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meinen ist dazu wohl immer zweierlei nötig: erstens die Kunst in ihrer Eigenart zu begreifen und zweitens die Kunst im Zusammenhang des Gesammtlebens zu begreifen. Besondere Zeitumstände können es aber notwendig machen besonders zur Beleuchtung der letzten Hauptfrage auch andere, fernerliegende Einzelfragen ins Gebiet der Kunstphilosophie hereinzuziehen als die, welche oben angegeben worden sind. Auch ist die relative Wichtigkeit der einzelnen Fragen zu allen Zeiten nicht dieselbe. Besondere geistige Strömungen und Grundrichtungen, die in einer Zeit liegen, können die eine Frage in besonders hohem Grad aktuell und brennend machen, in den Vordergrund ziehen, wogegen eine andere mehr zurücktritt.

Das sind aber alles Umstände, die an dem Hauptcharakter der Kunstphilosophie nichts Wesentliches ändern. Doch ist die Einsicht in den wechselnden Charakter, den der Inhalt der Kunstphilosophie trägt, notwendig um irrtümlichen Auffassungen vorzubauen.

Eine Nebenbemerkung ist in diesem Zusammenhang nötig. Wir haben in dem Vorangehenden die Aufgabe und die Bedeutung der Kunstphilosophie nur von dem Standpunkt des Kunstempfängers und nicht von dem Standpunkt des Kunstschaffenden aus betrachtet. Nun fragt es sich: Kann die Kunstphilosophie noch eine besondere Bedeutung für den Künstler als Künstler haben, d. h. kann die Kunstphilosophie einen Einfluss auf die Kunst selbst ausüben? Ich glaube diese Frage bejahen zu müssen. Es ist wohl wahr, dass kein echter Künstler so verfährt, dass er zuerst durch theoretische Erwägungen und Studien sich eine Ansicht von dem Wesen und der Aufgabe der Kunst sowie von den Gesetzen des Kunstschaffens bildete um sich dann ans Werk zu machen und nach den gefundenen theoretischen Regeln Kunstwerke zu schaffen. Aber übertrieben und einseitig ist auch die entgegengesetzte Meinung, die bisweilen klar ausgesprochen, noch öfter verschleiert und beinahe unbewusst auftritt, die Meinung näml., dass der Künstler eigentlich nichts anderes als ein Medium wäre, dessen

Aufgabe darin bestünde dasjenige treu aufzuzeichnen, was ein unsichtbarer Geist, ein Dämon, ihm ins Ohr flüstert. Eine angeborene Fähigkeit muss natürlich allererst da sein, ein Talent, eine innere Kraft, die zum Schaffen drängt. Und ist eine solche Kraft nicht vorhanden, kann sie durch keine noch so tiefe Philosophie und Studien geschaffen oder auch nur ersetzt werden. Wo aber einmal ein angeborenes Talent, eine Fähigkeit zum künstlerischen Schaffen vorhanden ist, da kann diesem Talent durch Reflexion und theoretische Erwägung die eine oder die andere Richtung gegeben werden. Mit dem Talent, mit der Schaffenskraft, ist näml. noch gar nicht die Richtung gegeben, in welcher dasselbe sich entwickeln wird. Die künstlerische Schaffenskraft ist eine Naturkraft, und jede Naturkraft ist an und für sich blind. Die Art und Weise, wie der Künstler das Wesen und die Aufgabe der Kunst auffasst, wird nun bewusst oder unbewusst auf seine Produktion einen Einfluss haben und bald in einem höheren, bald im einem geringeren Grad die Richtung derselben bestimmen.

Dass dem auch wirklich so ist, lehrt schon ein flüchtiger Blick auf die allgemeine Kunst- und Litteraturgeschichte. Wie wäre es sonst zu erklären, dass zu einer Epoche in der Kunst der Klassizismus fast allein herrscht, zu einer anderen der Romantismus, zu einer dritten der Naturalismus oder Symbolismus u. s. w.? Könnte die künstlerische Schaffenskraft sich zu verschiedenen Zeiten so widerspruchsvoll ausdrücken, dass ihre Ausdrucksweisen sich gegenseitig aufheben und für unberechtigt erklären? Das ist nicht möglich. Die künstlerische Schaffenskraft bleibt sich alle Zeiten hindurch gleich. Aber was sich ändert, ist die Auffassung der Menschen von dem Wesen und der Aufgabe der Kunst. Und die im Laufe der Zeiten entstandene Kunstproduktion selbst giebt eben ein ziemlich treues Bild von den Schwingungen und Schwankungen, die die Auffassung der Menschen von dem Wesen und der Aufgabe der Kunst durchgemacht hat. Denn ebenso wenig wie die anderen Menschen, bleiben

auch die Künstler nicht unberührt von den Theorien von dem Wesen und der Aufgabe der Kunst, die zu ihrer Zeit herrschen. Und welchen Standpunkt sie auch in diesen theoretischen Fragen einnehmen, immer wird derselbe bewusst oder unbewusst auf ihre Produktion mehr oder weniger einwirken. Deshalb ist man berechtigt zu sagen, dass die Kunstphilosophie für den Künstler noch eine besondere Bedeutung hat und durch ihn auch auf die Kunst selbst ihren Einfluss ausübt. Ausserdem ist noch zu beachten, dass nicht alle kunstphilosophischen Theorien gleich gut und gleich richtig sind, sondern die eine Theorie ist geeignet die Kunstproduktion in guter und gesunder Richtung zu leiten, die andere dagegen kann die Kunstproduktion auf falsche Wege lenken und in krankhafter und verderblicher Weise beeinflussen. Die Konsequenzen können dann in Anbetracht der grossen Bedeutung der Kunst höchst verderblich für das ganze Geistesleben der betreffenden Zeit werden. Darum ist es von so ungemein grosser Wichtigkeit in diesen Fragen ernsthaft nach einer richtigen Auffassung zu streben, und deshalb hat die Kunstphilosophie als Wissenschaft eine so sehr hohe Bedeutung.

Damit glauben wir nun den Begriff der Kunstphilosophie im Wesentlichen klar gemacht zu haben. Aber dennoch ist unsere Aufgabe noch nicht vollständig gelöst. Eine befriedigende Begriffsanalyse besteht näml. nicht nur darin, dass man den betreffenden Begriff inhaltlich beschreibt, sondern oft ist es sogar wichtiger denselben von seinen Grenzbegriffen zu unterscheiden, besonders von denjenigen, mit denen er am leichtesten verwechselt werden kann. In dieser Hinsicht haben wir nun drei Betrachtungen anzustellen. Wir müssen das Verhältnis der Kunstphilosophie 1) zur Theorie der Künste, 2) zur Geschichte der Künste und 3) zur Aesthetik näher ins Auge fassen.

Was den ersten Punkt betrifft, so giebt derselbe zu keinen langen Auseinandersetzungen Anlass. Die Theorie der Künste hat die Aufgabe die speziellen Gesetze

zu ermitteln, nach denen das Schaffen in den verschiedenen Kunstgattungen, von den Ausdrucksmitteln einer jeden abhängend, vorsichgeht. Die Theorie der Künste beschäftigt sich also eigentlich nicht mit der Kunst, sondern mit den Künsten. Sie hat es überhaupt mit solchen Fragen zu thun, deren Lösung für unsere Weltanschauung und Lebensführung von keiner wesentlichen Bedeutung ist. Die Kunstphilosophie dagegen fasst nicht die einzelnen Künste, sondern die Kunst als Totalerscheinung ins Auge und betrachtet dieselbe, so zu sagen, aus der Vogelperspektive. Da kommen nur solche Kunstfragen zur Behandlung, die eine solche Tragweite haben und so allgemein sind, dass sie Weltanschauungsfragen genannt werden müssen und auf unsere Lebensführung einen fühlbaren Einfluss haben. Doch schliessen die Kunstphilosophie und die Theorie der Künste einander keineswegs aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Die Theorie der Künste würde ohne Abschluss, so zu sagen, ohne „Krone" bleiben, wenn nicht eine noch höhere theoretische Betrachtung die Kunst als Totalerscheinung ins Auge fasste. Und die Kunstphilosophie würde wiederum in der Luft schweben, allzu allgemein und abstrakt sein, wenn nicht die einzelnen Künste durch genaue Einzeluntersuchung in den Details schon verständlich gemacht worden wären.

Das Verhältnis der Kunstphilosophie zu der allgemeinen Geschichte der Künste sollte eigentlich auch nicht verwickelter sein. Dass eine philosophische Betrachtung der Kunst eine historische Betrachtung derselben nicht überflüssig machen kann und will, sondern im Gegenteil eine solche als ihre Ergänzung und ihr Korrektiv notwendig braucht, ist leicht einzusehen. Ebenso verständlich ist es aber auch, dass einer wirklich historischen Kunstbetrachtung nicht mit einer blossen chronologischen Aneinanderreihung von geschichtlichen Thatsachen Genüge geleistet wird, sondern dass eine Würdigung hinzukommen oder eigentlich auch schon in einem gewissen Sinne vorangegangen sein muss. Eine solche Wür

digung setzt aber schon kunstphilosophische Erwägungen voraus, oder muss wenigstens zu solchen führen.

In der allerletzten Zeit ist aber die historische Kunstbetrachtung in einem gewissermassen neuen, ausgedehnteren und prägnanteren Sinne erfasst worden. Von vielen Seiten hat man die Forderung ausgesprochen, dass die historische Kunstbetrachtung sich viel weiter in die Vergangenheit erstrecken müsse, als es bis jetzt geschehen ist. 1) Man müsse bis zu der vorhistorischen Zeit hinabsteigen. und die allerfrühesten Anfänge der künstlerischen Thätigkeit erforschen, wobei man sich hauptsächlich auf die Ethnologie stützen müsse. Also nicht nur geschichtlich in dem beschränkten Sinne, sondern entwicklungsgeschichtlich müsse die Kunst untersucht werden. 2)

Gegen diese Forderung als solche ist auch nichts einzuwenden. Es ist ja ganz natürlich, dass unsere Auffassung von dem Wesen und der Aufgabe der Kunst die Möglichkeit hat desto richtiger, tiefer und vielseitiger zu werden, je grösser und vielseitiger unser Erfahrungsmaterial ist. Es ist eine Thatsache, dass man bis jetzt diejenigen Anfänge der künstlerischen Thätigkeit, welche durch die ethnologische Sammel- und Forschungsarbeit zugänglich gemacht worden sind, nicht genügend beachtet und verwertet hat. Deshalb hat man allen Anlass gehabt, darauf hinzuweisen.

Aber wie es gewöhnlich geht, wenn man einen ganz berechtigten Gesichtspunkt hervorheben will, so ist auch in diesem Fall in Verbindung mit dieser Forderung und zur Begründung derselben vielerlei Anderes gesagt und

1) Als Vertreter dieser ethnologischen Richtung sind zu nennen: Ernst Grosse (Ethnologie u. Aesthetik. Vierteljhrschr. f. w. Phil. XV S. 392. „Anfänge der Kunst“ 1894); Yrjö Hirn (Förstudier till en Konstfilosofi på psykologisk grundval. Helsingfors 1896; The Origins of art. London 1900; Karl Groos, Konrad Lange, H. R. Marshall (Aesthetic. Principles. New-York 1901) u. s. w.

2) Vgl. K. Lange, Gedanken zu einer Aesth. auf entwickelungsgeschichtl. Grundlage. Z. f. Ps. XIV S. 242-273.

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