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hinzufügen, jenachdem sie zu dem Gefühlseindruck nötig sind, den er hervorrufen will. Und von den mitgenommenen Zügen markirt, betont, unterstreicht er einige ganz auffallend, andere deutet er nur flüchtig an. Und diese starke Betonung und besondere Hervorhebung gewisser Züge lässt sich wiederum von keinem anderen Gesichtspunkt aus erklären als von dem, wie wichtig jeder Zug für den Gefühlseindruck ist, den er hervorrufen will.

Auch dieses Beispiel führt uns also zu demselben Resultat wie das vorangehende. Wenn wir von einem Landschaftsgemälde sagen, dass es ein Kunstwerk sei, meinen wir damit: dieses Gemälde stellt in anstekkender Weise den Eindruck dar, den die Landschaft auf das Gefühlsleben des Darstellenden gemacht hat.

Und wenn wir zur Poesie übergehen, finden wir, dass derselbe Massstab auch da ausschlaggebend ist, wenn es gilt darüber zu entscheiden, ob ein Erzeugnis menschlicher Thätigkeit ein Kunstwerk ist oder nicht.

Um dies zu zeigen vergleichen wir mit einander z. B. einen Zeitungsbericht und eine Novelle, denen beiden dasselbe Ereignis zu Grunde liegt. Dieses Ereignis sei z. B. ein Selbstmord. Wir nehmen an, eine Arbeiterfrau sei durch Armut, Elend und häusliches Unglück dermassen in Verzweiflung gestürzt worden, dass sie sich umgebracht hat. Wenn nun über dieses Ereignis ein Zeitungsbericht vorliegt und ein Schriftsteller darüber eine Novelle geschrieben hat, so haben offenbar diese zwei Erzeugnisse menschlicher Thätigkeit äusserst viel Gemeinsames. Doch wird die Novelle wenn sie näml. wohl gelungen ist ein Kunstwerk genannt, der Zeitungsbericht aber nicht. Worauf beruht dies? Wiederum. auf einer prinzipiellen Verschiedenheit in der Behandlungsweise desselben Stoffes. In dem Zeitungs- oder Polizeibericht ist es die Hauptsache, dass das Ereignis selbst mit allem, was dazu gehört, so richtig wie möglich, wiedergegeben wird, damit diejenigen, für welche der Bericht bestimmt ist, eine möglichst richtige Kenntnis von dem

thatsächlichen Lauf des Ereignisses erhalten können. Der Novellist verfolgt offenbar mit seinem „Bericht" einen ganz anderen Zweck. Ihm liegt nicht daran von einem Ereignis, das geschehen ist, anderen Kenntnis zu geben. Wäre dies für ihn die Hauptsache, dann dürfte er nicht so willkürlich mit dem thatsächlichen Sachverhalt umgehen, wie er es oft thut. Er ändert die Namen, er ändert die Familienverhältnisse, er vergisst zu sagen, wann das Ereignis geschehen ist und wo, und wenn er dies gelegentlich angiebt, berichtet er ebenso oft falsch wie richtig, ohne dass wir es ihm als Fehler anrechnen, was wir doch unbedingt in Bezug auf den Zeitungs- oder Polizeibericht thun würden. Daraus sehen wir, dass die Novelle einen prinzipiell anderen Zweck haben muss, als der Zeitungs- oder Polizeibericht, da doch dasjenige, was in dem Bericht die Hauptsache ist näml. die Übereinstimmung des Erzählten mit dem Thatsächlichen in der Novelle vollständig Nebensache ist. Und wiederum lässt sich diese souveräne Freiheit, welche der Novellist der Wirklichkeit gegenüber hat, von keinem anderen Gesichtspunkte aus erklären, als von dem, dass dem Novellisten nicht an der Thatsache selbst, sondern an ihrem Gefühlswert gelegen ist. Eben weil er von dem Ereignis nur dessen Gefühlswert d. h. den Eindruck, den dasselbe auf sein Gefühlsleben gemacht hat, wiedergeben will, kann er dem Ereignis selbst eine ganz andere Physionomie geben. Denn es war nicht notwendig, dass der Selbstmord der Arbeiterfrau gerade so geschah, wie er geschah, d. h. zu der Stunde, an der Stelle und unter den Umständen, unter welchen er geschah, um den Eindruck zu machen, den er auf das Gefühlsleben des Novellisten gemacht hat. Der Selbstmord hätte sehr gut zu einer anderen Stunde, an einer anderen Stelle und unter anderen Umständen geschehen und doch wesentlich denselben Eindruck auf das Gefühlsleben machen können. Oder allgemeiner ausgedrückt: Alle diejenigen Züge, welche das reale Ereig nis, das auf das Gefühlsleben des Novellisten einen gewissen Eindruck gemacht hat, aufweist, waren nicht für

diesen Gefühlseindruck wesentlich, und auch von den Zügen, welche zu diesem Eindruck beigetragen haben, haben einige in höherem, einige in geringerem Grad dazu beigetragen. Und wenn der Novellist nun dieses reale Ereignis künstlerisch behandeln, d. h. dasselbe so darstellen will, dass es auf das Gefühlsleben anderer einen ähnlichen Eindruck machen würde, wie es ihn auf das Gefühlsleben des Darstellenden gemacht hat, so besteht seine Hauptaufgabe eben darin, das reale Ereignis von diesen unwesentlichen Zügen zu reinigen, dasselbe so zu gestalten, dass es ein reiner, adäquater Ausdruck für den Gefühlseindruck wird, den er dadurch hervorrufen will. Durch einen solchen Reinigungs- und Gestaltungsprozess kann aber das reale Ereignis eine ganz andere Physionomie erhalten. Und eben dies wäre sonst nicht erlaubt und nicht erklärlich, wenn man nicht davon ausgeht, dass der Novellist von dem realen Ereignis, das er behandelt, nur dessen Gefühlswert wiedergeben will.

Auch durch dieses Beispiel wird also das Resultat bestätigt, zu dem wir auf Grund der früher angeführten Beispiele gekommen sind. Der Mensch ist dann künstlerisch thätig, wenn er eine Lebenserscheinung durch sinnlich wahrnehmbare Mittel darstellt, um durch seine Darstellung andere Menschen dazu zu bringen, dass sie den Gefühlswert dieser Erscheinung auf ähnliche Weise fühlen, wie er, der Darstellende selbst, ihn gefühlt hat.

Wenn es nun aber das eigentliche Augenmerk des Künstlers ist von den Lebenserscheinungen nur ihren Gefühlswert wiederzugeben d. h. dieselben so darzustellen, dass die Darstellung auf das Gefühlsleben anderer einen ähnlichen Eindruck macht, wie ihn die Erscheinungen auf das Gefühlsleben des Darstellenden gemacht haben, so möchte man fragen, warum der Künstler sein Geschäft denn so furchtbar verwickelt betreibt? Warum sagt er nicht nur kurz und bündig, welchen Eindruck irgend eine Lebenserscheinung auf sein Gefühlsleben gemacht hat? Wenn ihm nur an dem Gefühlswert der Erscheinungen gelegen ist, warum giebt er sich dann die Mühe, die Erscheinun

gen selbst so weitläufig zu schildern? Könnte der Novellist nicht nur kurz sagen, welchen Eindruck der Selbstmord der Arbeiterfrau auf sein Gefühlsleben gemacht hat, warum schildert er das Ereignis selbst so ausführlich? Die Antwort auf diese Fragen ist schon in dem Vorangehenden enthalten. Man muss sich darauf besinnen, dass der Künstler sich nicht damit begnügt nur auszudrükken, welchen Eindruck irgend eine Lebenserscheinung auf sein Gefühlsleben gemacht hat, er will dies auch „ansteckend" ausdrücken d. h. so, dass ein ähnlicher Gefühlseindruck auch in anderen hervorgerufen wird.

Nun wissen wir aber aus der Psychologie, dass Gefühle niemals isolirt d. h. unabhängig von allem Übrigen auftreten, von selbst entstehen, sondern jedesmal, wenn ein Gefühl in uns entsteht, muss eine Empfindung, eine Vorstellung, ein Gedanke da sein, welcher das Gefühl hervorruft. Dieses Gesetz ist auch dann zu berücksichtigen, wenn man in anderen Gefühle hervorrufen will. Will ich in anderen ähnliche Gefühle hervorrufen, wie sie der Selbstmord der Arbeiterfrau in mir hervorgerufen hat, so genügt es nicht, dass ich nur sage: auf mein Gefühlsleben hat dieses Ereignis den und den Eindruck gemacht. Dies würde den anderen kalt lassen. Ich muss das Ereignis selbst ausführlicher zu schildern suchen, d. h. ich muss dafür sorgen, dass in dem anderen solche Vorstellungen entstehen, die ihrer Natur nach geeignet sind ähnliche Gefühle in ihm hervorzurufen, wie ich sie in ihm hervorrufen will. Wie weiss ich aber, welche Vorstellungen dazu geeignet sind? Das weiss ich ex analogia. Dieselben Vorstellungen, welche geeignet waren in mir gewisse Gefühle hervorzurufen, sind wohl am besten im Stande ähnliche Gefühle auch in dem anderen hervorzurufen. Wenn ich also den Gefühlseindruck, den ein Ereignis, eine Lebenserscheinung, auf mich gemacht hat, in anderen hervorrufen will, so ist wohl das sicherste und wirksamste Verfahren das, dass ich das Ereignis selbst darstelle, nicht aber immer gerade so, wie es thatsächlich war, sondern von allen zufälligen und unwesentlichen (näml. für den Gefühls

eindruck unwesentlichen) Zügen gereinigt und so gestaltet, dass diejenigen Züge, welche zu dem Gefühlseindruck am meisten beigetragen haben, besonders hervorgehoben, betont und unterstrichen, die in dieser Hinsicht weniger wichtigen Züge dagegen nur flüchtig angedeutet werden. Dann habe ich allen Grund anzunehmen, dass das Ereignis, so dargestellt, auch auf das Gefühlsleben anderer Menschen einen ähnlichen Eindruck machen wird, wie es ihn auf mein eigenes Gefühlsleben gemacht hat, da doch das Gefühlsleben der Menschen wie auch ihre ganze psychische Konstitution in allem Wesentlichen ähnlich ist. Ein Novellist, der wohl eigentlich nur den Eindruck, den der Selbstmord der Arbeiterfrau auf sein Gefühlsleben gemacht hat, darstellen will, aber auch das Ereignis selbst ausführlich schildert, doch gewöhnlich nicht genau so, wie es thatsächlich war, sondern von zufälligen und unwesentlichen Zügen gereinigt und zweckmässig gestaltet, verfährt also psychologisch genau so, wie er verfahren muss, um am sichersten seinen Zweck zu erreichen.

Die bisherigen Ausführungen und besonders die letzte Darlegung könnten nun vielleicht zu einem Missverständnis Anlass geben.

Wir haben näml. in dem Vorangehenden das Wesen der Kunst so verstehen zu lernen gesucht, dass wir, von einem realen Ereignis oder überhaupt von einer wirklichen Lebenserscheinung ausgegangen sind und dann die Frage aufgestellt haben: Wie muss ein reales Ereignis, eine Erscheinung der Wirklichkeit, behandelt sein, damit die Behandlung „künstlerisch" genannt werden darf? Und darauf haben wir kurz geantwortet: Eine wirkliche Erscheinung ist dann künstlerisch dargestellt, wenn der Gefühlswert der Erscheinung bei der Darstellung die Hauptsache ist, d. h. die Darstellung ausdrücklich den Zweck hat den Gefühlswert der Erscheinung uns in ähnlicher Weise fühlen zu lassen, wie der Darstellende ihn gefühlt hat.

Dies darf nun nicht so verstanden werden, als müsste ein Kunstwerk immer nur so entstehen dass irgend ein reales Ereignis oder überhaupt eine wirkliche Erscheinung

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