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V.

3. Die bessere Gerechtigkeit und das Gebot der Liebe. Die Persönlichkeit Jesu und seine Wirksamkeit nach dem Vorbilde der Propheten. Die Gebote der werktätigen Liebe bei den Schriftgelehrten. Neutestamentliche Zeugnisse für sie. Die Strafreden der Evangelien gegen die Pharisäer. Die Bergpredigt und ihre Redaction. Ihre Lehren im Vergleich mit denen der Pharisäer. Die eigenartigen Lehren Jesu. Das Alte Testament die Grundlage und notwendige Ergänzung des Neuen.

VI.

Der Gang der christlichen Religion durch die Geschichte. Die Anhänger Jesu als jüdische Sekte. Die Ausbildung des Lebensbildes Jesu. Die späteren Kämpfe der Judenchristen mit den Juden und mit den Heidenchristen. Ihre Verketzerung durch diese und das Erlöschen der Sekte. Die Fortschritte des Christentums von den jüdischen Niederlassungen ausserhalb Palästina's aus.

VII.

Ueberblick über diese Niederlassungen. Ihr Verhältnis zu ihrer heidnischen Umgebung. Der Verfall der heidnischen Religionen. Die Uebersetzung der Heiligen Schrift in die griechische Sprache und die Entstehung einer jüdischgriechischen Literatur. Philo von Alexandrien, sein Einfluss auf die Entwickelung der Philosophie und der christlichen Theologie. Die Synagogen der Juden und ihre heidnischen Besucher. Der förmliche Uebertritt von Heiden zum Judentum und der Anschluss anderer als Judengenossen. Die <<Frommen der Völker der Welt». Die weite Verbreitung jüdischer Lehren.

VIII.

Das Christentum in seiner selbständigen Entwickelung. Die Botschaft von Jesus bei den Judengenossen. Die mystischen Kräfte dieser Botschaft. Jesus als Heiland. Die Bildung besonderer christlicher Gemeinden. Ihre jüdische Grundlage und Verfassung. Ihre Scheidung von den Juden. Paulus und die Entstehung seiner Briefe. Deren Lehren von der göttlichen Natur Christi, von der Sündhaftigkeit des Menschen, vom Gesetz und der Erlösung. Die Entstehung der christlichen Dogmatik. Das griechische Christentum. Der römische Katholizismus. Die Reformation und die Reducirung der Dogmen des Christentums. Die Annäherung an die Glaubensvorstellungen der Judenchristen. Die Auffassung der Religion als Gottes- und Nächstenliebe.

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Ueber Judenthum und jüdische Religion hören wir sehr häufig Urtheile von Christen, über Christenthum und christliche Religion von Juden, und insbesondere von jüdischen Theologen, sehr selten. Der Gründe sind mancherlei : Das Christenthum ist selbst ein Stück Judenthum und aus ihm hervorgegangen. Den grössten Theil seiner heiligen Schriften bilden echt jüdische, die des sogenannten Alten Testaments, und auch die ihm eigenartigen Schriften des Neuen Testaments beschäftigen sich vielfach mit Deutungen und Erklärungen des Alten Testaments. Daraus ergab und ergibt sich für die christlichen Theologen stets die Nothwendigkeit, das Neue als das Bessere und Höhere, das Alte als das Niedrigere, Unvollkommnere darzustellen. Das Christenthum erkannte ferner in dem Judenthum und in dessen weiterem Bestande einen entschiedenen Widerspruch gegen seine wichtigsten Grundlehren und Anschauungen, und daraus ergab sich eine gegensätzliche und vielfach feindselige Stellung ihm und seinen Anhängern gegenüber.

Das Judenthum hat zu einer ähnlichen Stellungnahme dem Christenthum gegenüber keinerlei Veranlassung. Es hat sich bis auf die neueste Zeit geistig von ihm durchaus unabhängig erhalten und erkennt andererseits seinen Werth und seine Bedeutung als Weltreligion willig an. Es hat sich seinen Angriffen gegenüber stets auf die Abwehr beschränkt und konnte das auch innerhalb seines eigenen Kreises ruhig thun, weil die Glaubensunterschiede, selbst für den einfachen, wenig unterrichteten Juden so augenfäl lig waren, dass ein weiteres Eingehen darauf nicht geboten war. Und der grosse Unterschied in den äusseren Machtverhältnissen, die schlimmen Folgen, welche ein unüberlegtes, oder auch nur offenes, Wort eines Juden über christliche Lehren und Gebräuche häufig für einen grossen Kreis der Glaubensgemeinschaft nach sich zog, machte scheue Zurückhaltung zu einer gebieterischen Nothwendigkeit.

Dieses Schweigen konnte in neuerer Zeit nicht mehr in dem früheren Umfange innegehalten werden. Die Erforschung der Ursprünge des Christenthums, die im 19. Jahrh. mit ganz besonderem Eifer und vielfach bedeutsamen Resultaten gepflegt wurde, zog mehrfach auch jüdische Gelehrte in ihren Kreis, welche insbesondere auf zahlreiche, von den christlichen Gelehrten ignorirte, oder unterschätzte jüdische Quellen hinwiesen, oder wie die Geschichtsschreiber Graetz und Geiger auch den Stifter des Christenthums im Rahmen seiner Zeit behandelten. Vielfache, nachweisbar irrige, Behauptungen über den Lehrinhalt des Judenthums und einzelne geschichtliche Strömungen, oder Persönlichkeiten desselben nöthigten zur Richtigstellung und zum weiteren Nachweise des hervorragenden Antheils, welchen das Judenthum hinsichtlich der religiösen, wie der Culturentwickelung der Menschheit für sich in Anspruch nehmen kann.

Ausser solchen wissenschaftlichen Antrieben, nöthigt aber auch ein praktisches, ja Lebensinteresse, zu einer eingehenderen Beschäftigung mit den hervorragenden Werken der christlichen Wissenschaft. Die Schwierigkeiten, welche den Juden im staatlichen Leben, wie in den gesellschaftlichen Verhältnissen, vielfach entgegentreten, beeinträchtigen Vielen die Werthschätzung des Judenthums selbst und machen sie für eine gläubige, oder wenigstens urtheils lose, Hinnahme glänzender und verherrlichender Darstellungen des Christenthums ganz besonders empfänglich.

Solche Erwägungen rechtfertigen wohl eine eingehende Besprechung der Vorlesungen des Professors Ad. Harnack „Ueber das Wesen des Christenthums", sowie eine Charakteristik von deren Ergebnissen, und eine Prüfung seiner Urtheile über Judenthum und jüdische Verhältnisse von jüdischem Standpunkte aus.

Zunächst ist es nothwendig, die Stellung dieses, in der That bedeutenden und zeitgeschichtlich hervorragenden Buches unter ähnlichen Darstellungen näher zu bestimmen.

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Im Jahre 1799 erschienen die Reden über die Religion. an die Gebildeten unter ihren Verächtern" von Friedrich Schleiermacher. Die Bezeichnung des Kreises von Hörern und Lesern, an den er sich wandte, gibt allein schon den Ursprung und das Ziel dieser Reden an. Die philosophische Aufklärungslitteratur des 18. Jahrh. in England, Frankreich

und Deutschland hatte unter den Dogmen der christlichen Religion stark aufgeräumt, und sie hatte über weite Kreise, insbesondere über die oberen, die Herrschaft gewonnen. Von Voltaire ausgehend war Spott über die Religion ein Kennzeichen der Bildung geworden. Dagegen wandte sich Schleiermacher und, indem er von jenen Dogmen Vieles preisgab, Anderes in seinem Inhalte verdünnte oder umdeutete, wies er auf das Gemüth als auf die wahre, unerschöpfliche Quelle der Religion hin und suchte auch den Lehrinhalt des Christenthums aus den Bedürfnissen desselben und aus dem Zeugnisse des christlichen Bewustseins abzuleiten.

Das geistvolle, mit hinreissender Beredsamkeit geschriebene Buch, übte seiner Zeit eine wahrhaft berauschende Wirkung aus. Die zudringlichen Fragen des Verstandes vermochte es jedoch nur kurze Zeit zurückzudrängen, aber nicht zu beantworten. Der historische Sinn, das Streben, eine jede Erscheinung in ihrem Ursprunge zu erforschen, in ihren Quellen zu prüfen, in ihrer geschichtlichen Entwickelung zu erfassen, der sich im 19. Jahrh. mit besonderer Kraft geltend machte, drängte auch zu eingehenden Untersuchungen der geschichtlichen Grundlagen des Christenthums und führte zunächst zu dem epochemachenden Buche von David Friedrich Strauss „Das Leben Jesu" (1835). Dasselbe ist eine kritische Beurtheilung der über Jesus und sein Wirken uns zugekommenen Berichte, die uns in vierfacher Abfassung, in den vier Evangelien, vorliegen, und weist auf die vielfachen Unterschiede, ja crassen Widersprüche derselben hin. Die zahlreichen Wundergeschichten, von der Geburt Jesu bis zu seinem Tode, von seiner Auferstehung und Himmelfahrt, können unmöglich wirkliche Geschehnisse sein, aber auch andere Erzählungen erscheinen erdichtet, um wirkliche oder selbst missverstandene Verkündigungen der jüdischen Propheten von einem künftigen Messias, als im Leben von Jesus verwirklicht, darzustellen. Das und Das ist geschehen, auf dass Das und Das erfüllt werde, oder weii Aehnliches auch von anderen grossen Gottesmännern der Bibel berichtet worden ist. So löste sich ihm die ganze evangelische Geschichte in eine Reihe von Volkssagen und Mythen auf, die in den christlichen Gemeinden des ersten Jahrhunderts, vielfach unbewusst, gedichtet worden sind. Nichts lässt sich mit Bestimmtheit über die Person Jesu

aussagen. Unsicher, ja widerspruchsvoll, sind auch die Berichte über seine Lehren.

Schon früher hatte man erkannt, dass die Evangelien nicht Berichte von Zeitgenossen sein können. Jetzt untersuchte nun die sogenannte Tübinger Schule, deren Haupt und Stifter Ferdinand Christian Baur war, dieselben eingehend nach ihren verschiedenen Auffassungen von Jesus und seinen Lehren und erkannte, dass sie frühestens zwei Menschenalter nach dem Tode Jesu entstanden und keine unbefangenen Darstellungen, sondern Parteischriften seien. Die ersten christlichen Gemeinden bestanden nämlich fast ausschliesslich aus Juden, welche sich von den übrigen nur dadurch unterschieden, dass sie glaubten, in Jesus sei sei der verheissene Messias bereits erschienen und er werde bald wiederkommen, das letzte Gericht halten und das Himmelreich begründen. Von denjenigen Heiden, die in ihren Kreis eintreten wollten, verlangten sie die vollständige Annahme der jüdischen Gebote, die Beschneidung und die Beobachtung der Ceremonialgesetze. Dagegen lehrte der Apostel Paulus, der erst nach dem Tode Jesu sein Anhänger und Verkünder geworden war, dass durch dessen messianische Thätigkeit das jüdische Gesetz aufgehoben worden sei. Er suchte sodann hauptsächlich Heiden, Griechen und Römer, von denen schon früher viele eine Vorliebe für das Judenthum gewonnen hatten, für sein Christenthum zu gewinnen. Durch sie drangen weitere hellenische, philosophische, wie polytheistische Ideen in dasselbe ein. So entwickelten sich allmälig ganz verschiedene Glaubensrichtungen, die mit einander rangen und in verschiedenen Darstellungen von Jesus und seinen Lehren ihren Ausdruck fanden. Die heidenchristliche Richtung ist die siegreiche geblieben und hat die ganze fernere Gestaltung des Christenthums beherrscht.

Durch diese Untersuchungen, die heute noch weit von ihrem Abschlusse sind, ist die Person und die eigentliche Lehre von Jesus ein immer schwierigeres Problem geworden, dessen Lösung noch durch keinen seiner verschiedenen Bearbeiter zu einem befriedigenden Resuldate geführt hat. Zu diesen Schwierigkeiten treten die noch grösseren hinzu, welche die specifisch christlichen Dogmen oder Glaubenslehren dem modernen Bewusstsein bereiten1). Diese sind:

1) Vgl. D. Fr. Strauss: Der alte und der neue Glaube. 12. Ausg. S. 15 ff. u. Zöckler, Handbuch der theol. Wissenschaften III, 121 ff.

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