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zu erbulden, das Schwerste zu wagen? O ihr, die ihr so gern eurer menschenfreundlichen Gesinnungen euch rühmet, bedeutet, wie viel euch noch zu thun übrig ist, um diesen Ruhm mit vollem Rechte zu verdienen. Was ihr bisher Gutes an Andern thatet, sey noch so ehrenwerth das Größte, das Höchste war es nicht. Und daß nicht Jeder, dem die schwerere Aufgabe gestellt wird, sie würdig zu lösen und seine Pflichttreue ftandhaft zu behaupten wiffe, o wie deutlich liegt es am Tage! Wie oft fabet ihr selbst Menschen, die sich Stärke genug zutraueten, die kostbarsten Opfer zu bringen, im Kampfe der Pflicht erliegen, und überwunden von den Versuchungen der Trägheit und des Eigennutzes da zurückweichen, wo gerade die günstigste Ges legenheit vorhanden war, den Ruhm der achten, durch keine Schwierigkeiten zu ermüdenden Nächstenliebe zu erringen!

4. Sließt es aus der Quelle dankbarer Liebe gegen Gott und Jesum?

Die Wohlthat, die der, Samariter dem unter die Mörder gefallenen Wanderer erzeigte, war ein Ausfluß des natürlichen Mitleids, das in jedem nicht ganz vers härteten Gemüthe beim Anblick fremder Leiden rege wird; und ferne sey es, Werken der Liebe, die aus dieser Quelle herrühren, ihren Werth absprechen zu wollen. Aber wenn es die Stimme Gottes, unsers heiligen Gesetzgebers, ist, die uns zuruft: Du sollst deinen Lächsten lieben als dich selbst, so darf die Erfüllung dieser Pflicht nicht unter den unsichern Einfluß eines natürlichen Triebes gestellt feyn, am wenigsten bey uns, denen das noch höhere Gesetz durch die Offenbarung zugerufen wird: Du sollst Gott, deinen Herrn, lieben von ganzem Herzen, von ganzer Seele, von allen Kräften und von ganzem Gemüthe, bey uns, die wir als Jesu Erlösete die unendliche Größe der Liebe Gottes gegen die Menschheit im helleften Lichte erkennen, und in ihm selbst, dem für uns Gekreuzigten, das erhabenste Vorbild der Menschenfreundlichkeit verehren. Oder wie können wir mit wahrhaftigem Glauben ihn unsern Erlöser nennen, wie seiner Liebe uns dankbar freuen und im Genusse ihrer Segnungen und glücklich fühlen, ohne daß unser Herz von der Kraft der Ermuns terung im Innersten durchorungen würde: Hat Gott uns also geliebt, so sollen wir uns auch unter einander lieben? 1 Job. 4, 11. Ist es denn nun in der That so, wie es billig seyn müßte? dringt uns Gottes und Christi Liebe? find die Opfer der Wohlthätigkeit, die wir dem Nächsten Darreichen, Früchte einer christlichfrommen Gesinnung? danach lasset uns fragen, damit wir ihnen nicht einen

höheren Werth beylegen, als sie wirklich verdienen. Ach nur zu leicht bethört uns der Wahn, daß es genug sey, gute Werke zu vollbringen, gleichviel, wie die Quelle beschaffen ist, aus der sie herfließen. Und mögte es nur noch immer reines Mitleid, mögte es Freundschaft, Dank= barkeit, Verwandtenliebe seyn, was bey unsern wohl= thårigen Handlungen zum Grunde liegt! Aber wie oft haben unlautere Triebfedern an der Uebung derselben den größten Antheil! Wie manche unsrer Hülfs- und Diensts Leistungen würde wohl ganz unterblieben seyn, wenn nicht bald die dringende Bitte eines Nothleidenden, bald die Fürsprache eines vielgeltenden Mannes, bald das Beyspiel und die Rücksicht auf das Urtheil der Welt uns dazu bes wogen hatte! Wahrlich, in solchen Erinnerungen, an denen es bey gewissenhafter Selbßiprüfung uns nicht fehlen wird, kann unsere Eigenliebe unmöglich Nahrung finden; demüthigen vielmehr muß uns der Gedanke, daß wir nicht mehr, nicht beffere Früchte der Nächstenliebe brachten, da wir als Jesu Jünger so dringend dazu berufen und mit aller Kraft dazu ausgerüstet waren.

5. Wird fein Werth nicht unverhältnißmåßig hoch von euch angeschlagen?

Zwar sagt Paulus, indem er die Liebe mit dem Glauben und der Hoffnung zusammenstellt, sie sen die größte unter ihnen, 1 Kor. 13, 13; aber offenbar betrachtet er sie hier als die Frucht, die auf dem Boden des Glaus bens und der Hoffnung erwächst, und in so fern ist seine Behauptung unwidersprechlich gewiß. Durchaus falsch indeß würden wir ihn verstehen, wenn wir meynen wollten, er lege dem, was man gute Werke nennt, unbedingt den höchsten Werth bey, so daß darauf im Grunde Alles allein antomme. Das ist der Wahn, den, weil er der Eigenliebe und der Trägheit schmeichelt, leider! nur zu viele Menschen ergreifen und festhalten. Hinweisend auf ihre vermeynten Tugenden und auf ihre eingebildeten Verdienste, fragen fie: Was fehlt uns noch? und wenn man sie an Buße und Glauben, an Heiligung und Gottesdienst erinnert, so denken sie, dessen bedürfe es nicht, um das ewige Leben zu ererben. Nicht also, Chriften! Freuen möget ihr euch immer des Guten, daß ihr mit redlichem Sinne zum Besten Andrer wirktet; aber die Hoffnung eurer Seligkeit dürfet ihr keinesweges daranf gründen; denn wenn ihr alles gethan habt, was euch befohlen ist, ruft uns Jesus zu, so sprechet: Wir sind unnütze, verdienstlose Knechte; wir haben gethan, was wir zu thun schuldig waren. Luc. 17, 10. Das Heil der bessern Welt ist ein Geschenk der freyen Gnade Gottes, das durch unsre Anstrengungen

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nimmer erworben werden kann. Nur ftreben sollen - wir, feiner fähig und würdig zu werden; und dazu gehört, daß wir die dargebotene Gnade heilsbegierig annehmen, daß wir uns züchtigen lassen durch fie, zu verläugnen das ungöttliche Wesen und die weltlichen Lüste, daß wir den neuen Menschen anziehen, der nach Gott geschaffen, und ihm dienen in Heiligkeit und Gerechtigkeit, die ihm gefällig ist. Luc. 1, 74. - Eph. 4, 24. Lit. 2, 11 ff. Ein Zweig dieser Gerechtigkeit, und ein höchst wichtiger, ist die Liebe gegen den Nächsten mit den Früchten des herzlichen Er barmens, der Freundlichkeit, Demuth, Sanftmuth und Geduld, Kol. 3, 12; soll sie aber Gott gefallen, so mụß sie fern seyn von allem selbstgefälligen Dünkel, von aller Eitelkeit und Lohnsucht, ein Werk der reinen kindlichen Liebe gegen Gott und Jesum. So, Chriften, laffet und das Wort auffaffen, das er uns heute zuruft: Gehe hin, und thue desgleichen. So lasset uns Gutes thun, als wir Zeit und Kraft haben, reich werden an guten Werken, gerne geben, behülflich seyn und Schäße sammlen, und selbst einen guten Grund auf das Zukünftige, damit dereinst erfüllt werde an uns die Verheißung: Wer da fået im Segen, der wird auch årndten im Segen. 2 Kor. 9, 6. 1 Tim. 6, 18. f.

Naht denn unsers Lebens Ende,

So befehlen wir den Geist
In des treuen Vaters Hånde,
Hoffend, was sein Wort verheißt.
Dann wird Jesus zu uns sagen:
Was in euren Erdentagen
Dem Geringsten ihr gethan,

Seb' ich mir erwiesen an.

V. d. Pr. Nr. 291. Fern sey's, wenn ich 2c.
Zw. d. Pr. Nr. 329, V. 9. O heilige du selbst ze.
N. d. Pr. Nr. 335, V.5-8. Mitleidsvoll und 2.

305.

Eingang.

Der Zeit, die unaufhaltsam dahin eilt, find auch wir

mit unsern Gedanken und Ueberlegungen zu folgen ge= nöthigt; und wie jeder Tag seine Plage hat, die unsre Sorge in Anspruch nimmt, só führt er auch seine Geschäfte mit sich, die uns zur Arbeit rufen, seine Freuden und Erquickungen, die uns zum Genusse einladen. In der Gegenwart und für sie zu leben, ist unverkennbar unsre Bestimmung. Aber deshalb soll der vorigen Tage und Jahre keinesweges von uns vergessen werden; und die wunderbare Kraft der Erinnerung, mit welcher Gott unsre Seele unter allen lebendigen und empfindenden Geschöpfen ausschließlich begabte, fordert, wie jede andre, eine ge= flissentliche und stets fortgesetzte Uebung. Dieß gilt fogar in Hinsicht auf solche Erlebnisse, die an sich selbst nichts weniger als angenehm und wohlthuend für uns genannt werden können. Wo bliebe die Erweckung zur Demüthigung vor Gott, unserm Herrn und Richter, zum Verlangen nach seiner Gnade, ́zur Erneuerung frommer und heiliger Gelübde, wenn wir nicht oft an die Stunden unsers Lebens zurückdächten, die als traurige Denkmåler unsers Leichtsinns, unfers Undankes, unserer Pflichtvergessenheit, als beschämende Zeugen unserer Schuld und Strafwürdigkeit beym Blicke in die Vergangenheit uns vor Augen treten? Wie viel Antriebe zur dankbaren Anerkennung des Guten, in dessen Besitz wir uns, oft ohne es selbst recht zu wissen, befinden, würden uns fehlen, wenn nicht von Zeit zu Zeit die Erinnerung verfloßner Lage in uns ers wachte, an welchen wir eben diese Vorzüge auf das schmerzlichste vermißten und um Wiedererlangung derselben mit heißer Sehnsucht zu Gott fléheten! Ift denn aber schon bey solchen Erinnerungen der Vortheil, den sie uns gewähren, unverkennbar: so muß er vollends da uns einleuchten, wo es angenehme Erfahrungen find, die das Gedächtniß uns vorführt. Oder wie sollten wir's nicht St. Michaelis 1834.

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als Gewinn betrachten, wenn ein frohes Gefühl, dessen unsre Seele einmal voll war, durch lebendige Vergegenwärti gung der Vergangenheit sich in uns erneuert? Und was bliebe uns doch am Ende von den schönsten · Stunden unsers Lebens, was hätten wir, zumal bey ungünstigen Schicksalswechseln, von den einst genoffenen Wohlthaten Gottes, wenn sie im Fortgange der Zeit völlig aus unserer Erinnerung verschwänden? Nur Menschen von einer ent schieden leichtsinnigen und undankbaren Gemüthsart können es seyn, an welchen Sirachs Ausspruch sich bestätigt: Eine böse Stunde machet, daß man aller Freude vergißt. Sir. 11, 28. Der weise denkende, der von dem Sinne ächter Frömmigkeit durchdrungene Christ macht sichs zu einem eignen Geschäfte, die frohen Erfahrungen seines Lebens seiner Erinnerung stets gegenwärtig zu erhalten; und ganz vorzüglich sind es die Stunden, in welchen'er aus Gefahr und Noth von Gott errettet wurde, deren er gern und oft gedenkt.

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Text: Evang. Luc. 17, 11-19.

Vortrag.

Nicht vergessen sollten wir der Stunden, in welchen Gott uns aus Gefahr und Noth errettete.

I. So fordert es unsre Pflicht.

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1. Wir verrathen sonst einen unwürdigen Leichtsinn. Die Natur des Leichtsinnes ist es, über Alles flüchtig hinweg zu gehen, und nur die Gegenstände zu beachten, die sich der Wahrnehmung auf eine fühlbare, fast unwiderstehliche Weise aufdringen. Kein Wunder daher, wenn das Wichtigste von Menschen dieser Gemüthsart übersehen wird, und wenn Begebenheiten, die im ersten Augenblicke den stårksten Eindruck auf sie machten, die sie als höchst erfreulich anerkannten, sehr bald von ihnen vergessen, ja allmählig ganz aus ihrer Erinnerung verdrängt werden. Wer aber, der nicht selbst zu der Zahl der Leichtsinnigen gehört, müßte nicht das Unwürdige einer solchen Handlungsweise

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