Welche Aufnahme hat nun aber unsere auf dem klaren Schriftwort gegründete Lehre und Praxis gefunden? Was hat die Welt, was haben die andern kirchlichen Gemeinschaften, ja was haben selbst viele, die mit uns den Namen Lutheraner führen, über unsere Lehre und Praxis geurtheilt? Ift man etwa in hellen Haufen uns zugefallen, und hat man mit uns „einträchtiglich nach reinem Verstand das Evangelium gepredigt und die Sacramente dem göttlichen Worte gemäß gereicht"? Weit entfernt davon. Was man einst von den ersten Christengemeinden sagte: „Von dieser Secte ist uns kund worden, daß ihr wird an allen Enden widersprochen", das hat auch unsere Synode erfahren müssen bis auf diesen Tag. Wo immer hüben oder drüben ihr auf Gottes Wort gegründetes Zeugniß erschollen ist, da ist auch alsbald und allezeit lauter und entschiedener Widerspruch gegen uns und unser Zeugniß in der verschiedensten Weise erhoben worden. Man hat es entschieden in Abrede gestellt, daß wir in der That und Wahrheit Glieder der wahren Kirche Christi sind, man hat energisch widersprochen, daß wir die irrthumslose Wahrheit hätten, man hat es geleugnet, daß wir wahrhaft frei seien. Von dem Widerspruch, den die päbstliche Kirche allezeit gegen unsere Lehre erhoben hat, ist nicht nöthig viel zu sagen. Der Antichrist zu Rom hat die ganze christliche Religion umgestürzt und an deren Stelle eine ganz neue Lehre gesezt. Er hat die Sacramente Christi verkehrt und verstümmelt und neue sogenannte Sacramente erdichtet. Er hat den gemeinen Christenstand für einen unheiligen weltlichen Stand erklärt und neue angeblich hei= lige Stände und Orden aus seinem Gehirn ersonnen und gestiftet. Er hat das alleinseligmachende Evangelium als gottlose Keßerei verflucht und verdammt, und damit niemand den Betrug merke, den Laien das Wort Gottes in ihrer Muttersprache zu lesen verboten. Darf es uns da wundern, wenn dies Kind des Verderbens und seine treuen Anhänger unsere auf Gottes Wort gegründete Lehre verwerfen und uns die wahre Jüngerschaft Christi absprechen? Wahrlich, es müßte uns befremden, wenn der Pabst und seine Anhänger über treulutherische Lehre und Kirche anders urtheilten, als sie wirklich thun. Wie steht es nun bei den sogenannten protestantischen Secten? Welche Aufnahme findet bei ihnen eine in allen Punkten auf Gottes Wort gegründete Lehre und Praxis? Dieselben bekennen zwar, wenigstens zum Theil, daß die heilige Schrift Erkenntnißquelle und Regel und Richtschnur des Glaubens und Lebens sei. Aber leider machen sie mit diesem richtigen Grundsah keinen Ernst, sondern folgen ihrer Vernunft in Sachen des Glaubens und nehmen die klaren Aussagen des Wortes Gottes in vielen Punkten der Lehre nicht einfältiglich wie sie lauten an, sondern deuten dieselben um, wie ihre blinde Vernunft ihnen eingibt. Darum ist die Lehre des Wortes Gottes, wie wir dieselbige führen, den Secten ein Greuel. Ihr Widerspruch gegen dieselbe ist ein lauter und entschiedener. So oft ihnen ein klares Gotteswort vorgehalten wird, gehen sie an demselben gleichgültig vorüber. Sie bleiben nicht bei dem Wort Christi, und halten alle, die dies thun, für todte Buchstäbler“, denen das nach ihrer Meinung eigentliche Kennzeichen der wahren Jünger JEsu, der „Geist“, fehle. " So beklagenswerth es ist, daß die aus dem lauteren Brunnen Israels geschöpfte Lehre des Glaubens und Lebens von so vielen, die den Christennamen tragen, verworfen wird, so ist doch das noch viel mehr zu beklagen, daß selbst in solchen Theilen der Kirche, welche sich noch lutherisch nennen, die eine, ewige Wahrheit des Wortes Gottes ein Zeichen ist, dem widersprochen wird. Aber leider haben wir von Anfang an bis auf diesen Tag diese traurige Erfahrung machen müssen. Weil wir nämlich die Lehre, die wir auf unsern Kanzeln, Schulen und in unsern Publicationen führen, und die nichts anderes ist als das klare und unfehlbare Wort des HErrn selbst, als die in allen Punkten reine göttliche Wahrheit anpreisen, so erfahren wir gerade aus diesem Grunde von solchen, die sich lutherisch nennen, viel Widerspruch. Man will uns wohl als Vertreter einer besonderen Richtung" in der Kirche passiren lassen, ja man spendet uns als Solchen hie und da nicht wenig Lob. Aber daß wir die irrthumslose Wahrheit durch Gottes Gnade zu haben beanspruchen, das erscheint vielen Namenlutheranern hüben und drüben als eine unerträgliche Anmaßung. Man behauptet nämlich, die Kirche JEsu habe nicht die Aufgabe, eine bereits gefundene abgeschlossene Wahrheit zu verkündigen, sondern die Wahrheit als einen noch verborgenen Schaß erst zu suchen. Daher erklärt man denn auch, selbst unter denen, die sich lutherisch nennen, Lehren, die entweder klar in Gottes Wort enthalten sind oder die dem klaren Wort Gottes widersprechen, für offene Fragen, über welche man innerhalb der Kirche ganz wohl verschiedener Meinung sein könne. Dieser Geist des Zweifels, der Ungewißheit, der Meinungen, der offenen Fragen und des ewigen Suchens nach Wahrheit kann aber unfern Geist der Wahrheit und Gewißheit, der sich ohne Furcht des Irrthums auf Gottes klares Wort verläßt, nicht leiden. Ja, während die Namenlutheraner oft selbst gegen offenbare Verstörer der Kirche ganz gleichgültig sind und dieselben ungewehrt ihr seelenverderbliches Werk in der Kirche treiben lassen, sind sie voll Bitterkeit und Feindseligkeit gegen diejenigen, die ohne Wanken bei JEsu Wort bleiben, und die damit Ernst machen und durch nichts sich davon abbringen lassen wollen. Endlich sind es auch noch die Kinder dieser Welt, die unserer auf Gottes Wort gegründeten Lehre entschiedenen Widerstand entgegenseßen. Die Welt, die im Argen liegt, und die nichts vernimmt vom Geist Gottes, jagt und rennt unaufhörlich nach Freiheit. Aber, was ist das für eine Freiheit? Es ist eine Freiheit des Fleisches, bei der die Seele in der schmachvollsten Sclaverei der Sünde steckt und die endlich in das ewige Verderben stürzt. Es kann darum nicht anders sein, als daß die Welt ein festes Hangen an dem Wort JEsu für unerträgliche Knechtschaft und eine lästige Fessel hält, die unter allen Umständen abzustreifen sei. Gottes Wort als klar, fest, gewiß und als irrthumslose Wahrheit predigen ist der Welt eine Thorheit, ein Gegenstand der Verachtung, ja des Hasses und der Verfolgung. So also urtheilen die römische Kirche, die sogenannten protestantischen Secten, Viele, die sich lutherisch nennen, und die Kinder dieser Welt über das, was wir für unsern kostbarsten Schat halten, über unsere in allen Punkten mit JEsu Wort übereinstimmende Lehre. Was sagt nun JEsus Christus, der einige Stifter seiner Kirche, der selbst die Wahrheit ist, und der gekommen ist, die Menschen recht frei zu machen, zu diesem Urtheil unferer Gegner? Gott Lob! sein Urtheil ist ein anderes. Er spricht: So ihr bleiben werdet an meiner Rede, so seid ihr meine rech= ten Jünger, und werdet die Wahrheit erkennen, und die Wahrheit wird euch frei machen." Das Bleiben beim Schriftwort ist also nach Christi klaren Worten der Weg, auf dem wir zur rechten Jüngerschaft JEsu gelangen, die eine, ewige Wahrheit erkennen und endlich wahrhaft frei werden. Es kann ja auch gar nicht anders sein. Gottes reines Wort ist allein der Same, daraus die Kirche geboren wird. Gottes Wort ist die Wahrheit, und nichts denn Wahrheit. Und Christus selbst sagt: So euch der Sohn frei macht, so seid ihr recht frei." Die Freiheit aber, die er bringt, ist Freiheit von Gottes Zorn und Ungnade, Freiheit von der Herrschaft der Sünde, Freiheit von aller Menschenautorität in Sachen des Glaubens und Gewissens, und endlich Freiheit von Tod, Gericht und Verdammniß. Und diese Freiheit erlangen wir durch JEsu Wort. Nur wer bei JEsu Wort bleibt, ist wahrhaft frei. " Wohl uns darum, wenn wir allezeit beim Wort bleiben. Mögen dann die scharfen Augen unserer Gegner immerhin viele Mängel und Gebrechen an uns entdecken, den Ruhm werden sie uns nicht nehmen können, daß wir rechte Jünger JEsu sind, daß wir die irrthumslose Wahrheit besigen und daß wir die einzig wahre Freiheit haben. Laßt uns aber auch insgesammt allen Fleiß anwenden, allezeit bei JEsu Wort zu bleiben. Laßt uns alle wie Ein Mann eifersüchtig wachen über unsere auf JEsu Wort gegründete Lehr- und Glaubenseinigkeit, unter Gebet und Flehen fleißig suchen und forschen in Gottes Wort und in den Zeugnissen der Kirche, damit wir so das Licht, das Gott uns in dieser finsteren Zeit gegeben, so viel an uns ist, verwahren. HErr! erhalte uns dein Wort, dasselbe ist unsers Herzens Freude und Trost. Amen. Lehrverhandlungen. (Referent: Prof. G. Stöckhardt.) Unsere Missourisynode ist eine wahrhaft evangelisch-lutherische Gemeinschaft, denn sie schöpft alle ihre Lehren aus dem flaren Schriftwort. Die wichtigsten Artikel des lutherischen Bekenntnisses sind in neuerer Zeit wieder strittig geworden und werden gerade auch in sogenannten lutherischen Kirchengemeinschaften entweder geleugnet oder grob entstellt und ge= fälscht. Unsere Missourisynode hat seit 50 Jahren im Gegensag zu alten und neuen Irrthümern die alte Wahrheit mit Gottes Hülfe festgehalten, bekannt und vertheidigt. Das verübelt man uns und bezeichnet die Lehre, die wir führen, als Sonderlehre, als „,missourische Lehrstellung". Wir sind überzeugt, daß unsere Lehre, auch in den strittigen Artikeln, auf klaren, gewissen Gründen der heiligen Schrift beruht. Das gilt zu= nächst betreffs der Lehre von der Schrift, von der Rechtfertigung, von der Bekehrung, von der Gnadenwahl. Wir folgen einfältig der heiligen Schrift, wenn wir lehren und bekennen: I. Daß die Schrift Wort für Wort von Gott eingegeben und in allen Stücken unfehlbare Wahrheit ist. II. Daß wir ohne alles eigene Verdienst, aus Gnaden durch Christum vor Gott gerecht und selig werden; daß der Glaube allein uns gerecht macht, aber nur darum, weil er die Gerechtigkeit hinnimmt und sich zueignet, welche Christus allen Sündern erworben und bereitet hat. III. Daß Gott selbst auch den Glauben in uns angezündet hat, daß wir durch Gottes Gnade zu Christo bekehrt und neu geboren sind, ohne unser eigenes Vorbereiten, Zuthun und Mitwirken; daß wir auch aus Gottes Macht im Glauben erhalten und durch den Glauben bewahrt werden zur Seligkeit. IV. Daß Gott unsere Bekehrung, Gerechtigkeit, Seligkeit sich so hoch hat angelegen sein lassen, daß er uns schon vor Grundlegung der Welt aus eitel Gnaden um Christi willen zur Kindschaft und zum ewigen Leben erwählt und verordnet hat, ohne alle Rücksicht auf unser eigenes Verhalten. Das für unsere Lehrverhandlungen gestellte Thema ist der Sah: „Unsere Missouri synode ist eine wahrhaft evangeli s ch lutherische Gemeinschaft, denn sie schöpft alle ihre Lehren. aus dem klaren Schriftwort." Es ist von Alters her Grundsat und Praxis unserer lutherischen Kirche gewesen, daß sie alle ihre Lehren mit der Schrift begründet, ja aus der Schrift als aus dem lauteren Brunnen Israels nimmt und schöpft. Auf der legten Synodalversammlung dieses Districts ist dies näher nachgewiesen worden. Unsere Synode hat von jeher eben diese Regel eingehalten und sich damit als eine wahrhaft lutherische Gemeinschaft erwiesen. Wir machen mit dem Schriftprincip vollen Ernst. Was wir glauben, lehren und bekennen, nehmen wir aus der Schrift heraus, und nehmen die Worte der Schrift, wie sie lauten, und thun nichts dazu und thun nichts davon ab. Das gilt auch insonderheit von den Lehren, welche im Laufe der letzten Jahre und Jahrzehnte durch den Kampf hindurch gegangen sind, über die sich heiße Lehrkämpfe angesponnen haben, die heute noch umstritten sind. Erinnern wir uns zunächst an die kirchliche Lage der Gegenwart. Die wichtigsten Artikel des lutherischen Bekenntnisses sind in neuerer Zeit wieder strittig geworden und werden gerade auch in sogenannten lutherischen Kirchengemeinschaften entweder geleugnet oder grob entstellt und gefälscht. Unser lutherisches Bekenntniß ist bekanntlich aus dem Kampf hervorgegangen. Von jeher hatte sich unsere lutherische Kirche gegen zwei Hauptfeinde zu wehren, die Papisten und die Schwarmgeister, die Reformirten. Schon frühzeitig war papistischer und reformirter Sauerteig in die lutherische Kirche eingedrungen. Schon im Jahrhundert der Reformation waren sogenannte lutherische Lehrer aufgetreten, welche grobe oder feinere calvinistische oder auch papistische Irrthümer in die lutherische Kirche einschmuggeln wollten. Und im Gegensatz hierzu haben unsere lutherischen Väter das, was sie für recht und wahr hielten, in dem Bekenntniß unserer Kirche zum Ausdruck gebracht. Gerade in neuerer Zeit aber, in diesem Jahrhundert werden die vornehmsten Artikel des lutherischen Bekenntnisses wieder angefochten, und das nicht bloß von den Aposteln des Unglaubens, auch nicht bloß von Papisten und Reformirten, sondern auch von sogenannten Lutheranern. Es ist in neuerer Zeit eine Theologie aufgekommen, die als gläubig gelten will, die sich geradezu confessionell-lutherisch nennt, die aber den lutherischen Glauben der Vernunft plausibel machen und mit dem Zeitgeist versöhnen will. Diese Theologie hat den alten Glaubensfäßen die Spitze abgebrochen, hat die wichtigsten Artikel unsers Bekenntnisses entstellt, hat die alten, verworfenen Irrthümer wieder hervorgezogen und denselben eine neue Form gegeben. Professoren der Theologie haben diese neue Weise aufgebracht und sie dann durch Zeitschriften, durch Predigt- und Erbauungsbücher auch dem Christenvolk zugänglich gemacht. Dieses neumodische Lutherthum ist zur Zeit in Deutschland allgemein verbreitet, hat aber auch in hiesige sogenannte lutherische Kirchengemeinschaften Eingang gefunden. |