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III. Literarische Uebersichten und Anzeigen.

Streiflichter auf die neueste theologische Fiteratur und deren Busammenhang mit den kirchlichen Zuständen. *)

Unser Blatt hat es sich zur Aufgabe gemacht, dafür Sorge zu tragen, daß von der gesammten, seit 1860 erscheinenden, theologischen Literatur bald mög= Itchst Nachricht und Ueberblick gewonnen werden könne. Wir hoffen auf die Zustimmung unsrer Leser rechnen zu dürfen, wenn wir es besonders auf eine reichhaltige, in der Hauptsache möglichst vollständige, Auswahl, deßhalb aber auch um den Raum des Blattes nicht übermäßig auszudehnen auf kurze, den Inhalt in gedrängter Fülle wiedergebende, das Neue und Brauchbare scharf hervorhebende, das Abgetragene und Unnüge deutlich kennzeichnende Artikel abgesehen haben. Diesmal begnügen wir uns vorläufig mit allgemeinen Streiflichtern auf einige in legter Zeit erschienene Werke, in denen sich unsere kirchlichen Zustände und ihr Einfluß auf die wissenschaftliche Bewegung und Entwicklung überhaupt spiegeln.

Es liegen uns aus dem Jahre 1859 zunächst zwei der bedeutendsten literarischen Erscheinungen vor; wir meinen „den ausführlichen Commentar über das Deuteronomium" von Schulz, und „die Erklärung des Galaterbriefes“ von Wieseler.**) Wir haben aus neuerer Zeit keine Arbeit aufzuweisen, die an umfassender Behandlung und gelehrter Bearbeitung den genannten Werken, sofern wir nämlich über das freilich beschränkte Feld, das sie bebauen, nicht hinausgehen, an die Seite zu stellen wäre. Dennoch erweckt es ein unbefriedigendes Gefühl, wenn man so umfangreiche Arbeiten entstehen steht auf Grund von Voraussetzungen, die wir nicht anders als einer gewissen dogmatischen Befangenheit zuschreiben können. So große, mit scharfsinniger Combinationsgabe ausgeführte, mathematische Aufgaben, deren erster Ansaß aber doch auf keiner sichern Grundlage ruht! Denn wenn der Erstgenannte an der mosaischen Verfasserschaft des fünften Buches Mose hartnäckig festhält, und wenn der Leştere an die Selbigkeit des Apostelg. 15 und Gal. 2, 1-9 berichteten Vorfalls nicht glauben will: so beruht dies denn doch beiderseits auf einer Voreingenommenheit, die sich gegen die Anerkennung wohlbegründeter Ergebnisse der neutestamentlichen Kritik sträubt. Zugleich aber verrückt sich dadurch für Beide der richtige historische Gesichtspunkt, von dem aus die in Angriff ge= nommenen Dokumente zu erklären sind; die naturgemäße Folge hievon ist aber die, daß der Werth der genannten Werke nur noch in Einzelnheiten, nicht in der Durchführung des Ganzen gesucht werden darf.

*) Wir werden neben den Einzelbesprechungen wichtiger Bücher von Zeit zu Zeit ähnliche Streiflichter, immer aus fundiger Hand kommend, in unserem Blatte erscheinen lassen. Die Red.

**) Wir gedenken von diesen beiden Werken in nächster Zeit noch besondere Anzeigen zu bringen.

Wir stehen hier durchaus nicht auf dem Standpunkte einer derartigen s. g. positiven Kritik, welche, sowohl für die Bücher des alten als des neuen Bundes, ein durchweg abschließendes Urtheil bereit hat, und nur Unfügigkeit und Uebelwollen sieht, wo dieses Urtheil von Anderen nicht erreicht wird. Aber gewisse Ergebnisse heben sich doch mehr und mehr aus dem Gewirre der sich kreuzenden Behauptungen als allgemein zugestanden hervor; gewisse Resultate gibt es, deren Gegner so ganz offenbar nur einem dogmatischen Zuge folgen, daß ein Geschwornengericht, dem die Sache auseinandergelegt würde, kaum einen Augenblick zweifelhaft sein dürfte. Blos solche Theologen, die nicht blos Geschworne der Wahrheit sind, sondern außer der Wahrheit noch einer anderen Macht verpflichtet zu sein glauben, können hartnäckig sich die Augen verschließen gegen Ergebnisse, wie sie sich neuerdings z. B. in Betreff der Authentie des Deuteronomiums gebildet haben. Unter solchen Umständen glauben wir doppelt verpflichtet zu sein, der ungefälschten Stimme der Wahrheit nicht blos selbst Gehör zu verleihen, sondern auch Zeugniß für ste abzulegen denen gegenüber, die nicht anstehen, doppeltes Maaß und Gewicht zu führen, sobald bei unbefangenem und vorsichtigem Abwägen der Gründe und Gegengründe das Zünglein der Wage sich nach einer Seite hin neigen will, die dem entgegensteht, was sie ihr theologisches Bedürfniß nennen.

Denselben Uebelstand von einer andern Seite her und auf anderem Gebiete zu beleuchten, bietet uns ein Buch Gelegenheit, daß wir schon deßhalb, weil es die Jahreszahl 1860 trägt, mithin diesseits der Grenzen unseres Bereiches fällt, nicht übergehen dürfen, so wenig wir demselben auch einen wirklichen wissenschaft= lichen Werth zugestehen können. Vielmehr läßt sich nicht leicht an einer anderen Erscheinung deutlicher machen, bis zu welchem Grade der Spannung heutzutage der Gegensaß gediehen ist zwischen dem, was auf dem theologischen Büchermarkte geboten werden darf, und den sonstigen Ergebnissen einer nüchternen, mit wissen= schaftlichen Mitteln erworbenen Forschung.

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Theologia naturalis, natürliche Theologie, heißt das Buch, mit dessen erstem Bande uns Herr Licentiat Dr. Böckler soeben beschenkt hat. Wenn das erregte Erstaunen allein ein Maßstab wäre, den Erfolg und Werth einer Schrift zu bestimmen, so wüßten wir kaum einen Theologen zu nennen, der in diesem Augenblicke mit unserem Verfasser wetteifern könnte. Ist es doch ein Selbstwiderspruch, mit dem er gleich auf dem Titel seine Tendenz allerdings hinreichend deutlich" bezeichnet. Denn unter „natürlicher Theologie" hat man bekanntlich seit Chr. Wolf niemals etwas Anderes verstanden, als die Summe derjenigen Bestand= theile chriftlicher Dogmatik, die auf dem allgemein menschlichen Selbstbewußtsein beruhen, die auf den s. g. common sense zurückgehen, die sich ergeben aus dem, was man das „Licht der Natur“ im Gegensage zu der übernatürlichen Erleuchtung nannte. Herr Zöcler aber schreibt gleich auf seinen Titel:,,Entwurf einer systematischen Naturtheologie vom offenbarungsgläubigen Standpunkte aus.“ Von dieser Ankündigung hofft er, daß sie,, irgend welche gewinnende Wirkung auszuüben im Stande sein werde." Aber welche gewinnende Wirkung soll denn

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das üben, wenn gesagt wird, daß uns Eisen geboten wird, aber kein eisernes Eisen, sondern hölzernes? Freilich gleich im ersten F. belehrt uns der Verfasser, daß er sich dieses Widerspruchs wohl bewußt sei, führt indessen zu seiner Entschuldigung an, daß der Spanier Raymund von Sabunde im Mittelalter ein Buch über natürliche Theologie geschrieben habe, welches keineswegs blos eine rationelle Dogmatik sein wolle. Auf diesen Weg Raymund's sei entschieden zurückzulenken! Es soll das Buch der Bibel durch das Buch der Natur illustrirt, das Buch der Natur durch das Buch der Bibel gedeutet werden. Das werde dann wesentlich dazu beitragen, die unmittelbare Erfahrung des Herzens zu entwirren und aufzuhellen, ihre wissenschaftliche Gestaltung in der Mystik zu ergänzen und zu vollenden. Und doch hat auch Rahmund, wo er zu einer scharfen Definition der ihm vorschwebenden Aufgabe vorschreitet, seine,,natürliche Theologie“ ganz in der Weise der Wolf'schen Schule als „Thüre, Weg und Einleitung zum Buch der Offenbarung beschrieben. Wo er aber etwa auch Material beibringt, das unter solchen Gesichtspunkt nicht unterzubringen ist, da müssen wir uns eben. erinnern, daß wir einen mittelalterlichen Spanier und nicht etwa einen deutschen Gelehrten vor uns haben, welcher jene strenge Kritik des menschlichen Erkenntnißvermögens, jene scharfe Grenzlinie zwischen rechtmäßigem Eigenthum des Geistes und phantastischer Träumeret der Seele, wie dieselbe seit Wolf, wie sie namentlich seit Kant gezogen ist, zur Vorausseßung hat. Nun hält sich aber Herr 3öckler gerade an das Mittelalterliche, Verworrene, Unwissenschaftliche im Buche des Spaniers und schafft auf diese Weise sich eine „Wissenschaft“, bei der es auch dem unbefangenften und wohlwollendsten Betrachter doch allerdings mehr spanisch als deutsch zu Muthe wird. Denn wenn etwa die Weltanschauung eines Calderon mit einem entsprechenden, wissenschaftlichen“ Unterbau hätte versehen werden sollen, oder wenn die romantische, Verhimmelung" in ihrem blauen Helldunkel anfinge, sich mit Länge- und Breitemessung ihres Horizontes, mit Systematisirung ihrer sinnlich übersinnlichen Andacht zu befassen, so müßte das Resultat dieser Studien wohl nicht gar weit von dem seltsamen Buche unseres Herrn Verfassers abliegen.

Der geneigte Leser möge es verzeihen, wenn wir von dieser, alles bisher in der Richtung Geleistete in verdienstvoller Weise zusammenfassenden, aber sonst so höchst sonderbaren, Arbeit einige Proben mittheilen. Der Verfasser beginnt mit dem natur theologischen Beweise für das Dasein Gottes. Nun weiß seit Kant jeder Wissenwollende, was es mit dem streng wissenschaftlichen Charakter dieser Beweise auf sich hat. Es weiß seit Schleiermacher jeder, nicht ganz im Rohen stecken gebliebene, Theologė, daß nur im innersten Punkte des menschlichen Geistes die Quelle fließt, aus der das unmittelbare, seiner selbst gewisse, Gottesbewußtsein sich nach allen Theilen unseres Seelen- und Gemüthslebens sowohl, als unserer erkennenden und sittlichen Natur ergießt. Wenn frühere Geschlechter dagegen das äußere Auge anstrengten, um wenigstens zu einer Fernsicht des lebendigen Gottes zu gelangen, so hat eine unbefangenere Betrachtungsweise

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neuerdings zugestehen müssen, daß in Natur und Geschichte zwar des Zweckmäßigen, des erkennbar Zusammenhängenden, des mit einer gewissen Absichtlichkeit sich Ergänzenden genug sich darbiete, daß daneben aber auch ebenso viele unge= löste Räthsel zum Theil in schreckhaftester Gestalt sich geltend machen. Und wenn es ohne alle Frage ein züchtigendes und erhebendes Uebel gibt, so gibt es ebenso gewiß auch ein vernichtendes, zerreißendes, tödtendes, auf dessen Manifestationen. kein Troftgrund eines s. g.,,kosmopolitischen“ oder „physikotheologischen“ Beweises für das Dasein Gottes mehr genügende Auskunft ertheilt. Es war allerdings eine Zeit, da man ein Hinlängliches geleistet zu haben glaubte, wenn man an jede neue Wahrnehmung, an jede frisch in's Bewußtsein getretene Thatsache der Geschichte oder des Naturlebens eine theologische Etikette geheftet und sie so zu einem Momente im Beweis für das Dasein Gottes gestempelt hatte. Auf diese Weise gelang es um des Verfassers Bericht über seine Vorläufer einigermaßen zu vervollständigen dem Jesuiten Kircher, der Beweise für das Dasein Gottes 6561 aufzuzählen; auf diese Weise erfanden die protestantischen Theologen für Sterne, Steine, Vögel, Insekten, ja für die einzelnen Thierarten besondere,,Theologien." Kaum waren im Jahre 1748 unzählige Schaaren von Heuschrecken erschienen, so fiel Pastor Rathlef von Diepholz über sie her und schrieb eine Akridotheologie", worin es z. B. heißt:,,den Kopf hat Gott an ihnen also eingerichtet, daß er länglich und das Maul unten, damit sie im Fressen sich nicht tief bücken, sondern bequem und geschwinde ihre Nahrung nehmen mögen." Wir lächeln nun über derartige Bemühungen; und dennoch ist es wesentlich nichts Anderes, wenn auch unser Verfasser „mittelst speculativer Naturbetrach= tung" das Dasein Gottes zu einer empirischen (erfahrungsgemäßen) Gewißheit" (1) zu erheben trachtet und uns zuerst den „physisch - geographischen" Beweis in seinen „gäologischen“ und „pontologischen" Formen, dann den „hydro- und phro = metereologischen“ und schließlich den „biologischen" Beweis vorführt, der wieder in botanischen, zoologischen und anthropologischen" Nuancirungen auftritt. Hier ist nun in der That Alles beisammen, was die ältere Orthodorie sporadisch in den Disciplinen der „Heuschrecken-, Vögel-, Schnecken- u. s. f. Theologie“ geleistet hat bis hinauf zu Basilius dem Großen, der uns belehrt, daß durch göttliche Veranstaltung die Störche auf ihren Wanderungen von Krähen als bewaffneten Trabanten geleitet würden. Der Verfasser legt sich auf S. 346 ernstlich die Frage vor, ob solche Instinctiväußerungen der Thiere wohl, wo sie erhaltend wirken, auf besondere Schußengel, wo zerstörend, auf Thier- Dämonen zurückzuführen seien; findet aber doch zu unserer Freude diesen Weg,,ebenso bedenklich und unbegründbar als undienlich.“ Uns dünkt, die ganze Frage sei überhaupt nur denkbar auf einem Standpunkte, der für die Erklärung der Naturerscheinungen keinen anderen Maaßstab hat, als den von der menschlichen Muskel- und Nerventhätigkeit hergenommenen. Eben so gut ließe sich fragen, ob unsere Vorfahren nicht Recht hatten, wenn sie die Bewegung der Planeten auf unsichtbare Sonnenarme zurückführten.

Wir entheben uns und den Leser eines näheren Eingehens auf eine zweite Hauptpartie des Buches, die von den Eigenschaften Gottes handelt und dieselben merkwürdiger Weise eintheilt in 1) „uranische“ (siderische), wie z. B. Ewigkeit, 2) atmosphärische“ (meteorologische oder ökonomische), wie z. B. Treue, 3) tellurische" (naturgeschichtliche), wie z. B. Allmacht, 4) „anthropologische" (religiös-ethische), wie z. B. Heiligkeit. Wir gestehen, daß uns hier angefangen. hat zu schwindeln, zumal, da wir weiter bemerkten, wie auf Grund der „fiderischen" Eigenschaften Gottes das Episkopalsystem sanctionirt und gerechtfertigt werden will (S. 384), und wie auf S. 387 Pronzon, Sirius und Spica, indem sie sich um dunkle planetarische Gesellen drehen, uns an die dienende Liebe des Menschenschnes erinnern sollen."

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Doch, ist dies gleich sehr sonderbar, so hat es doch Methode; und diese Methode uns auseinanderzusehen, hat sich der Verfasser nicht geringe Mühe kosten lassen. Nämlich wie die Dogmatik die Wissenschaft vom Glauben, die Ethik die Wissenschaft von der Liebe, so ist des Verfassers neu angelegte Disciplin die Wissenschaft von der christlichen Hoffnung. Sein Standpunkt ist der einer elpistischen Spekulation." Der eigenthümliche Kunstgriff aber, dessen sich der Verfasser bedient, um aus seiner Pandorabüchse diesen starken Band, und wahrscheinlich noch mehrere følgende, hervorgehen zu lassen, ist der, daß die bekannten "Analogien der gewöhnlichen naturphilosophischen Spekulation überall zu theologischen „Analogien" fortzubilden seien (S. 248). So werden denn aus Geologie, Physik und Physiologie sämmtliche Artikel des chriftlichen Glaubens abgeleitet und illustrirt. Man muß dies selbst lesen, um es zu glauben: „Die Prozesse der Geologie und Paläontologie sind es, an denen die Schöpfungsgeschichte als im Bilde studiret sein will; die physikalischen Geseze sind es, die niederen (statisch = mechanischen) und die höheren (die der Imponderabilien und der physiologisch = pathologischen Erscheinungen), aus welchen die natürliche Entwickelung der Menschheit in der vorchriftlichen Zeit, thr immer tieferes und rascheres Versinken in den Abgrund des Todes, ihre zunehmende Abkehr vom göttlichen Lichte, ihr immer festeres Umgarntwerden von den Dämonen des Satans analogisch erklärt werden muß; und die chemischen Verbindungen und Verwandlungen, zum Theil auch die Geseze der medizinischen Physiologie, Pathologie und Therapie sind es, welche dazu dienen müssen, die Geheimnisse an Chrifti wunderbarer Person und seinem nicht minder wunderreichen Wirken zum Hetle des Menschengeschlechts, wenn auch nicht völlig zu erklären, so doch unserem ahnenden Verständnisse etwas näher zu bringen und unserem Glaubensbewußtsein fester und vollständiger anzueignen" (S. 257).

Doch set es nun hiermit genug! Wir bedauern, daß ein mit reichen Kenntnissen ausgestatteter, von ächt chriftlichen Gemüthsbedürfnissen ohne Zweifel geleiteter, junger Theologe seine Kraft in so völlig unnüßer Weise zu verbrauchen Anstalt macht. Wir sind uns bewußt, daß auf unserer Seite keine kleinlichen Regungen, keine, von Bahle treffend sogenannten, theologischen Entre - Mangeries mit im

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