صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

bensdrama im ganzen, seine hochbedeutenden Hauptzüge, schweren Konflikte und ewigen Rätsel hervorrufen und dass also jedes Kunstwerk ein immer wiederholter Versuch wäre den Sinn des ganzen Lebens in Gefühlswerten auszudrücken. Wie es wissenschaftliche Werke giebt, die nur ein kleines Winkelchen des Seienden in Begriffen beleuchten und unsere Erkenntnis auch über dieses Winkelchen nur ein klein wenig erweitern und bereichern, aber schon darum berechtigt und nicht wertlos sind, so giebt es auch Kunstwerke. welche die Bedeutung nur einiger unbedeutenden Seiten des Lebens in Gefühlswerten offenbaren, aber doch nicht wertlos sind. Sie tragen doch immerhin, so wenig es auch sei, dazu bei uns den Sinn des Seienden vielseitiger und tiefer als früher fühlen zu lassen. Die Äusserung Volkelts, die schon in einem anderen Zusammenhang angeführt wurde, ist eben in dieser Hinsicht so richtig und zutreffend. „Auch wo uns die. Kunst nur ein unscheinbares Winkelchen des menschlichen Getriebes beleuchtet, will sie uns doch von irgend einer Seite her vor Augen führen, was es heisse Mensch sein, als Mensch sich freuen, kämpfen und leiden." 1)

Hier glauben wir nun konstatiren zu dürfen, dass diese Auffassung von der Aufgabe der Kunst im Wesentlichen auf dasselbe hinauskommt wie die Auffassung Volkelts. Wie schon aus den am Ende des zweiten Kapitels angeführten Äusserungen Volkelts hervorging, besteht die Aufgabe der Kunst nach Volkelt in der „allseitigen, erschöpfenden Darstellung des Menschlich-Bedeutungsvollen". (S. 15). Und das Menschlich-Bedeutungsvolle darstellen heisst das Leben nach Bedeutung und Wert offenbaren". (S. 100).

Damals haben wir auch gesagt, dass diese Äusserungen Volkelts unbestimmt und deshalb vieldeutig seien. Jetzt wird es klar, wie man sie präzisiren muss, damit sie eindeutig werden und zugleich ihren ursprünglichen Sinn behalten. Es genügt nicht zu sagen, die Aufgabe

1) Ästh. Zeitfragen S. 16.

der Kunst bestehe darin uns das Leben nach Bedeutung und Wert zu offenbaren, denn im Grunde hat auch die Wissenschaft dieselbe Aufgabe. Auch die Wissenschaft hat letzten Endes keine andere Aufgabe als uns die Bedeutung des Lebens zu offenbaren. Aber der Unterschied besteht darin, dass die Wissenschaft uns die Bedeutung des Lebens und seiner Erscheinungen in Begriffen, die Kunst in Gefühlswerten offenbart. D. h. die Wissenschaft will uns die Bedeutung der Lebenserscheinungen begreifen lehren, die Kunst will uns ihre Bedeutung fühlen lassen.

Um auch noch bildlich die Aufgabe und Bedeutung der Kunst zu beleuchten, können wir nichts Besseres thun als das, was Schiller von der Glocke sagt, auf die Kunst anzuwenden.

[blocks in formation]
[ocr errors]

Unser Gefühlsleben ist in einem gewissen Sinne eine solche „metallne Krone", an welche die Menschenschicksale, die eigenen und fremden, „schlagen“ und dieser „Krone" einen verschiedenen Ton entlocken, je nach der Beschaffenheit der Krone" und nach der Art der Schicksale selbst. Aber während diejenigen „Töne“, d. h. Gefühle, welche die Menschenschicksale in der Brust gewöhnlicher Menschen hervorrufen, nicht weiter schallen, ist das Gefühlsleben des Künstlers auch in der Hinsicht in einem vollständigeren Sinne eine „metallne Krone" dass sie diese „Töne" „erbaulich weiter klingt". Der, Künstler kann die Gefühle, welche die Menschenschicksale in seiner Brust hervorgerufen haben, in sinnlich wahrnehmbare Bilder kleiden, von denen wiederum dasselbe gilt, was Schiller von der Glocke sagt:

„Noch dauern wird's in späten Tagen
und rühren vieler Menschen Ohr,
und wird mit dem Betrübten klagen
und stimmen zu der Andacht Chor."

Die wortlose Melancholie und Sehnsucht seiner einsamen Stunden, die Wonnen des Glücks, seine Schmerzen und Hoffnungen, seinen Hass, seine Verachtung, seine Enttäuschungen und seine Verzweiflung mit einem Wort: all die Gefühle, welche die wechselnden Schicksale und Erfahrungen des Menschenlebens in seiner Brust hervorgerufen haben, kann der Künstler in bestehende Bilder kleiden und kommenden Geschlechtern als Erbe hinterlassen. Und wenn die Gefühle des Künstlers aufrichtig und tief und mit ansteckender Kraft ausgedrückt sind, von Geschlecht zu Geschlecht werden sich die Menschenkinder an ihnen erwärmen, sie werden sich mit ihm aufregen und empören und mit ihm weich und schwermütig werden mit einem Wort: sie werden überhaupt alles nacherleben, was der Künstler vielleicht vor Jahrhunderten erlebt hat.

Jetzt kehren wir aber wiederum zu dem Gesichtspunkt zurück, der zu Anfang dieser Betrachtung hervorgehoben wurde und fragen uns: Ist diese Aufgabe, welche die Kunst erfüllt, indem sie die Bedeutung der Lebenserscheinungen und den Sinn des Lebens überhaupt in Gefühlswerten offenbart, so wertvoll und wird dadurch dem Menschenleben so bedeutungsvoll gedient, dass die Kunst, in Anbetracht der ungeheuren Opfer, die sie verlangt, als eine berechtigte und wertvolle Thätigkeit angesehen werden kann? Darauf ist zu antworten: Sobald die Kunst wirklich treu diese Aufgabe erfüllt, die ihr gehört, ist sie nicht nur eine berechtigte, sondern sogar eine sehr wertvolle Thätigkeit und ein bedeutender Faktor in dem geistigen Haushalt der Menschheit.

Die Kunst wirkt zwar nicht direkt auf das Leben und Handeln der Menschen, sondern aus der Ferne", sie wirkt aber darauf um desto tiefgreifender und anhaltender. Eigentlich hat ein grosser Künstler, vor allem ein grosser Dichter, auf das Leben der Menschen in vielen Beziehungen einen tiefgreifenderen und weiter wirkenden Einfluss als z. B. ein grosser Staatsmann oder ein grosser Feldherr. Ein grosser Staatsmann oder Feldherr

--

kann wohl in seinem Leben grosse Umwälzungen herbeiführen: Staaten stürzen, neue gründen und überhaupt alles auf den Kopf stellen. Aber so gross sein Einfluss auch sein mag, er hat doch ein Ende, wie auch einen Anfang. Auch der grösste Staatsmann und Feldherr muss einmal sterben, und dann ist sein eigentlicher Einfluss zu Ende. Oft geht es noch so, dass sogleich nach seinem Tod oder vielleicht schon bei seinen Lebzeiten andere kommen, die vieles davon oder vielleicht sogar alles vernichten, was er zustande gebracht hat: diejenigen aufrichten, die er gestürzt hat, andere, die er erhoben, in ihre Bedeutungslosigkeit hinabversenken, mit einem Wort: alles wiederherstellen. Aber wenn auch dies nicht geschieht, wenn noch viele oder sogar alle Umwälzungen, die er herbeigeführt hat, bestehen bleiben, ist doch der eigentliche Einfluss eines Staatsmannes oder eines Feldherrn mit seinem Tode zu Ende. Ende. Er hat nur ein Mal in den Lauf der Geschichte eingegriffen, ihm einen mächtigen Anstoss nach einer bestimmten Richtung hin gegeben, aber auf die weiteren Epochen im Lauf der Geschichte hat er keinen direkten Einfluss mehr.

Und ungefähr dasselbe gilt auch von dem Einfluss eines grossen Gelehrten. Wenn jemand eine epochemachende Erfindung auf dem Gebiete der Mechanik, Physik, der Chemie oder irgend einer anderen Wissenschaft gemacht hat, so hat er ohne Zweifel etwas geleistet, was äusserst wertvoll und bedeutungsvoll ist und was der Menschheit zu einem grossen Nutzen und Segen gereichen wird. Aber eine solche Erfindung ist doch immerhin etwas, was ein Mal gemacht wird und dann fertig ist. Sie wird natürlich zu einem sehr wichtigen Faktor bei der Weiterentwicklung der Wissenschaft, sie kann diese Entwicklung sogar in vollständig neue Bahnen lenken. Aber der eigentliche Einfluss auch eines solchen Erfinders ist doch mit seinem Tode zu Ende. Er hat seinen Beitrag zu der Entwicklung der Menschheit geliefert, diese Entwicklung mächtig gefördert, aber nach seinem Tode kann er sie auf keine Weise mehr lenken.

99

Anders verhält es sich mit dem Einfluss eines grossen Dichters. Er hat bei seinen Lebzeiten vielleicht keine sichtbaren Umwälzungen herbeigeführt, aber sein Einfluss ist auch nicht mit seinem Tode zu Ende, sondern fängt oft erst dann eigentlich an. Und dieser Einfluss ist in der Hinsicht so äusserst weit wirkend, dass er wohl einen Anfang hat, aber kein Ende. Ein grosser Dichter greift nicht nur ein Mal in den Lauf der Geschichte ein, giebt nicht nur einen Anstoss, sondern er stösst fortwäh. rend und ununterbrochen vor. Darum ist er „unsterblich" im vollsten Sinne des Wortes. Er ist wohl körperlich aus der Zahl der Lebenden verschwunden, aber geistig wirkt er noch immer fort. Seine Werke sind wie ein Gärstoff, der niemals seine Gärungsfähigkeit verliert, sondern noch nach Jahrhunderten und Jahrtausenden reformirend und umwälzend in das Leben der Einzelnen und der Nationen eingreifen kann. Darum ist ein grosses und wirklich originelles Kunstwerk eine ewig wirkende Ursache der Reformen und eine unerschöpfliche Quelle derselben. Geschlecht auf Geschlecht wird sich in ein solches Werk vertiefen, betrachtet die Welt von der Seite und mit den Augen, mit welchen der Verfasser sie betrachtet hat und fühlt seine Bedeutung so, wie der Verfasser sie gefühlt hat, und vertieft, erweitert und verändert sich innerlich in entsprechender Weise. Und dieses vertiefte, erweiterte und überhaupt veränderte Gefühl von der Bedeutung irgend welcher Seiten des Lebens wird auf die Dauer ganz notwendig zu einer veränderten Handlungsweise in der betreffenden Beziehung führen.

Hier wird uns nun auch eine Frage klar, die von anderen Voraussetzungen aus schwer erklärbar gewesen ist, näml. die Frage: Wie und in welchem Sinne kann der Künstler ein Reformator und doch zugleich ein echter Künstler sein? Dass die Kunst auf das Leben der Menschen reformirend einwirken kann und muss, wenn sie ein Mal ein bedeutungsvoller und wertvoller Faktor in dem geistigen Haushalt der Menschheit sein will, ist eine Wahrheit, die doch wohl auch den unklarsten Ästhetikern

« السابقةمتابعة »