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Es sind protestantische Gesichtspunkte, protestantische Ideen, protestantische Kernwahrheiten, welche dem deutschen Volke einen neuen geistigen und sittlichen Impuls, eine klare, feste Position in der Mitte der europäischen Völker sichern Man bilde sich nicht ein, daß gegenwärtig in der religiösen Frage eine neu trale, eine indifferente Stellung möglich oder zulässig ist. Die religiõe Frage ist die Zeitfrage, die Schicksalsfrage; wer sich außerhalb ihres Bereiches stellt, der stellt sich außerhalb des gegenwärtigen Kampfgebietes unb der kämpfenden Parteien; der mag interessante Theorien aussinnen; aber er im Grunde wie Einer, der in die Luft streichet."

Die allgemeine kirchliche Lage ist somit klar gezeichnet. Die ultramontan Partei, deren Devise Intoleranz, Unterdrückung der religiösen Freiheit, Bevon mundung des Staates durch den Klerus, heimlicher oder offener Krieg (je na Umständen) gegen den Protestantismus ist, ist sich klar bewußt, daß die legt. Entscheidung des gegenwärtigen Kampfes in Deutschland statt finden wird. Sie hat sich verbündet mit der protestantisg kirchlichen Rückschrittspartei. Die lettere vermag nichts ohne die erstere. Jeder Sieg des Ultramontanismus ist gegenwärtig ein Sieg des protestantischen Confessionalismus, ein Herzstoß gegen die protestantische Union. Da in Norddeutschland der protestantisch Geist, trotz alles Gegendruckes, vorherrschend ist, so mußte zunächst der Süde erobert werden, bevor die Eroberungsplane im Norden bestimmter hervortreten konnten. Das ultramontane Desterreich ward die Operationsbasis im Süden Die Concordate waren die Mauerbrecher, mit welchen die Widerstandskraft de Protestantismus gelähmt, das System ultramontaner Herrschaft zur kano nischen Geltung gebracht werden sollte. Würtemberg und Baden hatten sid bereits unter die Concordate gebeugt; Nassau und Hessen-Darmstadt schienen au dem Wege zu folgen; Kurhessen war in gleiche Aussicht genommen, und stan einmal Süd- und Mittel-Deutschland unter entschieden römischem Einflusse, war Preußen nicht nur politisch, sondern auch kirchlich isolit

Wir deuteten bereits an, daß sich für die ultramontane Partei ein noch be nahe erwünschterer Verbündeter als die Concordate im Schooße des Protestan tismus selbst zeigte. Wie es der ultramontanen Partei gelungen war, Schooße der anglikanischen Kirche die Saat des Puseyismus auszustreuen und die protestantische Kirche selbst dadurch zum Tummelplaß eines Principienstreite zu machen: so gelang es ihr in Deutschland, an dem Confessionalismus eines stillen, aber einst mächtigen Freund zu gewinnen. Aller Orten in Deutschland ist gegenwärtig die Brandfackel des Bruderzwistes unter die protestantischen Theologen geworfen; die herkömmlichen theologischen Parteien sind, wie wir im vorigen Hefte nachgewiesen, in voller Auflösung begriffen, und namentlich unter der jüngeren Geistlichkeit macht sich bisweilen ein Amtsdünkel breit, der vor dem Kastengeist der römischen Hierarchie nichts voraus hat, als die Signatur des Lächerlichen, welche jedem widerspruchsvollen Auftreten anhaftet.

Allerdings hat die Wendung, welche der Lauf der Angelegenheiten in Frankreich, Italien, Sicilien genommen hat, der ultramontanen Partei ihr Vorgehen in Deutschland einigermaßen erschwert; der unerwartete Widerstand, den die Concordatspolitik in Süddeutschland gefunden hat, der Sturz des Concordats in Baden, die Mäßigung, der Ernst und die Kraft, mit welcher dort die großherzogliche Regierung auftritt, kommen ihr sehr ungelegen; das Erwachen der Völker nach dem Hoch- und Halb-Schlafe von zehn Jahren sezt sie der Gefahr aus, mit ihren Plänen zu scheitern. Aber um so mehr sieht sie sich genöthigt, alle Mittel, Kniffe und Listen aufzubieten, und dem deutschen Geiste, dem Geiste er Reformation, entgegenzutreten; Peterspfennige, Pfarradressen, Massenpetiionen, Jesuitenmissionen, Schmeichelreden, Drohworte, nichts wird zu diesem Zweck gespart; bei den romanischen Völkerschaften findet der Ultramontanismus gegenwärtig nur die tiefste Abneigung, ja den glühendsten Haß.

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In Preußens Hand liegen die nächst bevorstehenden Entwicklungen des so vielfach geschürzten Knotens gegenwärtig vorzugsweise. Preußen ist der eschichtliche Hort des deutschen Protestantismus, die natürliche Burg deutscher reier Wissenschaft; es ist überdies von den schweren Schlägen, von denen Desterreich im vorigen und in diesem Jahr getroffen ward, bei der tiefen Gährung, velche gegenwärtig dieses Desterreich durchzieht, im Angesicht der lauernden Sphinx der „Annexation," Deutschlands Schwert. Mehr als je ist es freußens Aufgabe, den Protestantismus, als politisches Princip und ls sittliche Macht, zu unterstüßen, und dadurch alle Vorkämpfer religiöser freiheit und sittlicher Ideen in Kirche und Staat um seine Adler zu schaaren. Eine solche Unterstützung des Protestantismus von Seite Preußens ist kein Unrecht gegen den Katholicismus. Die ultramontane Partei vertritt nicht den deutschen Katholicismus, sie zertritt ihn höchstens. Sie ist undeutsch, fremdländisch, vaterlandslos. Der Ultramontanismus ist den besseren Katholiken noch verhaßter als den Protestanten; auf sie drückt sein Joch zuerst, sie jallen ihm zuerst als ohnmächtige Opfer. Protestantismus und Katholicismus m sich sind keine Gegensäte; der Protestantismus will den echten Katholicismus aus sich selbst herausbilden, er fühlt sich ihm darum blutsverwandt; tur der particularistische, der römische Katholicismus, der Katholicismus der Bartholomäusnacht, der Inquisitionstribunale, der pfäffischen Volksverdummung, der eben nicht ächt katholisch, sondern schlecht romanisch ist, wird von ihm verworfen. Die kirchliche Aufgabe Preußens ist daher auch eine wesentlich positive. Dem Protestantismus freien Lauf zu lassen, die ihm innewohnenden Kräfte der Gemeinde zu entbinden, ihn von den pusehitischen und confessiona= listischen Fesseln zu lösen, in welche eine romanisirende, angeblich,,evangelische“, Bartei ihn seit zehn Jahren eingeschnürt hat, mit der Freiheit und Selbstständigkeit der protestantischen Kirche vollen und ganzen Ernst zu machen, die Kirche auf ihren eigenen Grund und Boden zu stellen, und sie aus sich selbst nach Kraft und Bedürfniß sich erbauen zu lassen, damit sie aufhöre ein Spielzeug

der Parteien zu sein und ein wahres und treues Organ der Landesges meinde werde: das ist Preußens nächste kirchliche Aufgabe. Wenn es ihm mit Gottes Hülfe gelingt, in dieser den übrigen deutschen evangelischen Landeskirchen ein Vorbild zu werden, dann hat es sich eine Hegemonie ohne Schwert streich gesichert, welche die natürlichste, ehrenvollste und einflußreichste unter allen ift, die ihm zufallen können. Die Partei der ,,Kreuzzeitung“, welche sich offen als die Schußrednerin der süddeutschen Concordate geberdet, welche jede freie Bewegung des evangelischen Gemeindelebens auf den Tod haßt, welche gegen wärtig die zärtlichsten Händedrücke mit den Ultramontanen wechselt, und die derbsten Faustschläge den protestantischen Unionisten ertheilt, welche gegenwärtig kein höheres Anliegen kennt als in Italien den kirchlichen Despotismus und die jesuitische Intoleranz wieder gekrönt zu sehen: diese Partei zittert vor keiner zukünftigen Thatsache so sehr, als vor der Befreiung der evangelischen Gemeinden aus den Fesseln ihrer jahrhundert langen büreau kratischen Bevormundung. Aber so lange es eine unbestrittene zuver sichtliche Wahrheit bleibt, daß die protestantische Kirche nur in der Gemeinde ihre Grundlage hat, und daß sie nicht von Geistlichkeits- und nicht von Staatswegen fondern einzig und allein von Gemeindewegen eine Kirche ist: so lange dürfen ihre treuen Freunde auch nicht müde werden, darauf zu dringen, daß dieser Kirche endlich ihr Recht zu Theil werde, ein Recht, das ihr in Preußen auch durch die Staatsverfassung verbürgt ist und nach dessen baldiger allgemeiner Verwirklichung sich alle Einsichtigen und Redlichen sehnen.

Wir betrachten es als eine besondere gnadenreiche Fügung der göttlichet Vorsehung, daß gegenwärtig das Scepter des preußischen Staates in der Hand eines Regenten ruht, welcher von tiefer Achtung für Religion, Wahrheit und Recht durchdrungen ist. Sein fürstliches Wort bürgt uns daher auch dafür, daß die evangelische Kirche langsam, aber energisch zur Freiheit und Selbstständigkeit sich ́entwickeln wird. Daß unzweifelhaft zum Ausbau der selben ein Organ gehört, welches sie allseitig vertritt: das entgeht dem hohen Scharfblicke des crlauchten Schirmherrn der evangelischen Kirche in Preußen nicht. Gemeindepresbyterien und Kreissynoden sind noch keine Repräsentanten der Landeskirche; aber sie sind wichtige und unentbehrliche Vorbedingungen zu einer kirchlichen Gesammtvertretung. Bringt Preußen rechtzeitig eine solche, welche allen gefunden Bedürfnissen und berechtigten Richtungen in der evangelischen Landes kirche von unten herauf eine wirkliche freie Lebensäußerung sichert, zu Stande: dann hat es sich an die Spitze der religiösen Entwickelung und des kirchlichen Fortschritts des evangelischen Deutschlands gestellt, und die kleinen Mittel, mit welchen gegenwärtig eine Minderheit die Mehrheit in der evangelischen Landeskirche Preußens zu lähmen sucht, haben `dann jegliche Wirkung verloren. Dann wird die Union in Preußen wieder zu ihrem geschichtlichen Rechte und zu ihrer verdienten Ehre kommen; dann wird auch die Opposition des Unglaubens nicht mehr zu fürchten sein, die nur gefähr

lich ist, wo man die freie Bewegung des Glaubens hemmt; dann wird der Protestantismus in ganz Deutschland einen Halt und Hort haben, wie er dessen gegenwärtig so dringend bedarf.

Die Zeitlage ist ernst; daß das Gute und Nothwendige geschieht, bevor es zu spät ist, das ist das große Geheimniß aller staatlichen und kirchlichen Regierungsweisheit. Eine tiefe Erregung geht jezt durch die Geister. Ein fortgesetter blinder Widerstand gegen die wachsende Fluth führt zum Durchbruch der Dämme. Darum muß für die erregten Hochgewässer ein Bette gefunden werden, das ihnen gestattet, anstatt das Land zu verheeren, es befruchtend zu · bewässern. Noch ist es nicht zu spät; alle besser und ernster Denkenden, alle, denen das Christenthum als das Licht und Salz der Welt gilt, alle, denen das Kreuz eine Kraft der Erlösung und ein Zeichen des Heils ist, werden in dankbarer Freude sich um diejenigen schaaren, welche jezt in der deutsch-evangelischen Kirche nicht nur das rechte Wort sprechen, sondern die rechte That thun, bevor es zu spät ist. Schenkel.

2.

Friedrich Wilhelm Carl Umbreit.

Ein theol. Lebensbild.

Der Mann, dessen wir hiermit in diesen Blättern gedenken, verdient es, aß nicht nur Theologen vom Fache, sondern auch Glieder der Gemeinde ein Andenken ehren. Umbreit gehörte jener klassischen Schule der deutschen Theologie an, die im Geiste Herders, Eichhorns, Schleiermachers und verwandter Männer den christlichen Geist nicht in den engen Schranken des theologischen Denkens gebannt, sondern vielmehr für alles Gute, Schöne, Edle offen halten wollte, die eben darum das Christliche vom Menschlichen nicht zu trennen wußte, aber das Menschliche auch zugleich durch das Christliche geadelt und verklärt schaute. Immer seltener wird die Zahl dieser unvergeßlichen Träger einer besseren theologischen und kirchlichen Vergangenheit; jedesmal wenn einer von ihnen aus diesem Leben Abschied nimmt, neuert sich für uns ein tief empfundener Schmerz; wir fragen nach dem Ersage, den wir dafür zu bieten haben, und wir müssen gestehen: für diese Männer giebt es gegenwärtig keinen. Wo ist unter dem tonangebenden Zeitgeschlechte in Theologie und Kirche der offene Sinn für die Wahrheit, der unermüdliche Forschertrieb, die Anerkennung auch des irrthümlichen gegnerischen Strebens, die Milde in der Beurtheilung, die Weitherzigkeit in der Auffassung, die kindliche Frömmigkeit im Bunde mit einer männlichen Wissenschaftlichkeit hingekommen? Ein streitsüchtiges Zelotenthum ist nur allzuhäufig an die Stelle der genannten Eigenschaften getreten. Nicht nur seßen die verschiedenen größeren Parteien in ihrer gegenwärtigen Streitführung die Rückfichten der Wahrheitsliebe und die Pflichten des Anstandes in vielfach verletzender

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