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Vorrede.

Seit der Unterricht in der Muttersprache nicht mehr auf die bloße Anweisung im Lesen und Schreiben beschränkt sein wollte, sondern auch die späteren Stufen des Schullebens mit Erfolg in Anspruch nahm, ward ihm auf diesen von den verschiedenen Stimmführern eine sehr verschiedene Stellung angewiesen. Jeder hatte andere Ansichten, andere Absichten; überall Schwankendes, Unbestimmtes, Widersprechendes; dennoch, wem die Schule nicht gleichgiltig war, der fühlte, daß es sich hier um eine sehr bedeutungsvolle Neuerung handelte. In dem Kampfe, der sich entspann, war Geschick und Klarheit auf Seiten der Gegner, auf Seiten der Neuerer aber bei regellosem Fechten und dem Mangel aller Einheit doch das unbesiegte Gefühl des Rechts, das Vorgefühl zukünftigen Sieges.

Der Kampf ist noch nicht ausgefochten; die Lehrer des Volkes laßen ihn nicht fallen, am wenigsten dann, wenn sie begreifen, daß derselbe nur ein Teil der großen Schlacht ist, die auf allgemeinerem Gebiet geschlagen wird. Ueberzeugt, daß es der Partei der Muttersprache vor allem an klarer Erkenntnis dessen fehle, was sie eigentlich wolle, daß es ihr Noth thue, sich des Princips, das sie treibt, lebendig bewußt zu werden, und, indem sie den unerkannten Versündigungen an demselben, jenen eitlen, dunklen, widersprechenden Versuchen willig entsage, sich um eine große, Alles umfaßende und Alles läuternde Idee zu vereinigen, erlaubte ich mir vor sieben Jahren darauf hinzuweisen, daß diese gefunden wäre, wenn man zum alleinigen Gegenstand des Unterrichts in der Muttersprache die Nationalliteratur machte, und an dieser, durch diese und zu dieser die Schüler leitete.

Der

Damals war von Schülern bis zum vierzehnten Jahre die Rede. vorliegende Versuch eines für die oberste Schulklasse bestimmten mittelhoch

deutschen Lesebuchs gestattet und fordert nunmehr den rückhaltslosen Ausdruck meiner Ueberzeugung: der Unterricht in der Muttersprache auf höheren Schulen hat die Einführung des Schülers in die germanistischen Studien zum Zweck.

Das ist die leitende Idee für Alles, was in diesem Unterricht geschieht, aus der Alles hervorgehen muß, Lehre und Aufgabe und jede Uebung, und die keine andere neben sich duldet, durch alle Klassen einer vollständigen Schule, von Anfang bis zu Ende.

Die Besprechung dieses Satzes, welche teils auf pädagogische Fragen von allgemeiner Natur, teils im Besonderen auf das Verhältnis unserer Literatur zu Volk und Schule, namentlich zu einer Schule der Zukunft, an die ich glaube, sich erstrecken müßte, kann, wie ein Versuch mich gelehrt, in einer Vorrede nicht schicklich erledigt werden; ich beschränke mich deshalb auf einen vorsichtigen aphoristischen Auszug aus jenem Versuch, indem ich mir die ausführlichere Abhandlung für einen andern Ort und eine andere Zeit vorbehalte.

,,Die Untersuchung des Begriffs wahrer Bildung führt auf einen Gegensatz, der, wenn wir an die zugestandene Unterscheidung von Volkspoesie und Kunstpoesie anknüpfen, als Gegensatz zwischen Volksbildung und Kunstbildung bezeichnet werden kann.

Kunstbildung kann nur in ihrem Verhältnis zur Volksbildung begriffen werden; eine Culturgeschichte oder Geschichte der Pädagogik, die von Volksbildung nichts weiß, ist nicht im Stande, die Thatsachen der Kunstbildung zu würdigen.

Jener Gegensatz ist in Deutschland von ganz besonderer Bedeutung, sowohl wegen der ursprünglichen Kraft der Volksbildung und der jetzigen Höhe der Kunstbildung, als wegen der Reaction, mit welcher die Volksbildung anfängt sich der Kunstbildung zu erwehren.

Die Kunstbildung als die herschende hat die große Aufgabe der Regeneration des Volkes zu lösen; sie muß zu dem Ende einerseits ihren zersetzenden Einfluß auf den Bestand der Volksbildung aufgeben, andererseits eine Revision ihrer eigenen Principien vornehmen.

In drei großen Erscheinungen ist eine neue Periode deutscher Kunstbildung angekündigt: in dem Aufblühen der germanistischen Studien, in dem Aufkommen der Naturwißenschaften und in dem Wiederaufkommen wahrer Theo

logie; die Periode, da der Gegensatz aufhören und die Kunstbildung bloß eine Steigerung der Volksbildung sein wird.

Soll den germanistischen Studien ihre Mission gelingen, so müßen sie in dem Geiste, der sie eingeführt, in dem Geiste der anbrechenden Periode, nicht der zurückgelegten, behandelt werden.

Der Geist, der sie eingeführt, war der Geist des Glaubens, der Liebe und der Hoffnung, der nach der Schlacht bei Jena sich auf Männer, wie Achim von Arnim und die Gebrüder Grimm niederließ, und sie zur Pflege der versäumten oder verkannten Lebenswurzeln des Volkes, zur Stärkung seines historischen Bewußtseins antrieb.

Männer, von denen nicht bloß dieses oder jenes berühmte Werk ausgegangen, sondern die ein großes alle ethischen Wißenschaften reformierendes Princip zur Wirksamkeit gebracht und an die Durchführung desselben auf deutschem Gebiete mit deutschem Fleiß und deutscher Treue ihr Leben gesetzt, diese ehrt man nicht durch Nennung ihrer Namen, was so oft aus Eitelkeit oder Misverstand oder als Schild geschieht, sondern durch Nachfolge. Du mußt von ihnen nicht allein die Erfolge ihres Fleißes, die Früchte ihres Geistes, sondern ihren Fleiß und ihren Geist selbst gelernt haben: daß nicht Zweifel, sondern Liebe und Vertrauen der Anfang aller Wißenschaft ist, daß Sprache, Sitte und Recht, Dichtung und Weisheit eines Volkes nicht Schulkenntnisse, auch nicht Errungenschaften, sondern Erbgüter sind, die den Bestand des Volkes bilden und die nur in dieser Bedeutung werth sind, daß wir sie studieren. Anders bist du ein tönendes Erz oder eine klingende Schelle. Von ihren ersten Kundgebungen im Jahre 1808 an bis zu der heutigen Reife ihres Werkes hat die Gebrüder Grimm der Geist des Glaubens an ihr Volk, der Geist der Liebe zu seinen Zeugnissen, der Geist der Hoffnung auf seine Wiederaufrichtung von Arbeit zu Arbeit, von Erkenntnis zu Erkenntnis getrieben. Und wie die heilige Kraft, mit der sie den Gegensatz gebrochen, die stolze Demuth, mit der sie alle Kunstbildung in den Dienst des den Spuren der Volksbildung nachgehenden Geistes genommen, sie uns zu einem Vorbilde der neuen Periode gemacht, so sollen wir, wir mögen selbst den germanistischen Studien uns zuwenden oder andere in sie einführen wollen, denselben Weg gehen, den sie gegangen: von der Freude an der Volkspoesie, an ihren Sagen, Märchen und Liedern, zu dem Studium ihres Inhalts, ihrer Sprache, ihrer Geschichte.

Die germanistischen Studien haben dieß mit den naturwißenschaftlichen

gemein, daß ihnen eine unmittelbare Vertrautheit mit dem Gegenstande durch Gefühl und Gewöhnung vorangeht, daß in dem Kreiße, in welchem die Liebe das Studium, das Studium die Liebe hervorruft, diese die Anfängerin ist, während es sich bei fremdartigen Studien umgekehrt verhält.

Den Anfang germanistischer Studien macht jeder da, wo seine Liebe zu besonderen Altertümern des Volkes ihn hinweist: von Seiten des Glaubens oder der Sprache, von Seiten der Poesie oder der bildenden Kunst, von Seiten der Sitten oder des Rechts. Die Meisten gehen durch das Allen offene Thor der Poesie; wer Geschmack für Reinheit in der Dichtkunst, wer Freude an der Volkspoesie gewonnen, wird auf die mittelaltrige Poesie geführt, als die, welche sich zu der letzten Periode unserer Literatur wie Volkspoesie zur Kunstpoesie verhält und in sich selber diesen Gegensatz zum reinsten Ebenmaße ausbildet.

Denselben Weg hat auch die Schule einzuschlagen, denn nur auf diesem kann der Gegenstand der Betrachtung in jedes Schülers Händen sein. Die Grundbedingung aber, daß der Gegenstand dem Schüler Vertrauen und Liebe einflüße, findet bei der edeln, einfachen Wahrheit, bei der hohen Schönheit mittelaltriger Poesie in vollem Maße statt; es ist nicht anders möglich: die Edelsteine deutscher Dichtung und Weisheit müßen den Schüler reizen, er muß an ihnen Freude gewinnen, trotz dem, daß die Sprache nicht mehr die seinige ist. Denn einerseits ist sie nicht so fremd, daß sie ihm den Stern der Poesie verhüllte oder ihn ohne Verheißung ließe, andrerseits kommt bald Schweres genug, je länger je mehr, das Arbeit fordert: aber seine Liebe und der Stern laßen sie ihm wohl gelingen. Mir scheint, daß diese drei: ein Stern und Liebe und Arbeit, die den Menschen bilden, hier aufs schönste beisammen sind."

Nach meiner Ueberzeugung sollte man sich in der Schule auf das Mittelhochdeutsche beschränken, die älteren Perioden aber der Universität oder dem Privatstudium überlaßen. Die Schule, welche Vieles zu berücksichtigen hat, kann dem Gegenstand die Zeit nicht zuwenden, die nöthig wäre, um nach dem Mittelhochdeutschen auch das Althochdeutsche, Altsächsische und Gothische gründlich zu lesen und zu lernen. Ein ganz Anderes ist es wieder, wenn man mit den älteren Perioden anfängt und das Mittelhochdeutsche erst da, wo es der Zeit nach erscheint, eintreten läßt: man führt auf diesem Wege in die germanistischen St dien nicht von Seiten der Poesie, sondern von Seiten der Sprache ein. Diesen Wey mögen Einzelne für sich, als den ihnen gewiesenen, eingeschlagen haben, für

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