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die Kunstschulen ereifert so wäre eine solche Bemerkung wenigstens zum grossen Teil berechtigt gewesen. Aber die Tolstoische Kunstdefinition selbst giebt zu keiner ähnlichen Bemerkung Anlass.

Auch ein anderer Franzose, Sar Peladan, den wir übrigens ausdrücklich sans comparaison mit seinem eben erwähnten Landsmann an dieser Stelle nennen hat die kunstphilosophischen Ansichten Tolstois einer Kritik unterworfen. Er hat sogar ein ganzes Buch gegen Tolstoi geschrieben, welches jedoch äusserst wenig Sachliches enthält und überhaupt wohl nicht ernst zu nehmen ist. 1) Das Buch Peladans macht überhaupt den Eindruck, als habe sich der Verfasser auch nicht einmal aufrichtig bemüht die Gedanken Tolstois zu verstehen und richtig zu würdigen. Aber er hat doch wenigstens in einem Punkte die Gedanken Tolstois auf eine interessante Weise missverstanden, und eben auf dieses Missverständnis. wollen wir hier ein wenig eingehen.

Tolstoi hat ja seine Kunstdefinition so formulirt, dass er sagt, die künstlerische Thätigkeit bestehe darin, dass der Mensch die von ihm erfahrenen Gefühle den anderen mitteilt u. s. w. 2)

Sar Peladan hat dies nun so aufgefasst, dass der Künstler also nach Tolstoi alle Gefühle selbst erfahren haben müsse, welche die von ihm dargestellten fiktiven oder wirklichen Personen erfahren haben, und alle Schicksale durchgemacht haben, welche diese durchmachen! Und deshalb deklamirt er mit grossem Pathos: „Eschyle avait-il donc éprouvé l'horreur du Caucase, et les Euménides d'Oreste et la colère de Zeus et la clémence d'Apollon? Sophocle avait-il été l'époux de sa mère et chassé. par ses fils et secouru par ses filles? Racine avait-il vécu avec la Champmêlé, l'inceste de Phèdre, le prophe

1) Sar Peladan, La Décadence esthétique. Réponse à Tolstoï. (Paris 1898).

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tisme de Joad? Dante est-il donc descendu aux enfers et monté au Paradis? Goethe est-il allé au sabbat du Brocken?" 1)

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Dieses Missverständnis kommt wohl daher, dass Sar Peladan sich nicht ernsthaft genug bemüht hat sich in den Gedankengang Tolstois hinein zu versetzen. Obgleich es dem Künstler im Grunde nur daran gelegen ist den Gefühlswert der Erscheinungen wiederzugeben, so kann er diesen Gefühlswert wie schon öfters gesagt nicht von den Lebenserscheinungen vollständig losgelöst, in abstracto darstellen, sondern er führt uns ein Weltbild vor Augen, welches in einem gewissen Sinne ein Mikrokosmos ist, und dieses Weltbild als ganzes dient als Vehikel, als Ausdruck des Gefühls. In einem solchen Weltbild muss aber der allgemeine Gang des Lebens im grossen und ganzen richtig und lückenlos dargestellt sein. Da treten also nicht nur denkende und handelnde, sondern auch zugleich fühlende Menschen auf. Die Gefühle aber, welche die in dem Weltbilde dargestellten Personen ausdrücken, sind durchaus nicht in der Regel als eigene Gefühle des Künstlers zu betrachten, ebenso wenig wie auch z. B. ein Dramatiker alle Gedanken zu teilen und für dieselben Antwort zu stehen braucht, welche von den verschiedenen Personen in seinem Drama zum Ausdruck gebracht werden. Man muss es sich eben vergegenwärtigen, dass das ganze Weltbild, mit allen darin ausgedrückten Gefühlen, ausgesprochenen Gedanken und ausgeführten Thaten und sonstigen Einzelheiten nur den Zweck hat uns fühlen zu lassen, wie gewisse Erscheinungen und Seiten des Lebens das Gefühlsleben des Künstlers affizirt haben.

Zu dem Seienden gehören auch die Gefühle der Menschen, und auch diese können, soweit sie äusserlich wahrnehmbar ausgedrückt werden, das Gefühlsleben des Künstlers in einer bestimmten Weise affiziren. Um ein lückenloses Bild von dem Lauf des Lebens zu geben, muss

1) o. a. W. S. 44.

also der Künstler in seinen Weltbildern auch die Gefühle der Menschen zum Ausdruck kommen lassen. Aber diese Gefühle sind durchaus nicht immer seine eigenen, er braucht sie selbst nicht buchstäblich erfahren zu haben, ebenso wenig wie er auch nicht alle Ansichten und Gedanken, die er seinen Personen in den Mund legt, und alle Handlungen, die er sie ausführen lässt, als seine eigenen anerkennen kann. Alles dies sind nur Teile des Ganzen. Die eigene Gefühlsrichtung des Künstlers kommt erst durch das Ganze zum Ausdruck, so zu sagen in der Beleuchtung, in welcher er die verschiedenartigen Handlungen, Gedanken und Gefühle der dargestellten Personen auftreten lässt.

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Was hier bis jetzt über das Wesen der Kunst gesagt ist, dürfte wohl in allem Wesentlichen mit den Ansichten Tolstois übereinstimmen können. Jetzt müssen wir aber, um das Wesen der Kunst von neuen Seiten zu beleuchten, Gesichtspunkte hervorheben, die Tolstoi entweder gar nicht berücksichtigt hat oder die ihm in einem ganz anderen Lichte erscheinen als uns. Es handelt sich nunmehr darum auf den Begriff der künstlerischen Gefühlsansteckung näher einzugehen.

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Wie schon wiederholt hervorgehoben worden, unterscheidet sich also das Kunstwerk von allen übrigen Ausdrücken des Gefühlslebens darin, dass es ein Ausdruck ist, den man bewusst und absichtlich hat ansteckend machen wollen und der auch ansteckend geworden ist. Was also ein Werk letzten Endes zum Kunstwerk macht, ist seine auf das Gefühlsleben ansteckend wirkende Kraft. Ein Werk, das nicht auf das Gefühlsleben ansteckend wirkt, ist kein Kunstwerk, ungeachtet es ein Ausdruck des Gefühlslebens ist, der keinen anderen Zweck hat als nur ansteckend auf das Gefühlsleben zu wirken.

Jetzt müssen wir aber doch hinzufügen: es giebt wohl kaum ein Kunstwerk, das auf alle Menschen ansteckend wirken könnte, und kein Kunstwerk wirkt in gleichem Masse ansteckend auch nur auf alle diejenigen, auf welche es ansteckend wirkt. Die künstlerische Gefühlsansteckung ist also relativ, sie hat ihre Grenzen. Und jetzt gilt es eben diese Grenzen der künstlerischen Gefühlsansteckung kennen zu lernen, um richtig zu verstehen, in welchem Sinne die ansteckende Kraft des Kunstwerkes relativ ist und warum sie es immer sein muss.

Diese Thatsache selbst, die Relativität der künstlerischen Gefühlsansteckung, wird von Tolstoi nicht anerkannt. Nach Tolstoi muss jedes echte Kunstwerk auf alle ohne Unterschied ansteckend wirken. Doch was die Kunst von allen anderen Formen der geistigen Thätigkeit unterscheidet, ist ja gerade der Umstand, dass ihre Sprache von allen verstanden wird und dass jeder ohne Unterschied davon bewegt werden kann. Die Tränen und das Lachen eines Chinesen bewegen mich genau so wie die Tränen und das Lachen eines Russen; und ebenso ist es bei der Malerei, der Musik, der Poesie, wenn diese in eine Sprache übertragen ist, die ich verstehe." 1) „Die Kunst unterscheidet sich von den andern Formen der geistigen Thätigkeit dadurch, dass sie auf die Menschen unabhängig von ihrem Entwicklungs- und Erziehungszustand wirkt." 2)

Diese Behauptungen Tolstois scheinen uns in einem. direkten Widerspruch mit unbestreitbaren Erfahrungsthatsachen wie auch mit Schlüssen, die sich aus gültigen psychologischen Gesetzen ableiten lassen, zu stehen. Man braucht ja nicht weiter zu gehen als zur persönlichen Erfahrung um einzusehen, dass die Kunstwerke durchaus nicht unabhängig von dem Entwicklungs- und Erziehungszustand wirken. Ein Werk, das uns in den Kindheitsoder noch in den Jugendjahren tief gerührt hat und in

1) Gegen die moderne Kunst. Berlin. S. 63 u. 64.
2) ibid. S. 65.

unseren Augen für etwas Grosses und Bewundernswertes gegolten hat, macht auf uns oft im späteren Alter einen naiven und kindischen Eindruck, so dass es uns oft sonderbar vorkommt, wie ein solches Werk noch vor einigen Jahren uns so tief hat entzücken können. Und dieselbe Ungleichheit in der Wirkung des Kunstwerkes, die wir an uns selbst auf verschiedenen Altersstufen beobachten können, macht sich bemerkbar zwischen Personen derselben Altersstufe, die aber verschiedene Entwicklungsstandpunkte vertreten. Um aus unserer finnischen Litteratur Beispiele zu nehmen, ist es sehr bezeichnend, wie die wenig künstlerischen und oft naiven Lebensschilderungen von Pietari Päivärinta unsere Landbevölkerung tief rühren und wie sie auf dem Lande mit grosser Begeisterung gelesen worden sind und noch immer gelesen werden, wogegen die Werke Juhani Ahos auch dieje

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nigen, in welchen der Stoff aus dem Bauernleben genommen ist dieselbe Landbevölkerung verhältnismässig kalt lassen. Und doch kann kein Zweifel darüber herrschen, dass die letztgenannten in künstlerischer Hinsicht eine unvergleichlich höhere Stufe vertreten. Wie ist dies

zu erklären? Es kommt daher, dass die Kunst nicht unabhängig von dem Entwicklungsstandpunkt wirkt, sondern ihre Wirkung ist davon abhängig, auf welcher Stufe der geistigen Entwicklung die empfangenden Individuen stehen. Und eben aus der Kunstauffassung, welche Tolstoi selbst vertritt, folgt, dass dem so sein muss.

Jedes Kunstwerk ist ein Ausdruck des Gefühlslebens, mit welchem man ansteckend wirken will. Um aber in einem tieferen Sinne ansteckend zu wirken, genügt es nicht, dass man sein Gefühl nur ausdrückt. Zwar wirkt, wie früher auch schon gesagt, der Ausdruck jedes aufrichtigen Gefühls zu einem gewissen Grad ansteckend. Sehe ich also einen Chinesen lachen, entsteht wohl auch in mir eine Lust mitzulachen. Aber ich lache nicht lange mit, wenn ich nicht weiss, warum der Chinese lacht. Erfahre ich nun, dass er eben einen Missionär getötet hat und dass er darüber so herzlich froh ist dann habe

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