolog nicht zu bewältigen vermöge, das sind Aeußerungen, die wenig Ver

nunft aber viel Eitelkeit verrathen. Aber die Frage ist, wie dieses ausgedehntere Eingreifen der Kirche in die Volksschule, wie es in Deutschland doch meist noch gefeßlich besteht, mit dem von uns vollkommen anerkannten Grundsaß im Einklang stehe, daß dem Staat die Fürsorge für die gesammte Volksbildung zukomme? Das Richtige hierüber ist in Richters Kirchenrecht S. 917 bündig gesagt. Die Auslieferung des Volksunterrichtswesens an die Kirche" (wie der Jesuitismus dieselbe verlangt und unter dem gleißnerischen Titel „Unterrichtsfreiheit" zu gewinnen strebt) ist ein Verzicht auf eine der edelsten Pflichten, die dem Staat obliegen. Wohl aber soll sich der Staat erinnern, daß die Kirche ihm vieles zu bringen vermag, was er sich selbst nicht gewähren kann. Er handelt mithin gut und recht, wenn er die Organe der Kirche nicht bloß bei der Leitung des Religionsunterrichts und der Bestellung der Religionslehrer, sondern bei der Verwaltung des Unterrichtswesens überhaupt würdig betheiligt." Also das ist der Punct, auf den es ankommt: die Kirche trägt eine Fülle geistiger Kräfte in fich, die der Staat zum Dienste des Schulwesens benüßt und verwendet, wie er es auch in anderen Dingen, z. B. in Ehesachen, beim Eide, in der Armenpflege u. f. f. nöthig und ersprießlich findet, die Fähigkeit der Kirche zur sittlichen Beurtheilung von Menschen und Dingen und zur sittlichen Einwirkung auf sie zu benüßen; sich aber dazu verwenden zu lassen, ist die Kirche mit Freuden bereit, weil alles, was an einem Volke, an Jungen und Alten Gutes gethan wird, auch den Zwecken des Reiches Gottes entspricht. Jene Fähigkeiten der Kirche (die facultates ecclesiae, von denen Luther in den schmalkaldischen Artikeln in ähnlichem Sinne redet) sind gegeben erstens in der allgemeinen wissenschaftlichen Bildung, die theils als Vorbedingung, theils als Be gleitung und Ergänzung der theologisch-wissenschaftlichen Bildung den amtlichen Organen der Kirche zukommt, und zweitens in der seelsorgerlichen Stellung, die der Geistliche innerlich und äußerlich, d. h. durch seine Gesinnung, sein persönliches tiefes Interesse für alle und jede Gemeindeglieder, und andererseits durch seine amtliche Befugnis, öffentlich und privatim zu mahnen, zu warnen, ins Gewissen zu reden, vor allen andern einnimmt. Auf die erste dieser Qualitäten müßten die Theologen nur dann verzichten, wenn entweder Theologie so viel wäre als Scholastik, was sie zwar in Jesuitencollegien heute noch ist und leider auch in manchen protestantischen Hörsälen, Lehrbüchern und Commentaren zu sein nicht aufhören will, was aber eben die echte theologische Wissenschaft, die wahrheitsgemäße Vermittlung zwischen Denken und Glauben, Wissen und Glauben niemals ist; oder wenn wissenschaftliches Denken so viel wäre als materialistische und atheistische Gesinnung in theoretische Behauptungen umseßen, die allesammt nur dadurch möglich sind, daß man dem Denken willkürlich an einem gewißen Puncte Halt gebietet. So lange aber noch wahre, gesunde Theologie nicht verstummt, so lange giebt sie ihren Jüngern auch einen weiten Blick und ein offenes Herz für alles wahre und alles gute; möge man einmal nachfragen, ob es unter Juristen und Medicinern, unter Philologen und Naturforschern so viele Männer giebt, die sich außer ihrer Fachwissenschaft mit anderen Studien, Geschichte, Mathematik, Philosophie, Musik, Landwirthschaft u. s. w. so einläßlich beschäftigen, wie es dergleichen unter den Theologen giebt. Ueberdies stehen sie als Katecheten der Schule näher, als irgend jemand, und auf das Studium der Pädagogik führt sie in der Ethik wie in der Pastorallehre das theologische Studium selber mit Nothwendigkeit hin, wie nicht minder Psychologie eine in den philosophischen wie in den theologischen Lehrgegenständen mitenthaltene Wissenschaft ist. Woher käme es denn, daß allenthalben junge Theologen als Hauslehrer gesucht werden? Das alles sind Thatsachen, die durch die üblichen Schmähungen auf den geistlichen Stand nicht beseitigt werden. Dazu kommt aber das zweite. Hat wohl durchschnittlich der weltliche Beamte für die Gemeinden, für die Familien, für die einzelnen Gemeindegenossen das warme, persönliche Intereffe, das der Geistliche als Seelsorger im Herzen trägt? Sind ihm nicht insbes sondere die Kinder seiner Gemeinde, seine jezigen oder künftigen Confirmanden, die

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