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ist. Wenn man nur einmal weiss, was man unter Philosophie versteht und welche Aufgabe dieselbe hat, dann ist es ja im Grunde eine Formfrage, zu welcher Gruppe von menschlichen Thätigkeiten man sie rechnen will. Eine Thätigkeit kann ja sehr gut berechtigt und wertvoll sein, ohne dass sie darum Wissenschaft zu sein braucht. Aber eben darauf kommt es auch an, dass man wisse, ob die Philosophie, auf unsere Weise verstanden, eine berechtigte, wertvolle, vielleicht sogar eine notwendige Bestrebung ist, oder ob sie im Gegenteil von geringem Wert, wertlos oder vielleicht sogar verderblich und deshalb unberechtigt ist. Wenn man nur in diesem Punkt einig ist, dann bedeutet die Uneinigkeit in der Rubrizirungsfrage daneben äusserst wenig. Die Beantwortung dieser wichtigsten Frage ist nun wiederum schon in dem Vorangegangenen enthalten. Wenn man die Philosophie einmal so versteht, dass sie ein Streben ist, unsere Stellung im Weltganzen richtig aufzufassen, um unser Leben danach einrichten. zu können, so scheint es beinahe unmotivirt zu fragen, ob ein solches Streben berechtigt und wertvoll ist. Natürlich kann man die Berechtigung und den Wert eines solchen Strebens auch in Abrede stellen. Warum nicht? Man kann ja alles in Abrede stellen. Nur muss man dann die Konsequenzen offen anerkennen, zu denen ein solcher Standpunkt führt. Wer es für unnötig und unberechtigt hält danach zu streben, unsere Stellung mitten unter den Erscheinungen richtig aufzufassen, um unser Leben danach einrichten zu können, der stellt sich damit in logischer Hinsicht auf einen Standpunkt des vollständigen Nihilismus, wo alles Denken und alles Handeln nach Vernunftgründen unmöglich wird. Von einem solchen Standpunkt aus betrachtet ist natürlich jede Philosophie wertlos. Aber auch alles Übrige ist dann wertlos, und es ist ganz einerlei, wie man denkt, lebt und handelt. Auf einen solchen nihilistischen Standpunkt kann ein ernster Mensch sich niemals stellen, denn das Leben selbst wird dann unmöglich - und dieses ist immer das letzte Argument. Diejenigen, welche ernst leben, habən allzu oft und allzu

schmerzlich empfinden müssen, welchen schweren inneren Kampf die Entscheidung in vielen Lebensfragen von uns verlangt, und wie teuer man einen einzigen Fehltritt, einen einzigen Fall, wo man eine falsche Richtung wählte, oft bezahlen muss, um klar zu erkennen, wie notwendig es ist, seine Stellung mitten unter den Erscheinungen nach bestem Vermögen richtig aufzufassen zu suchen. Wenn dem nun aber einmal so ist, dann ist die Philosophie nicht nur ein berechtigtes und wertvolles Streben, sondern eivon den wertvollsten und unentbehrlichsten des Menschengeistes.

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Auch dies können nun viele zugeben, aber doch darauf bestehen, dass eine so aufgefasste Philosophie keine Wissenschaft ist, und diesem Umstand eine solche Bedeutung beilegen, dass die Auffassung, die zu einer solchen Konsequenz führt, sich ihrer Ansicht nach dadurch unannehmbar und beinahe absurd erwiesen hat. Sie wollen die Berechtigung und den Wert des Strebens nach einer Weltanschauung keineswegs in Abrede stellen, im Gegenteil sind sie darüber vollständig einig, dass man nicht ernst und vernünftig leben kann ohne über die Stellung des Menschen mitten im Seienden im Klaren zu sein. Aber dieses Streben, Wesen, Sinn und Bedeutung des Seienden zu verstehen um danach sein Leben einzurichten ist eine Privatsache, sagen sie. Ein jeder mag in dieser Hinsicht nach eigener Überzeugung verfahren, denn man kann doch niemals bindend beweisen, dass eine einzige Weltanschauung die alleinrichtige und alle übrigen falsch wären. Deshalb müssen die Weltanschauungsfragen der persönlichen Entscheidung des Einzelnen überlassen werden. Und wenn nun die Philosophie darin bestände, Wesen, Sinn und Bedeutung des Seienden richtig zu verstehen, um das Leben danach einrichten zu können, so wäre sie auch eine Privatsache und keine. Wissenschaft.

Um die Bedeutung dieses Einwandes richtig zu würdigen, muss man wissen, was man „Privatsache" und was man Wissenschaft" nennt, und ob die Philosophie eine

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„Privatsache" in einem solchen Sinne ist, dass sie nicht mehr Wissenschaft sein kann.

Die Philosophie ist wohl eine Privatsache in dem Sinne, dass sie eine persönliche Angelegenheit ist. Das ist ja schon oben besonders hervorgehoben. Aber dies ist durchaus nicht so zu verstehen, dass es ziemlich einerlei wäre, welchen Standpunkt man in den philosophischen Fragen wählt, und dass die eine Weltanschauung ebenso richtig wäre wie die andere. Im Gegenteil, auch in den philosophischen Fragen ist man vollständig berechtigt von falschem und richtigem Standpunkt zu sprechen. Nur sind die Beweise auf diesem Gebiete gewöhnlich nicht formal so bindend wie auf vielen anderen Gebieten, die unsere ganze Persönlichkeit nicht so tief berühren. Auch kann man die Richtigkeit oder Falschheit eines philosophischen Standpunktes oft nicht a priori, sondern erst a posteriori nachweisen. Die Falschheit eines Standpunktes wird oft erst dann handgreiflich, wenn man sich auf denselben gestellt und sein Leben danach eingerichtet hat. Auch ist, um in den philosophischen Fragen zu einem richtigen Standpunkt zu kommen, eine grössere und strengere Ehrlichkeit mehr vonnöten als anderswo. Das philosophische Denken stützt sich näml. meistens auf die Thatsachen unseres Innenlebens, und diese Thatsachen können viel leichter tendenziös und falsch gedeutet werden als die Thatsachen der Aussenwelt. Aber alles dies ist nun durchaus nicht so zu verstehen, als wäre der eine Standpunkt in den philosophischen Fragen ebenso richtig wie der andere oder dass alle Beweisführung und alles Wählen nach Gründen in der Philosophie ausgeschlossen und die Entscheidung vielmehr nur eine Geschmackssache wäre. Im Gegenteil, in der Philosophie muss und darf nur nach Gründen gewählt werden. Der Unterschied besteht nur darin, dass diese Gründe in der Philosophie gewöhnlich nicht so handgreiflich sind wie in vielen anderen Wissenschaften.

Auch ist die Philosophie keine Privatsache in dem Sinne, dass jeder nur in seiner Ecke, um andere Men

schen unbekümmert, seine Weltanschauung fertig machte und sobald sie fertig ist, dieselbe nur für sich allein behielte. Wer es nur ein Mal im Ernst versucht hat in einer einzigen philosophischen Frage zu einem festen Standpunkt zu kommen, der hat bald eingesehen, wie wenig er auszurichten vermag, solange er nur auf seine eigene Gedankenarbeit angewiesen ist. Er sieht sich wie in einer grenzenlosen Wüste, wo nirgends ein Weg zu finden, wo es überall unklar und dunkel ist. In dieser und jener Frage kann auch ein einzelner Mensch nur mit seiner eigenen Gedankenarbeit über vieles ins Klare kommen, aber doch kaum eine ganze Weltanschauung fertig bringen. Auch das Menschenleben selbst ist allzu kurz, so dass schon deshalb alles halbfertig bleiben muss, wenn man alles von Anfang beginnen will ohne sich auf Vorgänger zu stützen. Darum sieht auch jeder ein, der es einmal in vollem Ernste versucht hat in irgend einer Lebensfrage zur Klarheit zu kommen, wie notwendig es ist, davon Kenntnis zu nehmen, was andere Menschen vor ihm und wieder andere zu seiner eigenen Zeit über dieselbe Frage gedacht haben. In ihre Ansichten und deren Gründe vertieft er sich gewissenhaft, vergleicht ihre Resultate mit seinen eigenen und kontrollirt und komplettirt diese mit jenen. Und wenn er dann nach einer solchen gewissenhaften Gedanken- und Forschungsarbeit zu einem festen Standpunkt gekommen zu sein glaubt, fällt es ihm auch nicht einen einzigen Augenblick ein, dass seine Überzeugung nur seine eigene Privatsache wäre, die er nur für sich selbst behalten darf, sondern er fühlt eine unabweisliche Pflicht und beinahe ein instinktives Bedürfnis, dieselbe auch Anderen mitzuteilen und annehmbar zu machen.

Wenn nun aber die Weltanschauung so gebildet wird, wenn die Zusammenwirkung dabei eine so wesentliche Rolle spielt, dass man weder zu derselben allein kommen noch dieselbe allein für sich behalten kann was hat es dann für einen Sinn zu sagen, die Philosophie sei eine Privatsache und könne deshalb keine Wis

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senschaft sein? Worin besteht denn die Wissenschaftlichkeit der Forschung, wenn nicht eben darin, dass ich die Resultate meiner eigenen Erfahrung und Gedankenarbeit mit den Resultaten anderer Menschen der Vorgänger so wie der Zeitgenossen vergleiche, gegenseitig kontrollire und komplettire? Das Wesen der Wissenschaft besteht in so hohem Grade eben darin, dass man die Wissenschaft selbst kurz nur organisirte und möglichst allseitig und genau kontrollirte Erfahrung nennen kann.

Aber nach dieser Forderung verfährt eben auch derjenige, welcher rationell und methodisch philosophirt, d. h. danach strebt seine eigene Stellung mitten im Seienden richtig zu verstehen. Er stützt sich auf seine eigene Gedankenarbeit, so weit diese ihm helfen kann, und kontrollirt und komplettirt seine eigenen Resultate mit denjenigen anderer Menschen.

Der Grund dazu, warum so viele eine solche Philosophie, wie wir sie dargelegt haben, nicht als Wissenschaft anerkennen zu dürfen glauben, besteht wohl darin, dass sie einen falschen Begriff von der Wissenschaft haben. Es ist dies einer von den allgemeinen, wichtigen Begriffen, die äusserst dringend einer gründlichen Revision bedürften, weil sie im allgemeinen Sprachgebrauch und im Bewusstsein der Menschen so stark verschoben sind, dass ihre Bedeutung gar nicht mehr die richtige ist. In diesem Zusammenhang kann natürlich eine solche Revision des Begriffes „Wissenschaft" nicht in Frage kommen. Doch sollen die zwei Hauptpunkte hervorgehoben werden, in denen die Bedeutung des Wortes „Wissenschaft" im Sprachgebrauch nach falscher Richtung verschoben zu sein scheint.

Die allgemein herrschende Auffassung von der Wissenschaft ist falsch erstens darin, dass jede methodische Forschung, jede Liebhaberei und Spielerei mit wertlosen Dingen Wissenschaft genannt wird, ohne dass man danach fragt, ob der Gegenstand der Untersuchung einer wissenschaftlichen Untersuchung auch wert ist, d. h.

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