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zu fürchten, obwohl auch hierin Vorsicht und Treue Noth thut. Allerdings giebt es hin und wieder einzelne Protestanten, welche sich in das Netz der Propaganda gefangen geben, welche zum Schmerze der treugebliebenen Glaubensgenossen ihrer Kirche den Rücken wenden, und daß selbst Diener des göttlichen Wortes bisweilen darunter sich befinden, das kann unfern Schmerz nur verstärken. Allein manche andere, welche nicht ihre Kirche zu verlassen gedenken, zeigen doch eine unverkennbare Hinneigung zu katholischen Anschauungen. Diese gegenwärtig nicht selten vorkommende Erscheinung hat namentlich zwei Ursachen. Leider herrscht unter manchen Protestanten nicht geringe Unwissenheit über das eigentliche Wesen des protestantischen Glaubens. Manche bilden sich ein: die Mitte der protestantisch christlichen Wahrheit bestehe in der Vorstellung, daß der Mensch die Kraft zum Rechtthun ohne Weiteres in sich selbst trage und daß er in religiösen Dingen aufgeklärt denke. Wenn dann katholischerseits bewiesen wird, daß die katholische Kirche dem Menschen größere Kraft zum Rechtthun einräumt, und einer (oberflächlichen). Aufklärung weniger scharf entgegentritt, als die protestantische: dann begreift man leicht, daß die erstaunte Unwissenheit keine Waffe zur Vertheidigung des wahren Protestantismus in der Hand hat und eine Beute des gewandteren Gegners werden kann.

Unsere Zeit hat große Fortschritte auf allen Gebieten menschlichen Wissens und Erkennens gemacht. Verbergen wir es uns nicht: sie hat in der religiösen Erkenntniß nicht ganz Schritt gehalten. Zum Theil liegt die Ursache hiervon wohl in der auf materiellen Fortschritt gerichteten Grundstimmung, welche der Zeit gewissermaßen ihren Stempel aufdrückt. Allein sie liegt doch noch mehr in der seit lange eingetretenen Entfremdung der Gemeinden von selbstständiger kirchlicher Thätigkeit. Wenn ein Stand fast ausschließlich sich mit kirchlichen Angelegenheiten beschäftigt; wenn die Glieder der übrigen Stände, wie welterfahren und fachkundig sie auch in allen sonstigen Verhältnissen sich erzeigen mögen, von der Mitwirkung bei der Ordnung und Leitung der kirchlichen Gemeinschaft ausgeschlossen sind: so liegt es in der Natur der Sache, daß, wo keine Theilnahme mehr ist, da bald auch kein Verständniß mehr sich zeigt. Denn die beste Lehrerin bleibt auch in der Kirche die Erfahrung.

Sicherlich giebt es keine verkehrtere Auffassung des Protestantismus, als wenn man ihn ohne Weiteres zu einer Religion der Rechtschaffenheit und Aufklärung herabseßt. Weil er im innersten Punkte des Gewissens wurzelt, so hat er auch seine tiefsten Wurzeln in der Erkenntniß der Sünde, und er macht dem römischen Katholicismus namentlich das zum Vorwurfe, daß er die Sünde nicht so ernst und nicht so tief faßt. Der Proteftantismus stellt den Begriff des Menschen sehr hoch; er glaubt an die ursprüngliche, angeborne Menschenwürde; ein Zug edler Jdealität geht durch seine ganze religiöse Anschauung hindurch. Er ist eben darum so tief verwandt, so eng verwachsen mit dem Leben des deutschen Volkes. Aber nur deßhalb stellt er

die ursprügliche Vollkommenheit des Menschen so hoch, um ihn zugleich daran zu erinnern, wie unendlich weit er sich von seinem Ideale entfernt hat. Da hilft keine Selbstqual, kein Verdienst der Werke, keine künstlich aufgeputzte Tugend; das Alles vermag den scharfen Blick der Selbstprüfung nicht zu ertragen; es muß in die demüthigende Tiefe der Selbstverleugnung hinabgestiegen, es muß gestorben werden, damit eine Auferstehung zu Stande komme; es muß im innersten Herzpunkte zu einer neuen Geburt, einem Werdeprocesse kommen, aus dem ein neues geistgesalbtes Leben hervorgeht. Und das Alles kommt nicht aus der alten, in die Sünde gefangenen Natur, sondern aus einer neuen göttlichen Person, aus dem im Todesopfer verklärten Leben des gottmenschlichen Welterlösers und aus der Kraft seines von ihm ausströmenden H. Geistes, mit Hülfe des Glaubens.

Damit ist zugleich das tiefste Geheimniß des Protestantismus ausgesprochen. Es ist der Glaube an das schöpferische und heiligende Gottesleben in der Person Christi, der eine fortwährend wiedergebärende, heiligende und verklärende Kraft ausübt. Das Wort vom Glauben, das ist es, was wir als deutsche Protestanten treu zu bewahren, zu lehren, wirksam zu machen haben. Wer es noch nicht erkannt hat, wie aller Kern, alle Kraft, alles Licht des Protestantismus in diesem Worte steht, der hat den unerschütterlichen Grund für seine evangelische Ueberzeugung noch nicht gefunden. Alles Heil, aller Friede, alle Gemeinschaft mit dem Ewigen kommt aus der Kraft des Glaubens. Der Glaube ist das Demüthigste und das Muthigste, was es giebt: demüthig, weil er Inhalt und Kraft von Gott nlmmt, muthig, weil er in Gott und um Gottes willen wirklich Alles, auch die Berge des größten und feindseligsten Widerstandes, zu verfezen vermag. .jr

Daher ist es die erste Aufgabe der deutschen evangelischen Kirche, den Glauben zu pflanzen, zu pflegen, zu schirmen, zu erhalten.

Diese Aufgabe ist in der Gegenwart eine besonders dringende geworden. Das Glauben fällt unserm Fleische und Blute an und für sich sehr schwer. Der finnliche Mensch ist mit tausend Banden an die Sinnenwelt gekettet; was er nicht sehen, hören, riechen, schmecken, fühlen kann: das ist für ihn nicht da. Der Widerstand, den das Christenthum, und dessen jüngste und edelste deutsche Tochter, der Protestantismus, fand, steht mit der auf das Frdische gerichteten Grundneigung des menschlichen Herzens in engstem Zusammenhange. Die Religion ist eine Blüthe der unsichtbaren Welt. Das Gewissen, ihre verborgene Lebenswurzel, entzieht sich der finnlichen Wahrnehmung, und der rohe Genussessinn wagt es darum auch, dasselbe zu läugnen. Der Glaube ist eine gewisse Zuversicht dessen, was man hoffet und ein Nicht-Zweifeln an dem, was man nicht siehet“ (Hebr. 11, 1.). Das Ewige, Göttliche, die Kräfte des h. Geistes, find idealer Natur, der Glaube ist das ideale Ber mögen des Menschen, von welchem der an die triviale Wirklichkeit der Dinge, die im Grunde doch nur Schein ist, hingegebene Mensch keinen Begriff hat.

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Aber eben von hier aus werden wir nun auf die zweite Ursache geführt, die nicht selten Gliedern unserer Kirche geheime Neigungen für: die römischkatholische cinflößt. In dieser hat das Christenthum sich scheinbar in seinem Festschmuck begeben; da hat die Wahrheit für den äußern Sinn das Gewand der Schönheit angenommen; und wie bezaubernd auf geistreiche Männer und Frauen der Sinnenreiz des katholischen Cultus zu wirken vermag, davon kann uns das Zeitalter der Romantik, können uns die Novalis, Schlegel, Stolberg, Werner u. A. m. in schlagender Weise überzeugen.

Und war es denn nicht wirklich ein grober Frrthum, als eine nüchterne Schule lehrte, daß das Schöne nicht wahr, und daß das Wahre nicht schön sein könne? Aber noch ein viel größerer Irrthum ist es, wenn die sinnliche vergängliche Schönheit an die Stelle der geistigen und himmlischen gesezt wird. Und das ist schon innerhab des mittelalterlichen Kirchenthums vielfach geschehen. Das Christenthum ist kein Werk der Kunst, sondern eine Schöpfung des h. Geistes. Daß es seine wunderbare Macht über alle. Gebiete des Lebens und der Welt ausbreiten soll, das ist allerdings seine Bestimmung. Darum mußte es auch eine christliche Kunst und christliche Kunstwerke erzeugen. Aber die christliche Wahrheit selbst kann nicht in Kunst verwandelt werden; die Kunst soll umgekehrt durch das Christenthum wahr werden. Man spricht jetzt so oft davon: der Geist, also auch der christliche Geist, müsse Natur werden. Das Christenthum fordert umgekehrt: daß die Natur Geist, daß die gesammte Welt ein Organ des christlichen Geistes werde.

Die mittelalterliche Kirche hat in der Naturwerdung des Geistes Wunderbares geleistet; ihre herrlichen Dome find in Stein verwandelte Predigten von dem Kreuze Christi. Aber diese steinernen Predigten, sammt den in Holz geschnitten und gemalten „Laienbibeln", den Bildern, haben die Christenheit nicht vor dem steigenden Verfalle, nicht vor dem Abgrunde eines Frrthums geschüßt, in welchem die Reformatoren die Offenbarung des Antichristenthums selbst erblicken zu müssen meinten. Wo die lebendige Predigt verstummt, da wirkt die Stimme aus Holz und Steinen nicht mehr. Die Erfahrung beweist, daß je mehr Gewicht auf die stumme gelegt wird, desto mehr Werth und Wirkung der lebendigen schwindet.

Es wäre nicht schwer, in der Gegenwart manche Merkmale aufzufinden, welche auf einen erneuerten Versuch, den christlichen Geist in Natur zu verwandeln, hindeuten. Das ist nicht die Aufgabe der deutschen evangelischen Kirche in der Gegenwart. Sie hat umgekehrt die Aufgabe, mit gewissenhaftem Ernste das Panier des Geistes in diesem Augenblicke recht hoch zu halten.

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Manche, die es gewiß gut meinen, find gegenwärtig der Ansicht, es liege in der Aufgabe der evangelischen Kirche, der katholischen sich anzunähern, und es fehlt gerade jezt an Bestrebungen innerhalb der deutschen evangelischen Landeskirchen nicht, welche Lehre, Gottesdienst, Verfassung, Amt, wo immer möglich,

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mit eben so festen Schranken umgeben möchten, wie das innerhalb der katho lischen Kirche der Fall ist. Das wäre der Weg, nicht nur unsern deutschen Protestantismus um allen Credit, sondern auch ihn um alle Kraft und Wirksamkeit zu bringen. Nicht entlehnte Flitter, unser eigenartiges ursprüngliches Wesen allein kann uns retten und helfen in Lehre, Gottesdienst und Leben.

Wir wollen in der Lehre die Wahrheit, und da es, wie wir gezeigt haben, keine Wahrheit geben kann ohne Freiheit, so ist es gegenwärtig unsere Aufgabe, die evangelische Freiheit, für die unsere Väter ihr Blut vergossen haben, mannhaft aufrecht zu erhalten, und uns nicht vor den Mißständen zu fürchten, die allerdings von der Freiheit unzertrennlich sind. Es wird Niemand gekrönet, er kämpfe denn recht. So leicht soll uns der Weg zum höchsten Gute, dem Frieden und der Seligkeit, nicht gemacht werden, daß uns Dornen und Steine darauf erspart würden. Wir müssen den Irrthum ertragen lernen, um ihn überwinden zu lernen. Wir dürfen nicht vergessen, daß kein Frrthum ohne ein Körnlein Wahrheit ist, daß die Wahrheit des Irrthums Kraft ist, und daß auch der Frrthum eine Staffel werden kann, auf der wir dem Gipfel der Wahrheit näher kommen. Die mittelalterliche Kirche hatte mit einem Aufwande von ungeheurem Scharfsinn und mit Zuhülfenahme aller Mittel der Staatsgewalt den Irrthum von der kirchlichen Lehre fern zu halten gesucht, und was war die Folge? Im Eifer, den Irrthum zu vernichten, unterdrückte sie die Wahrheit. Sie hat für immer thatsächlich_bewiesen, daß wer nicht den Muth hat, die Freiheit zu wollen, auch nicht das Glück hat, die Wahrheit zu erringen.

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Gott hat dem deutschen Volke das Mittel an die Hand gegeben, wodurch es von den Ausschreitungen des falschen Freiheitssinnes immer wieder bewahrt wird. Es ist kein Zufall, sondern ein Werk der Vorsehung, daß in demselben Augenblicke, in welchem das Gewissen Luthers sich gegen die hergebrachte kirchliche Ordnung der Dinge auflehnte, er dieses Gewissen an das Buch der Bücher band, und die religiöse Freiheit auf die Wahrheit des göttlichen Wortes gründete. Das deutsche Volk ist das Bibelvolk; seine Sprache, seine Sitte, sein Glaube, seine Hoffnung ruht auf dem heiligen Buche, und dasselbe mit dem Gewissen im heiligen Geiste immer tiefer zu verstehen, ist unzweifelhaft eine der ersten Aufgaben der deutschen evange lischen Kirche. Die Bibel schützt uns gegen die Verirrungen einer losen und oberflächlichen Religionsmacherei, wie sie uns vor dem Rückfall in todtes Kirchenthum und steife Buchstäbelei bewahrt. Sie ist ewig lebendig, wie der Geist, aus dem sie gezeugt ist; unerschöpflich reich, wie der Gott, der seine Offenbarungen in ihr kundgegeben hat; treu und wahr, wie die Wege der göttlichen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit in der Weltgeschichte. Halten wir sie, wie das Gewissen sie aufschließt, wie der Glaube sie versteht, wie eine wahrhaft freie und eben darum an die Wahrheit gebundene Forschung sie immer tiefer ergründet, in

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fester und männlicher Hand, so haben wir weder den Romanismus noch den Materialismus, weder den Aberglauben noch den Unglauben, weder die Ueberstürzungen der Freien" noch die Rückläufe der „Unfreien“ zu fürchten. Aus ihr schöpfen wir insbesondere in immer neuen und frischen Zügen das heilige Lebensbild dessen, den die Reformation aus dem Helldunkel der Magie und dem Gewirre des Lehrstreites an's volle Licht der geschichtlichen Erkenntniß gebracht hat den Heiland der Welt, Jesum Christum. Einen andern Grund kann Niemand legen, als Jhn, den Eckstein; und wer auf Ihn gegründet ist, der hat gewißlich nicht auf Sand gebaut. Der große Kampf von drei Jahrhunderten, der noch lange nicht ausgekämpft ist, hat sich eigentlich doch nur um die Stellung der Christen zu Christus gedreht: es hat sich dabei immer darum gehandelt, ob dieselbe eine freie, innerliche oder das Gegentheil gewesen ist, ob eine Stellung zu dem Christus der Bibel, wie er geschichtlich war, oder zu dem Christus der mit Irrthum verseßten Ueberliefernng. Den lebendigen Glauben an den lebendigen und geschichtlichen Christus der Bibel dem deutschen Volke zu erhalten: das ist die erste Aufgabe, welche deutschen Theologen und Geistlichen obliegt, zu deren Lösung aber auch jedes theilnehmende Mitglied der Gemeinde mitberufen ist.

5.

Die Gemeinde.

Damit werden wir von selbst zur Beleuchtung der zweiten Aufgabe geführt, welche die deutsche evangelische Kirche gegenwärtig von Gott empfangen hat. Die mittelalterliche Kirche hat den tiefen Gegensatz zwischen Priestern und Laien ausgebildet, und ist dadurch unevangelisch geworden. Der Priester allein ist nach der Vorstellung jener Kirche Träger der göttlichen Heilsgnaden; ohne seine Vermittlung giebt es keinen Antheil an dem Heil. Ein äußerer Vorgang, die Priester-Weihe, macht denselben zum Mittler zwischen dem heiligen und barmherzigen Gott und der hülfsbedürftigen Menschheit. Die Laien sind hiernach religiös und sittlich von den Wirkungen des priesterlichen Amtes durchaus abhängig. Sie sind kirchlich unmündig; außer dem Zusammenhange mit dem Priesterthum sind sie von den Lebenswurzeln der göttlichen Wahrheit und Gnade abgeschnitten. Daß diese Vorstellung eine unevangelische ist, das bedarf für einen bibelkundigen Leser keines besonderen Beweises. Jesus Christus allein ist nach der Schrift Mittler zwischen Gott und den Menschen. Wer an ihn glaubt, der hat das ewige Leben. Und der Glaube an ihn kommt aus der Predigt des göttlichen Wortes, er kommt nicht aus amtlichen Kräften und priesterlichen Geschäften.

Welchen frohen Widerhall mag es doch in den gedrückten Herzen gefunden haben, als Luther in seiner Schrift: „an den christlichen Adel deutscher Nation von des christlichen Standes Besserung“, der christlichen Gemeinde zurief:,,Man hat erfunden, daß Papst, Bischöfe, Priester, Klostervolk, wird

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