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Mitte befand sich der unglückliche Verbrecher. Er stieg die Stufen mit vieler Festigkeit hinauf. Sei

ne Arme waren stark gefesselt, und als er unter dem Galgen stand, konnte ich die Umstehenden ausrufen hören: » Gott, Gott! welch ein hübscher junger Mann! Der arme Mensch!« Er war in schicklicher Trauerkleidung, und trug schwarze le= derne Handschuhe. Sein lichtes Haar war augenscheinlich mit einiger Sorgfalt geordnet, und fiel in leichten Locken zu beiden Seiten auf seine Schlåfen herab. Sein Gesicht war, wie am vorigen Abend, furchtbar blaß; sein Benehmen aber bei Weitem gefaßter, als ich nach der Todesangst, in welcher ich ihn im Gefängniß gesehen, erwartet hatte. Er verbeugte sich zwei Mal tief und et was förmlich gegen die umstehenden blickte flüchtig und schaudernd nach dem Balken über ihm, an welchem der Strick befestigt war, empor, und ließ sich dann von dem Nachrichter auf die Stelle, die er einnehmen mußte, führen, und sich zum Tode vorbereiten. Ich war über die stumpfe, unmenschliche Gleichgültigkeit entsegt, mit welcher der Nachrichter dem Unglücklichen das Halstuch, welches weiß und mit Nettigkeit und Genauigkeit angelegt war, aufknüpfte und abnahm — die schreck

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liche Schlinge über dem Haupte desselben herabließ und um den nackten, gebeugten Hals befestigte, - und vermochte nicht länger zuzuschauen. Ich schwankte von meinem Plage am Fenster nach einem entfernteren Theile des Zimmers, ließ mich auf einen Stühl nieder, schloß meine Augen, hielt meine klingenden Ohren mit den Fingern zu, und blieb ein Stoßgebet zum Himmel sendend für den unglücklichen jungen Verbrecher, der wes nige Schritte von mir vielleicht in demselben Au= genblicke sein Leben in die Hånde seines Schöpfers zurückgab einige Minuten unbeweglich, bis das Geräusch der vom Fenster Zurücktretenden mir sagte, daß Alles vorüber sei. Ich stand auf und folgte ihnen die Treppe hinunter, machte mir Bahn durch die Haufen, ohne zu wagen, die Augen zu erheben, damit sie nicht dem hängenden Leichnam begegneten, warf mich in einen Wagen, und eilte meiner Wohnung zu. Mehrere Tage lang war ich nicht im Stande, die Aufregung zu bemeistern, welche der Auftritt bei mir hervorgebracht hatte.

Das war das Ende eines Fälschers!

Zum Schluß muß ich dem Leser wohl sagen, daß ich den Auftrag, den ich übernommen, treulich erfüllte. Es war ein schweres, herzzerreißendes Geschäft!

Zwölftes Kapitel.

Der verdrehte Kopf.

Die Hypochondrie *) bietet, gleich dem Janus-Haupte, eine zwiefache Ansicht, nämlich eine traurige und eine lächerliche dar. Obgleich die erstere im täglichen Leben häufiger bemerkt wird, so kommt sie dennoch nicht so oft als die lettere zur Kenntniß des Arztes, dessen Dazwischenkunft im Grunde bei der Einen eben so nöthig ist, wie bei der Andern. Man kann mit Sicherheit behaupten, daß eine fortdauernd krankhafte Seelen-Stimmung die Folge einer Unregelmäßigkeit in einem oder dem andern Theile des physischen Systems sei, und unter welcher von ihren beiden Gestalten die Hypochondrie in einem bestimmten Falle zum Vorschein kommt, dieß hångt lediglich von der eigenthümlichen

* Sie entsteht aus Krankheit in den Weichen (vĩò zóvdgos), d. h. den innern unter dem Knorpel des Brustknochens und den kurzen Rippen liegenden Theis len, der Leber, Milz, u. s. w.

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Gemüths-Beschaffenheit der Patienten ab. Dieje nigen, welche von schwerfälligem, phlegmatischem Temperament sind, durch keine Berührung mit dem thätigen Leben angeregt werden, dabei sich zu einem düstern Ideengange hinneigen, und, vermöge einer Art von Sympathie, immer die finstere Seite der Dinge ins Auge faffen, bleiben gewöhnlich in irgend einer Periode ihres Lebens in der » Lache des Kleinmuths wie sich Bunyan sehr bezeichnend ausdrückt stecken, aus welcher sie sich selten ganz wieder herausarbeiten. Religions- Schwärmer bilden den bei Weitem größesten Theil der mit dieser Art der Hypochondrie Behafteten ein Beispiel bietet der unglückliche Cowper dar; und sie habe ich nie gänzlich von ihren schrecklichen Einbildungen frei werden gesehen. Diejenigen auf der andern Seite, welche mit einer lebhaften, muntern Einbildungskraft. und einem feurigen Temperament bes gabt sind, und sich dabei zum Wunderlichen hinnei gen, werden lächerliche Hypochondristen. Bei diesen lehtern lassen sich Einbildungen von der erstaunlich sten Abgeschmacktheit, wie sie nur immer im zerrůttetsten Gehirne des wirklich Wahnwißigen entstehen können, erwarten; und sie halten dieselben unzweifelhaftesten Klarheit des Gegentheils zum

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Troß mit einer Hartnäckigkeit fest, welche an sich selbst wieder eben so spaßhaft, als ångstigend und verdrießlich ist. Mag der Augenschein noch so sehr und unaufhörlich widersprechen, es pflegt eine bewundernswürdige Konsequenz in ihren Selbsttäuschungen zu sein. Ist mit Einem Wort ein Hirngespinnst der unten zu erwähnenden Urt einmal fest in dem Kopfe eines Patienten, dann will er dasselbe nicht fahren lassen! Es giebt hierher ge= hörende Fälle, in welchen auch der geschickteste årztliche Taktiker aus dem Felde geschlagen wird. Mir selbst sind im Laufe meiner Praxis einige vorge kommen, die, schmucklos und wahrheitstreu beschries ben, jedem nichtärztlichen Leser als zu toll erschei nen würden, um glaubhaft zu sein. Dieses ist vielleicht das Schicksal der hier folgenden Erzählung. In einigen Abschnitten derselben bin ich mit einer Genauigkeit auf die Einzelnheiten eingegangen, die, wie ich glaube, durch das Anziehende des erzählten Falles, durch die Seltenheit von Berichten dieser Art, und vor Allem durch die Eigenthümlichkeit des Charakters und die Geistesgaben des wohlbekannten Patienten, gerechtfertigt wird; und ich bin überzeugt, daß Niemand herzlicher über das zu Er

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