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den Schulunterricht ist er nicht zu billigen, einmal, weil die Arbeit, die er den Schülern auferlegt, weder aus Liebe übernommen wird noch durch Nothwendigkeit geboten erscheint, und dann weil die Gründlichkeit, die man vielleicht beabsichtigt, nur scheinbar ist: wahre Gründlichkeit würde in den älteren Perioden zu lange verweilen müßen, wahre Gründlichkeit ist auch bei späteren Zurückforschungen möglich, wahre Gründlichkeit besteht darin, einen Grund der Liebe und Achtung im Gemüth zu legen und den Schüler dadurch, daß man ihn in einem beschränkteren Gebiete heimisch macht, vor dem Zerflattern seiner Kräfte und dem Geschmack an bloßer Wißerei zu bewaren.

Da ein mittelhochdeutsches Lesebuch für Schulen nicht die ganze Literatur dieser Periode enthalten kann, so entsteht die Frage um das Maß der Auswahl. Bei dieser wird der Gegenstand wie der Schüler gleich sehr in Betracht kommen. Die mittelhochdeutsche Literatur ist aber gerade um deswillen eine klassische, weil sie nicht den Reflex eines einmal dagewesenen poetisch und sittlich großartigen Zeitalters oder das Verlangen darnach ausdrückt, sondern aus einem solchen Leben selbst hervorgegangen, aus einem in den herlichsten Anschauungen befangenen, von den kräftigsten Vorurteilen, wie ein gesunder Organismus sie nur erzeugen kann, genährten Leben. Wir werden also nicht in die Verlegenheit kommen, nach Unbedeutendem greifen zu müßen, weil sich poetisch Bedeutendes, das lebendigen Inhalt hätte oder ohne sittlichen Makel wäre, nicht fände. Aber es findet sich Bedenkliches, das, wie man auch von verschiedenen Standpunkten darüber urteilen möge, in die Schule nicht gehört. Zu schwer für Schulen dagegen, wofür man die Werke eines andern großen Dichters halten könnte, erscheint mir nichts, und ich würde den Parcival zu lesen für so nothwendig halten wie das Nibelungenlied, wenn es durch eine zweckmäßige Einrichtung möglich zu machen wäre. Was uns im polarisierten Lichte der modernen Anschauung leicht erscheint, weil wir es derselben entsprechend finden, das sollen wir, frei von dieser Täuschung, mit größerer Anstrengung auf den Fruchtboden des mittelaltrigen Lebens zurückversetzen und es dort zu verstehen suchen. Das scheinbar Leichte wie das scheinbar Schwere zu entwickeln ist die Sache des Lehrers, und wo nicht ein moderner Raisonneur, sondern ein verständiger Mann, ein bescheidener mhd., den Unterricht leitet, da wird die Literatur des Mittelalters nicht chter und nicht schwerer erscheinen als das Mittelalter selbst, dessen Geschichte ja weder aus dem einen noch aus dem andern Grunde vernach läßigt werden darf.

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Die directe Einführung in die germanistischen Studien durch das Lesen mittelhochdeutscher Sprachdenkmähler auf Schulen fällt jedesfalls in die oberste Klasse der Gymnasien oder derjenigen Realschulen, die ihnen gleichstehen; in welchen Stücken und in welcher Weise der Unterricht in den früheren Klassen dazu vorbereitend ist, kann hier nicht entwickelt werden. Nur darauf wollte ich aufmerksam machen, daß das Lesen des Bedeutenden nicht vorbereitet werden dürfe durch das Lesen des Unbedeutenden, geschehe es nun in derselben obersten Klasse oder eine Klasse tiefer; wir haben weder Zeit genug zu einem solchen Verfahren, so daß der Schüler Gefahr laufen könnte, nie zu dem Bedeutendern zu kommen, noch möchte sich überhaupt ein haltbarer Grund dafür finden laßen. Auf den Unterschied, der für den Schüler in dieser Beziehung zwischen der mittelhochdeutschen Sprache und Literatur und der lateinischen oder griechischen statt findet, ist schon hingewiesen worden; niemand wird etwa die Ansicht zu rechtfertigen versuchen, daß man den Schüler zuerst nach einem Lesebuch unterweisen müße, das im vierzehnten Jahrhundert etwa den Werth jener neuhochdeutschen für Kinder eingerichteten Lesebücher gehabt hätte, die absichtlich an allem Schönen und Erhabenen, als für die Schüler zu schwer, vorübergehen. Wer mich fragte, was ich denn bedeutend für Schüler nenne, dem würde ich, um alle unpraktischen Erörterungen zu vermeiden, einfach antworten: alles, was ich für werth erachte, daß es die Schüler auswendig lernen. Denn ich habe, so lange ich diesen Unterricht leite, immer viel auf Auswendiglernen gehalten, aber in Betracht der kurzbemeßenen Zeit lieber Stücke aus dem Nibelungenliede, Lieder von Walther v. d. Vogelweide, Sprüche aus dem Fridank oder dergl. gewählt, als Anderes, das für immer zu behalten den Werth nicht hat, weil es aus dem Schatz der Erinnerung hervorgeholt, dem Geiste keine Beschäftigung, der fortbildenden Liebe keine Nahrung gibt.

Ein wesentlicher Grundsatz bei der Zusammenstellung eines guten Lesebuchs für Schulen, auch eines mittelhochdeutschen, ist der, überall nur Ganzes, in sich Abgeschloßenes, nicht unverständliche Stücke eines Ganzen zu geben. Dadurch ist man freilich genöthigt, große Dichter, wie Wolfram, ganz auszuschließen; allein so sehr dieß zu beklagen ist, so gewährt es doch auch eine große Freude, zu wißen und zu lehren, daß es jenseits des Lesebuches oder neben demselben noch eine Welt voll erhabener und anmuthiger Dichtungen gebe, die zur Privatlectüre empfohlen werden können oder des Schülers in späterer Zeit warten. In Beziehung auf das Nibelungenlied, das ich, von

jenem Grundsatze geleitet, ebenfalls hätte ganz mitteilen oder ganz ausschließen müßen, ist es ein nicht hoch genug anzuschlagendes Vorrecht, daß wir es in Folge der Lachmannschen Aufschlüße stückweise geben dürfen ; für die Universität bleibt die kritische Behandlung des ganzen. Ich lege es hier in einer Gestalt vor, in welcher ich es zwölf Jahre lang mit Schülern gelesen und im Jahre 1844 zur Herausgabe vorbereitet; darauf beziehen sich die Worte in der Vorrede zur vierten Auflage meiner Auswahl deutscher Gedichte. Die Zwischenerzählungen, durch welche die aufgenommenen Teile verbunden werden, haben mir Gelegenheit gegeben, aus den weggelaßenen Stücken doch hie und da einzelne bemerkenswerthe Stellen mitzuteilen. Daß die von mir gemachten Einteilungen nicht überall mit den Lachmannschen stimmen, hat großenteils in pädagogischen Rücksichten, die ich nehmen mußte, seinen Grund; im Anfange habe ich Strophe 2-6 stehen laßen, weniger aus Nachfolge W. Müllers, als weil ich mir dadurch fast eben so viel einleitende Worte erspart, die sich bei der Existenz dieser Strophen übel ausgenommen hätten. Auch andere Abweichungen im Kleineren bitte ich den Meister, nachsichtiges Auges ansehen zu wollen.

Es ist ein gutes Geschick, daß wir gerade von dem Dichter, dessen Werke sich gleich sehr durch sittliche Reinheit wie durch Sanftheit und Maß der Darstellung auszeichnen, in dem armen Heinrich ein Gedicht von so geringem Umfange besitzen, daß dasselbe unverkürzt in jedes Lesebuch aufgenommen werden kann. Ich bedauere, daß ich mich habe abhalten laßen, Konrads Otto mit dem Bart hinzuzufügen; doch ist es auch gut, dieses einzige unter den kleineren erzählenden Gedichten, das sich für die Schule eignet, zu gelegentlichem Vorlesen übrig zu behalten.

Was die Lieder betrifft, so hatte ich den Grundsatz, nur Ganzes mitzuteilen, hier noch auf höherer Stufe in der Art geltend zu machen beschloßen, daß sich in der Auswahl das Bild der ganzen mittelaltrigen Lyrik in seinen Grundzügen darstellen sollte. Aber es blieben mir zwei Wege, auf denen ich dieß zu erreichen suchen konnte und die beide, wenn nur Kenntnis, Geschmack und pädagogischer Takt nicht fehlen, in unsern Tagen gleich bequem eingeschlagen werden können: der eine durch eine Auswahl aus den sämtlichen auf uns gekommenen Liedern der Zeit, unter Mitberücksichtigung der Beziehungen der Dichter zu einander, der andere durch Beschränkung der Auswahl auf ein besonders reiches Dichterleben, in welchem die Zeit ihren vollesten Ausdruck gefunden. Ich habe mich nach längerem Schwanken für

den letzten Weg als den einfacheren und der Eitelkeit weniger Vorschub leistenden entschieden und in Walther von der Vogelweide ein solches Bild zu geben versucht. Einige Lieder von Hartmann sollten den Verfaßer des armen Heinrich auch als Liederdichter zeigen, einige von Reinmar sind seiner nahen Beziehung zu Walther wegen aufgenommen, um alle drei schlingt ihre Teilnahme an den Kreuzzügen ein gemeinschaftliches Band. Wer sich für überzeugt hält, daß Nro. 25 nicht von Reinmar ist und Nro. 52 nicht von Walther, der wolle diese kritischen Mängel meiner Auswahl entschuldigen. Für diejenigen, welche nicht wißen, daß in damaliger Zeit Liedern keine Ueberschriften gegeben wurden, muß ich bemerken, daß die, welche sie in meinem Buche finden, von mir herrühren.

Ob ein Auszug aus Fridanks Bescheidenheit, wie ich ihn gegeben, zuläßig sei, wird von der Ansicht abhängen, die man sich über Entstehung und Zweck des Ganzen, vor Allem über sein Verhältnis zur Volkspoesie, namentlich zum Sprichwort bildet. Ich habe bei meiner Arbeit Bezüge dieser Art vielfältig im Auge gehabt. Wie oft lehrt uns Fridank jene große Wahrheit, daß deutsches Denken und Dichten gleich der Sprache ein sich vererbendes ist, ein Kreißlauf von Herz zu Herzen, mit lebendigem Pulsschlag, der jedem Einzelnen das Wort, das auch alle Andern wißen, auf die Lippen legt. Daß der Fridank auch mit um deswillen in die Schule gehört, davon bin ich fest überzeugt. Es gibt dem Schüler zu denken, wenn er den Spruch S. 218, 23

Merket, swer vür dem andern bite,

sich selben læset er då mite.

mit der Einführung „man seit“ bei Hartmann S. 131, 27 findet:

man seit, er sî sîn selbes bote,

unde erlæse sich dâ mite,

swer über des andern schulde bite.

Oder wenn der Spruch S. 224, 13

Diu kerze lieht den liuten birt,

unz daz si selbe zaschen wirt.

bei Hartmann S. 132, 103 also verwendet erscheint:

des muge wir an der kerzen sehen

ein wârez bilde geschehen,

daz si zeiner eschen wirt

en mitten dô sî lieht birt.

Ferner wenn es Walther in der dritten Strophe von Nr. 48 eine alte Lehre nennt, der er folgen wolle:

Ich enwil niht werben zuo der mül,

dâ der stein sô riuschent umbe gåt

und daz rat so mange unwise hât.
merkent wer då harpfen sül.

und diese alte Lehre im Fridank S. 234, 25 also lautet:
Mich dunket niht daz ieman süle

ze lange harpfen in der müle.

Und so weiter in die neuere Zeit hinein, wenn der Spruch S. 240, 35
Daz jár gât hin, der tôt gât her:

der widerseit uns âne sper.

unter einem geistlichen Liede, das ich um das Jahr 1510 setze, in folgender Form erscheint :

Hin gêt die zeit, her komt der tôt:

tuo allzeit recht, daz ist dir nôt.,

und dann wieder zwei hundert Jahr später in derselben Form zu Anfang des Liedes der Gräfin Emilie Juliane von Rudolstadt:

Wer weiß, wie nahe mir mein ende!

hin geht die zeit, her komt der tod..

Oder wenn Fridank S. 215, 9 sagt:

Si jehent, ez sî der sêle leit,

swâ si der lip ze sünden treit:
wær diu sêle ân schulde,

si verlür niht gotes hulde.,

und Hamann, Brocken §. 9:

Der Leib ist das Kleid der Seele. Er deckt die Blöße und Schande derselben. Diese Nothdurft unserer Natur hat uns erhalten, unterdessen höhere und leichtere Geister ohne Rettung fielen.

Wie abscheulich würde vielleicht der Mensch

sein, wenn ihn der Leib nicht in Schranken hielte.

So wenig also der Fridank in meiner Arbeit fehlen durfte, so wenig durfte es der fünfte Abschnitt derselben, der die Prosa enthält. Es ist ein großes Vesdienst Franz Pfeiffers, daß er uns mit den deutschen Schriften Davids von Augsburg bekannt gemacht; schwerlich wird sich jemand weigern, dieselben zu dem Schönsten zu zählen, was je in dieser Art geschrieben

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