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guter, aber ich darf es wohl sagen, schwacher Mann, und hat den Kopf voll von den Spitfindigkeiten der Schule. Er wollte mit einem Sterbenden über die Frage, ob es eine Freiheit des Willens gebe, disputiren, Doktor!«

»Ich hoffe, daß er Sie nicht verließ,« antwortete ich, ohne Ihnen die Tröftungen der Religion zu spenden ?«<

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Er las mir einige Kirchengebete, die vorzüglich schön und rührend sind, und das funfzehnte Kapitel aus den Korinthern vor, welches sehr erhaben ist. Er konnte es sich nicht versagen, mich hören zu lassen, was er bald über meinem Grabe sprechen werde! « « rief der Sterbende mit einem traurigen Lächeln aus. Ich fühlte mich etwas verlegt durch den leich= ten Ton seiner Bemerkungen, verbarg es jedoch.

»Sie empfingen doch die Sakramente, hoffe ich, Herr? Er schwieg einige Augenblicke, und düstre Wolken zogen über seine Stirn. - »Nein, Doktor; und um Ihnen die Wahrheit zu sagen, ich lehnte sie ab

«

» Lehnten die Sakramente ab!? rief ich voll Er

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dringen,« erwiederte er düster, und versank in dumpfes Hinbrüten auf einige Zeit. Ohne daß er es bemerkte, schickte ich die Wärterinn zu einem anderen Geistlichen, einem sehr würdigen und ge= lehrten Manne, und vertrautem Freunde von mir. Ich betrachtete ernst den Kranken, wie er mit geschloffenen Augen da lag, und bemerkte mit Verwunde rung, daß Thränen aus denselben hervorträufel

ten.

» Herr

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fragte ich im theilnehmenden Tone, » Sie haben doch nichts auf dem Gewissen, was Ihre lehten Augenblicke verbittert? «

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»Nein, - nichts von Bedeutung,« gab er tief= seufzend zur Antwort, und fuhr, die Augen noch immer geschlossen, fort: ich dachte nur daran, wie bitter es sei, so früh herausgerissen zu werden aus dem fröhlichen Gedränge der Lebenden - und diese schöne, herrliche Welt nach einem so kurzen und schmerzenreichen Verweilen verlassen zu müssen. Ach, es ist hart! Bald darauf öffnete er seine Augen, seine Aufregung schien verschwunden zu sein; er gerieth aber ins Irrereden.

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Doktor, Doktor," sagte er plöglich, indem er

mich durch seine veränderte Stimme und den träumerischen, gedankenvollen Ausdruck seiner Augen er

schreckte, » welch eine seltsame Stelle ist es in der

Medea,

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--

Ανω ποταμῶν ἱερῶν χωροῦσι παγαί,

καὶ δίκα καὶ πάντα πάλιν στρέφεται *).

Liegt nicht etwas höchst Geheimnißvolles und Wundersames in diesen Versen? Niemals hat es mir gelingen wollen, ihren Sinn vollkommen zu ergründen.« Da er sah, daß ich mein Schweigen nicht unterbrach, denn ich wollte diesem, zu seiner Lage so wenig passenden Gedankengange, nicht Nahrung geben wiederholte er von Zeit zu Zeit vor sich hin, mit rhythmischer Betonung und höchst trauriger und eintöniger Stimme:

ἄνω ποταμῶν ἱερῶν!

Er ging dann von einer Stelle aus den Klassikern zu einer andern und wieder zu andern über, bis er sich plöglich darin unterbrach, sich zu mir wendete, und sagte: »Doktor, ich fühle, daß ich sehr verwirrt und ungereimt spreche; aber selbst jest, mir bewußt, daß ich im Sterben liege, kann ich mir die Dinge nicht aus dem Sinne schlagen, mit denen ich mich fast mein ganzes Leben lang beschäftigt habe.

Ach!

*) Bergaufwärts fließen der Ströme Quell'n, Und das Recht und Alles wird gänzlich verkehrt! EURIP. Med. 411-13.

Doktor, « fuhr er fort, indem er plößlich zu etwas Anderem übersprang, fagen Sie mir, pflegen die jenigen, die an meiner Krankheit sterben, ihre Geisteskräfte bis zum lehten Augenblicke zu behalten?« Ich erwiederte, daß dieß in der Regel der Fall

fei.

»Dann wird meine Lebensflamme herrlich glůhen bis zum Ende! Dank sei es Gott! Und doch," sezte er schaudernd hinzu, »ist es schrecklich, selbst zu fühlen, wie man so allmählig aufhört, zu sein. – Doktor, ich würde genesen, würde gewiß genesen, wenn Sie mir einen Aderlaß verordneten!«

redete wieder irre.

Er

Die Warterinn kehrte jeht zurück, und zwar, zu meinem Kummer, ohne Pfarrer, der an jenem Morgen auf das Land gegangen war. Ich schickte nach keinem andern. Des Kranken Gemüthsstimmung war eigen und sehr bedaurenswerth; doch Alles wohl erwogen, hielt ich es für besser, ihn nicht weiter mit einem Gegenstande zu quålen, der ihm augenscheinlich zuwider war. Ich ließ Licht bringen, da es fast neun Uhr geworden. »Doktor,« sagte der ster bende junge Mann mit schwacher Stimme, ich glaube, es wird auf meinem Tische ein Laktanz liegen. Ich habe ihn stets sehr geliebt. Dürft' ich Mem. eines Arztes. I.

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Sie wohl bitten, mir eine Stelle das achte Kapitel des siebenten Buchs - über die Unsterblichkeit der Seele, vorzulesen? Ich wünschte ganz von dieser schönen Wahrheit überzeugt-wenn sie Wahr= heit ist zu sterben; ich habe jenes Kapitel oft

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Ich

eine

zu meiner großen Beruhigung gelesen." trat zu dem Tische, und fand das Buch Taschenausgabe dessen Blåtter gerade an der bezeichneten Stelle eingeschlagen waren. Ich las ihm darauf langsam und feierlich das ganze achte und neunte Kapitel vor, deren erstes mit den Worten: Num est igitur summum bonum immortalitas, ad quam capiendam, et formati a principio, et nati sumus *), beginnt. Als ich zu der Anspie= lung auf Cicero's schwankende Meinungen gekommen war, wiederholte er mit mir seufzend die Worte: >> harum inquit, sententiarum, quae vera sit, Deus aliquis viderit « **). — Als ein Beispiel von der herrschenden Leidenschaft, noch im Tode

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stark, "

führe ich, wiewohl nicht sehr zu meiner Ehre, an,

*) Die Unsterblichkeit ist das höchste Gut, zu dessen Er, langung wir von Anbeginn geschaffen und geboren sind. **) Welche von diesen Meinungen die wahre sei, möge ein Gott offenbaren.

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