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Klöster hatten längst ihre ursprüngliche Bestimmung überlebt; er hob freilich zu rasch und mit zu wenig Berücksichtigung der noch immer herrschenden Vorurtheile viele hunderte derselben auf, um ihre Einkünfte für höhere und niedere Volksbildung zu verwenden. Eine der segensreichsten Früchte der josephinischen Kirchen-Reformen war aber das Toleranzedikt vom 30. Juni 1781, welches dem ungerechten Drucke ein Ziel feßte, der bis dahin in Oesterreich auf den Protestanten gelastet hatte. Wenn die Religion eine innere Macht und Kraft ist, dann kann und darf ein Mensch mit Gewalt weder zu irgend einer religiösen Handlung gezwungen, noch an der Ausübung irgend einer verhindert werden. Es war zwar immer noch ein bescheidenes Zugeständniß, welches den österreichischen Protestanten durch die Gnade des Kaisers zu Theil wurde. Nur die stille Ausübung des Gottesdienstes wurde ihnen gestattet; nur an solchen Orten, wo wenigstens hundert protestantische Familien angesiedelt waren, durften Gotteshäuser von ihnen erbaut, Schulen errichtet werden; ihre Geistlichen durften sich nicht Pfarrer nennen; sie waren vom Staate in amtlicher Eigenschaft nicht anerkannt; kein Thurm durfte am Gotteshause sich erheben, keine Glocke erschallen, wenn die Gläubigen zur Andacht sich versammelten; der Eingang der Kirchen durfte nicht gegen eine Straße ausmünden; eine protestantische Kirche durfte nicht wie eine Kirche aussehen. Selbst ein so edler und duldsamer Fürst, wie Joseph II., durfte es nicht wagen, den furchtbaren Bann völlig zu brechen, den ein mehrhundertjähriges System der Unduldsamkeit auf den österreichischen Protestantismus gewälzt hatte. Auch er mußte, von der Macht des Herkommens gezwungen, die Protestanten noch wie solche behandeln, die es nicht verdienten, mit ihrem religiösen Bekenntnisse an das helle Licht des Tages treten zu dürfen. Aber dennoch wie manches protestantische Auge füllte sich mit Thränen, als die ärmlichen Bethäuser nach langer Zeit der Unterdrückung sich wieder öffneten, als die alte Hausbibel ohne Scheu vor inquisitorischen Späherblicken wieder gelesen, als die frommen Lieder der standhaft gebliebenen Väter am häuslichen Heerde wieder gesungen werden durften. Und es war ja doch ein großer Gewinn, daß es jezt nicht mehr gestattet war, die Protestanten zur Theilnahme an den katholischen Prozessionen polizeilich zu zwingen, und daß in gemischten Ehen die Knaben dem Bekenntniß des protestantischen Vaters folgen durften. Mögen es die deutschen und namentlich die österreichischen Protestanten niemals vergessen, was sie Joseph II. schuldig find!

Wie fest und unerschütterlich stand dieser Kaiser, der sonst ein weiches Gemüth hatte, den Züdringlichkeiten und Vorwürfen des römischen Stuhles gegenüber da. Auf die Vorstellungen des Papstes Pius VI. hatte er immer dieselbe Antwort in Bereitschaft: daß die äußeren Angelegenheiten der Kirche nichts mit der Religion gemein hätten, daß die Abstellung arger hierarchischer Mißbräuche, die Verbesserung der in Verfall gekommenen kirchlichen Einrichtungen, dem Staate mit gutem Rechte zustehen, und der Kirche selbst nur zum

Segen gedeihen könnten. Der römische Stuhl versteht mit bewundernswürdiger Kunst beides zur Zeit zu fordern, und zur Zeit nachzugeben. Als das erste heftig fordernde Breve der Kurie nicht den erwünschten Erfolg hatte, folgte ein zweites begütigendes; als auch dies nicht wirkte, unternahm der Papst in eigener Person eine für ihn demüthigende Reise nach Wien; - Alles umsonst.

Aber freilich die Partei, welche der Kaiser durch seine Reformen tief verletzt hatte, ruhte nicht. Es ist schmerzlich wahrzunehmen, wie er im letzten Jahre seines Lebens, von den Türken bedrängt, durch den Aufruhr in den Niederlanden, Böhmen, Tyrol eingeschüchtert, von Krankheit gelähmt, das Vertrauen auf sein großes Reformwerk verliert und dasselbe in den aufständischen Gebieten wieder außer Wirksamkeit seßt. Gleichwohl ging der Grundgedanke seiner Reformen nicht mehr unter. Es ist die Idee des in sich selbstständigen, auf der Grundlage der Sittlichkeit ruhenden, Rechtsstaates, von welcher Joseph II. wie kein anderer Fürst vor ihm erfüllt war. Nach den Grundsäßen der mittelalterlichen Kirche steht der Staat in abhängigem Vasallendienste zur Kirche. Lediglich von ihr nimmt er seine Berechtigung, seine Macht, seine Autorität. Der Protestantismus hat zuerst die sittliche Selbstständigkeit und eigenthümliche Würde des Staates zur Anerkennung gebracht. Indem er den Gegensatz zwischen „weltlich“ und „geistlich" aufhob und die Religion als eine Thatsache des Gewissens begriff, löfte er den Staat nicht etwa, wie irrthümlich behauptet wird, von der Religion, denn das Recht und die Macht haben ihre Wurzelpunkte, wenn sie anders sittlicher Natur sind, im Gewissen ; aber er befreite den Staat von der Vormundschaft der Kirche. Die Kirche als äußere Anstalt ist ebenfalls ein Theil der Welt wie der Staat; ihre Aufgabe, so weit sie für Befriedigung der religiösen Bedürfnisse des Menschen zu sorgen hat, kann daher keine vorzugsweise äußere sein. Sie wirke nach innen; sie baue das Reich, das nicht von dieser Welt ist; sie wandle in den Fußstapfen ihres himmlischen Meisters; sie herrsche, wie er, durch dienende sanftmüthige und demüthige Liebe.

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Wir wollen nicht ungerecht gegen die Verdienste sein, welche die römischkatholische Kirche troß ihrer mannigfachen Mängel und Gebrechen sich während des Mittelalters erworben hat. Sie ist niemals die fleckenlose Braut Christi gewesen. Lediglich in der unsichtbaren Gemeinde der Gläubigen spiegelt fich das Bild Christi rein und lauter. Aber sie ist lange an der Spitze aller menschheitlichen Culturbestrebungen gestanden; sie ist die Trägerin frommer Sitte und ernster Zucht geworden; sie hat die Barbarei roher Völkerschaften gemildert; sie ist dem Unrecht der Gewalthaber kühn entgegengetreten; sie hat Künste beschüßt, und die Wissenschaft gefördert. Schon vor der Reformation, aber namentlich seit der Reformation ist das anders geworden. Die Kirche – es gilt dies großentheils auch von der protestantischen — als äußere Anstalt steht seit jenem großen Wendepunkte in der Geschichte der Menschheit nicht mehr an der Spiße der geistigen und sittlichen Entwickelung. Sie hat ihr

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Angesicht seit dieser Zeit mehr rückwärts als vorwärts gerichtet. Die Mission, an die Spitze der Civilisation zu treten, dem geistigen und sittlichen Fortschritte den Weg zu bahnen, die Kunst zu pflegen, die Wissenschaft zu schirmen, hat während der letzten drei Jahrhunderte vorzugsweise der Staat leider nicht selten unter starkem Widerstande von Seiten der Kirche erfüllen müssen. Die Grundsätze der Gewissensfreiheit und der Duldung hat der Staat zuerst aufgestellt und mit seinem Arme geschirmt, während die Kirche, insbesondere die römisch-katholische, denselben bis auf den heutigen Tag ihre Anerkennung versagt, während die päpstliche Regierung noch in neuester Zeit bei Veranlassung des Mortarahandels bewiesen hat, daß sie auch die verlegendsten Eingriffe in das Heiligthum der Familie nicht scheut, sobald es darauf ankommt, den äußern Umfang des römischen Kirchenthums, selbst nur um eine Seele, zu vermehren, und sobald der Staat ihre Uebergriffe nicht zu verhindern vermag.

Ist das Christenthum etwa schwächer geworden, weil die Kirche an Stärke verloren hat? Wir möchten das nicht behaupten. Es ist eines der größten Verdienste des Protestantismus, daß er aufgezeigt hat, wie der lebendige Christus nicht in der Form der Kirche eingeschlossen ist, sondern in der Kraft des Wortes und den Wirkungen des Geistes der Wahrheit durch die Zeit schreitet. Nicht nur die Kirche, sondern auch der Staat ist eine Lebensform, in welcher Christus eine Gestalt gewinnt, ja wir können uns eine Mißgestalt der Kirche denken, in welcher das Bild des Erlösers ganz ausgelöscht ist, und eine Reingestalt des Staates, aus welcher dasselbe strahlend hervorbricht.

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Wie man aber auch über das Verhältniß der Kirche zum Staate denken möge: in Einem Punkte sollten seit dem Reformwerke Josephs II. die Führer der Kirche wie des Staates übereinstimmen, daß der Staat unter keiner Bedingung mehr in Abhängigkeit von der Kirche gebracht, daß feine rechtliche und sittliche Selbstständigkeit nicht mehr angetastet werden darf. Die Reformation hat allerdings in nächster Folge konfessionelle (protestantische und daher auch katholische) Staaten hervorgerufen. Wir übersehen die Wahrheit nicht, die hier auch dem Frrthum zu Grunde liegt. Daß der Staat als ein Begriff, ein Allgemeines Religion haben könne, ist zwar eine widersinnige Behauptung. Die Religion ist persönlicher Art und Natur; sie haftet an dem Gewissen des Individuums, und wer sie hat, der muß auch dafür selbstverantwortlich sein können. Allein zur Zeit der Reformation und noch lange hernach der Fürst als Staatsoberhaupt auch der Inhaber der Religion, und es hatte sich stillschweigend die Meinung gebildet, daß der Staat, d. h. die Volksgemeinschaft, dieselbe Religion haben müsse, wie der Fürst. So war das Religionsbekenntniß doch in gewissem Sinne persönlich; in der Centralpersönlichkeit des Fürsten waren alle übrigen zur Staatsgenossenschaft gehörenden Personen inbegriffen gedacht. Diese Anschauung fand ihren bedenklichsten

war

Ausdruck in der gewissenswidrigen Vorstellung, daß wer über das Land, auch über die Neligion der Landesbewohner zu verfügen habe.

2.

Staat und Kirche.

Jetzt ist jeder religiös und politisch wahrhaft gebildete Deutsche von der Ueberzeugung durchdrungen, daß die Staatsgewalt keine Macht über die Gewissen hat und daß Niemand Gott recht dienen kann, wenn er es nicht thut mit Freiheit und aus Liebe.

An die Stelle des konfessionellen Staatsbegriffes ist der paritätische, d. h. der Begriff desjenigen Staates getreten, der jedes religiöse Bekenntniß in seinen geschichtlich erworbenen und staatsgrundgesetzlich verbürgten Rechten achtet und schüßt, der zwar die Religion als die ideale Grundlage auch seines äußeren Bestandes betrachtet, aber keiner äußeren Kirchenform als solcher sich in den Dienst giebt, der vielmehr über alle eine selbstständige, freie, schirmende, wachende, beaufsichtigende und zusammenfassende Stellung einnimmt.

Auf diesem Standpunkte erscheint es als das Billigste, daß der Staat zu allen öffentlich anerkannten Religionsgesellschaften diefelbe Stellung einnimmt, daß er das Innere, die Glaubenslehre, auch das Aeußere, den Gottesdienst, so weit er sich auf die gottesdienstlichen Gebäude beschränkt, und die Verfafsung, so weit sie mit den allgemeinen Staatsgefeßen in keinen Widerspruch tritt, frei giebt, und zwar bei allen Religionsgemeinschaften in gleicher Weise. In diesem Fall hat sich keine zu beklagen; es geschieht keiner ein Unrecht. Sicherlich lag diese Absicht auch der Josephinischen Reform zu Grunde; sie wurde nicht vollständig erreicht, weil Joseph II. nicht wagte, das auf den Protestanten seit Jahrhunderten lastende Joch ganz zu zerbrechen. Die Protestanten waren blos geduldet, die Katholiken blieben herrschend. Das heißt freilich noch nicht Gerechtigkeit für Alle, sondern Hemmung und Zurücksetzung der Einen, Begünstigung und Bevorzugung der Anderen.

Die Gleichberechtigung aller anerkannten Religionsgemeinschaften innerhalb des Staatsganzen will nun auch der Romanismus nicht zugeben. Was den Protestanten zu Theil werden soll, das soll höchstens einstweilige Duldung, nicht aber eine gesicherte Rechtsstellung sein. Das römische System ist ausschließlich; es anerkennt weder Religions- noch Confessions-Freiheit; wo es kann, übt es den Religionszwang. Der Staat soll, wo möglich, als der. stets dienstwillige Arm der Kirche die kezerischen Religionsgemeinschaften mit Gewalt unterdrücken, und wo dies nicht mehr angeht, da will der römische Stuhl wenigstens eine Sonderstellung zum und im Staate einnehmen, er will schon durch seine äußere bevorzugte Stellung andeuten, daß er eine ganz andere Autorität für den Staat ist, als eine kezerische,,Sekte."

Von dem Jahr 1830 bis zum Jahre 1848 hatte die Ueberzeugung, daß der Staat sich zu allen Religionsgemeinschaften gleich verhalten müsse, keiner sich dienstbar machen, aber auch keine bedrücken dürfe, und daß jene den allgemeinen Staatsgesetzen in gleicher Weise sich unterzuordnen hätten, immer allgemeinere Zustimmung gefunden. Freilich hatte es auch nicht an Vorzeichen gefehlt, welche auf eine gemeinsame, wohlüberlegte Erhebung der Hierarchie gegen den modernen Staatsbegriff, und insbesondere gegen die folgerichtige Geltendmachung desselben, hindeuteten. Der Umschwung in Betreff des Verhältnisses der römisch-katholischen Kirche zur Staatsgewalt schreibt sich eigentlich schon von dem Sturze der Napoleonischen Weltherrschaft und der auf sie folgenden Restauration her. Seit dem 24. Mai des Jahres 1814, an welchem Tage der römische Stuhl es hatte wagen dürfen, einen Orden wiederherzustellen, welchen derselbe Stuhl in Verbindung mit den angesehensten Staatsregieruugen wenige Jahrzehnte vorher wie einen Feind des Menschengeschlechtes behandelt und vogelfrei erklärt hatte mußten die Protestanten auf das Aeußerste gefaßt sein. In Deutschland drang die Kurie langsam, aber festen Fußes und entschlossenen Sinnes vor. Preußen ist der Kopf, Südwestdeutschland der Fuß des deutschen Protestantismus. Die ersten Stöße waren nach dem Kopfe gezielt. Preußen hat das unvergängliche Verdienst, die ächt civilisatorische Mission wissenschaftlicher Bildung unter seinen Katholiken vollzogen zu haben. Nun giebt es aber für den römischen Katholicismus keine größere Gefahr, als die deutsche Wissenschaft. Daher der Sturm auf die Hermes'sche Lehre. Die Autorität der kirchlichen Satzung siegte in jenem Streite über die Anstrengungen der die Freiheit der Wissenschaft beschirmenden Staatsgewalt.

Es folgte der Streit über die gemischten Ehen. Der Staat ruht auf dem Boden des allgemeinen Rechtes; es giebt für ihn nicht katholische oder protestantische, nur rechtsgültige Ehen; unter allen Umständen hat von seinem Standpunkte aus die Ehe keinen sakramentalen Charakter. Dem römischen Stuhle lag Alles daran, den katholischen Ehebegriff, der die gemischte Ehe dem Grundsage nach ausschließt und den nicht - katholischen Theil als religiös rechtlos behandelt, der Staatsgewalt gegenüber zur vollen Geltung zu bringen; der Versuch gelang über alle Erwartung. Sollte sich Niemand mehr der Allocution Gregors XVI. vom 10. Dezember 1837 erinnern, in welcher die Melodie der Freiheit der Kirche“ in allen Variationen spielte und der Staatsgewalt der Vorwurf entgegengeschleudert wurde, „daß sie die Gesetze des heil. Stuhls unter die Füße getreten habe?“ War es nicht damals, als von einem hochgestellten Kirchenfürsten jede unkanonisch vorgenommene kirchliche Einsegnung als eine „,kirchenräuberische“ bezeichnet wurde? Wir haben anch den 18. August 1844 erlebt, von welchem Tage an bis zum 14. September desselben Jahres über eine halbe Million Deutscher, Männer und Frauen, dem heil. Rock zu Trier ihre Huldigung darbrachten. Die heil. Rockfahrt war nur eine Probefahrt, auf der sich her

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