REESE LIBRARY OF THE zusammengehalten, sonst in allen ihren ZuständenS I TY und Eigenschaften für sich und in sich beschlossen Wir müssen uns erinnern, daß jener Punkt der Zweifel unterworfen sein, daß die Zustände der menschlichen Natur durch das Selbstbewußtsein, welches sie mit der göttlichen vereinigt, auch in die göttliche übergehen, und ebenso umgekehrt, daß die Eigenschaften der göttlichen Natur durch dasselbe Medium auch der menschlichen sich mittheilen, soweit es ohne Aufhebung ihres Wesens geschehen kann. Hieraus entsteht nun ohne Vermischung die innigste Gemeinschaft der Gottheit und Menschheit in Jesu, so daß, was dem Wesen nach nur der Gottheit zukömmt, in Folge der Mittheilung auch von der Menschheit, und was dem Wesen nach nur der Menschheit zukömmt, in Folge der Mittheilung auch von der Gottheit ausgesagt werden kann. Die überraschendsten Säße ergeben sich aus jener wunderbaren Verschlingung zweier so wesentlich verschiedener Naturen, wie die göttliche und menschliche in der Person Jesu, und sie werden noch überraschender, je bestimmter wir sie auf die außerordentlichen Verhältnisse seines Lebens vor und nach seinem Lode, oder auf den Stand seiner Erniedrigung und seiner Erhöhung anwenden. Aber so überraschend sie sind, so wichtig, so heilsam, so erhebend und trö stend sind sie auch. Um so lieber müssen wir uns daher auf eine Betrachtung derselben einlassen. Die erste Folgerung, die sich aus dem Verhältnisse der beiden Naturen ergiebt, ist die, daß von der Person, die sie vereinigt, die entgegengeseßten Prädicate beider mit gleichem Rechte und ohne einen sich selbst aufhebenden Widerspruch ausgesagt wer= den können. Die ganze Person des Gottmenschen pflegt man mit dem Worte Christus oder Mittler, oder Herr zu bezeichnen; die göttliche Natur mit dem Namen Gottessohn, die menschliche mit dem Namen Menschensohn oder Jesus. Von Christo oder dem Mittler kann also zugleich Göttliches und Menschliches, beides in voller Wahrheit, behauptet werden, so wie wir es z. B. in einer Stelle bei Lucas (24,26) nebeneinander finden: mußte nicht Chris stus solches leiden und zu seiner Herrliche keit eingehen. Herrlichkeit und Knechtsgestalt, Hoheit und Niedrigkeit, Allgewalt und Beschränkung, himmlische Ehre und irdische Schmach, göttlicher Reichthum und menschliche Armuth vereinigen sich in ihm, so wie es in einer andern Stelle heißt: obs wohl er reich ist, ward er doch arm um uns fertwillen, damit wir durch seine Armuth reich würden (2 Corinth. 8, 9). Daß kein Widerspruch in diesen Gegensäßen liegt, sahen wir schon in der vorigen Stunde an dem Beispiel des Menschen, dem nach Körper und Geist auch entges gengesezte Eigenschaften zukommen, ohne daß sie sich einander ausschließen. Die Gegensätze sind in Christo nur weit größer, ebendaher auch ihre Verbindung in ihm weit anziehender und eindringlicher. Es ergreift Herz und Sinn, den großen Mittler sich zu denken, wie er ebenso sanft als mächtig, ebenso geduldig als gewaltig, ebenso demüthig als erhaben ist, wie er so nichts hat und doch alles hat. Die zweite Folgerung der persönlichen Vereini gung der Gottheit und Menschheit in Jesu ist die, daß durch die mittheilende Gemeinschaft des Bewußts seins der göttlichen Natur die Eigenschaften der menschlichen zukommen, ohne daß sie darum in ihr Wesen übertragen werden. Die Gottheit wird nicht an und für sich schwach, bedürftig, leidensfähig, aber sie wird es sich durch die mit ihr verbundene Menschheit persönlich bewußt, was es heißt, arm und schwach sein, leiden und sterben. Sie hat ein wirkliches Mitgefühl und Mitleiden desselben, was der Apostel (Hebr. 4, 15; 5, D so schön ausdrückt, indem er sagt: „wir haben einen Hohenpriester, der Mitleiden haben kann mit unsrer Schwachheit, der in allem versucht ist worden gleich wie wir, doch ohne Sünde", und:,,obwohl er Gottes Sohn war, so hat er doch an dem, das er litte, Gehorsam ge= lernt", wie ihn nämlich Menschen üben sollen. Diese Mittheilung des menschlichen Leidens an die Gottheit ist etwas so Außerordentliches und Einziges, daß auch der Sprache die Worte fehlen, den Eindruck zu schildern, den es auf ein gläubiges Gemüth machen muß. In der That, man fühlt Schau der durch Mark und Gebein`gehen, wenn man den Spruch bedenkt 1 Corinth. 2, 8: sie haben den Herrn der Herrlichkeit gekreuzigt. Der Sohn Gottes, wahrer Gott von Ewigkeit, ist von seinen Geschöpfen gekreuzigt, mißhandelt, zerschlagen, angespieen, zu Tode gequält worden — es ist entseß= lich, es ist furchtbar, es ist gräßlich. Das Gräßliche des Gedankens wird keineswegs durch die Vorstellung gelindert, daß jenes schreckliche Leiden nur der menschlie chen, nicht der göttlichen Natur widerfahren sei ; denn wir haben ja gesehen, daß, da beide zu Einer Person verbunden sind, die Zustände der einen durch das Bes wußtsein der andern sich mittheilen. Ich erinnere an das Beispiel des Leibes und der Seele; wenn der Körper leidet, fühlt es dann die ganze Person, fühlt es die Seele nicht wahrhaft und wirklich mit, und wenn der Körper stirbt, geht nicht auch die Seele durch die Schmerzen und Schauder des Todes hindurch? Aehnlich ist es in Christo; die Gottheit, unsterblich und unleidensfähig an sich, fühlt doch, mit der Menschheit verbunden, ihr Leiden und Sterben als das ihrige; denn durch die Menschwerdung ist ohne Verwandlung alles was des Menschen Jesu ist, ihr eigen geworden, so daß sich der Apostel Paulus (Apostelgesch. 20, 28) nicht scheut zu sagen: Gott hat sich eine Gemeine durch sein eis gen Blut erworben. Wir können also nicht. vorüber kommen, sondern müssen es in seiner ganzen Entseßlichkeit stehen lassen, daß Gott gelitten hat in Jesu, daß er verlästert und mißhandelt worden ist von seiner Creatur, daß er das Kreuz getragen, daß er des Kreuzes Schmerz und Quaal ges fühlt und die Todesschauer der Menschheit empfun den hat. Schrecklich ist es, das ist wahr; aber wens den wir uns darum nicht ab; es ist auch ebenso tröstlich, als es schrecklich ist. Es ist ja nicht so. geschehen, als hätte es der Herr nicht vermeiden können; er spricht ja selbst (Matth. 26, 53): m einst |