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Ueberzeugung gezwungen. Kopf und Herz waren hierbei nicht immer im Einklang, und nicht selten regte sich in ihm den Einwendungen des Verstandes zum Troß, eine sehnsüchtige Rückerinnerung an den frommen Glauben seiner Kinderzeit. „Ach!" schrieb er am 30. November 1789 in einem Briefe an die Lengefelder Schwestern, „ach daß das Schicksal der Menschen in den Händen eines Wesens wäre, das dem Menschen gleicht, vor dem ich mich niederwerfen könnte, und euch, euch von ihm erflehen!"

Fünfzehntes Kapitel.

Schiller's Hausfreunde. Aufenthalt zu Erfurt. Fieberanfall daselbst. Schwerer Rückfall in Jena. Das Studium Kant's und die Uebersehung der Aeneide begonnen. Wiederholte lebensgefährliche Krankheitsanfälle. Besuch des Karlsbades. Nochmaliger Aufenthalt in Erfurt. Unterstützung durch den Herzog Karl August. Literarische Arbeiten. Die,,Zerstörung von Troja“ und „Dido“ beendigt. Bag= gesen. Todesfeier in Hellebeck. Großmuth des Herzogs von Augustenburg und des Grafen Schimmelmann.

Das Jahr 1790 war unserm Dichter nicht bloß durch das Glück, das ihm aus dem Zusammenleben mit seiner Lotte und der Nähe ihrer Schwester erblühte, sondern auch durch heitere Geselligkeit verschönert worden. Von seinen Amtsgenossen standen Griesbach, Schüß, Hufeland und besonders Paulus, zu dessen Frau sich Lotte hingezogen fand, mit ihm fortwährend in freundlichem Verkehr. Nur zu dem braven und treuen Reinhold wollte sich nicht ein so inniges Verhältniß gestalten, als dieser es sehnlich wünschte und nach dem warmen Anfang ihrer Bekanntschaft hoffen zu dürfen geglaubt hatte. Wie groß die Anziehungskraft, die Schiller auf begabte und strebsame akademische Jüng linge ausübte, und seine Zuneigung zu ihnen war, zeigte sich darin, daß viele derselben seine oft und gern gesehenen Hausfreunde und

später in Krankheitstagen seine treuen und liebevollen Pfleger wurden. Zu ihnen gehörte der treffliche Zögling Goethe's, der liebenswürdige Fris von Stein; der junge Bartholomäus Fischenich aus Bonn, der in Schiller's Hause wohnte und sein wie seiner Gattin unbedingtes Vertrauen genoß; der Dr. med. Erhard aus Nürnberg, zugleich Mathematiker, Philosoph, Zeichner und Musiker, der eigens, um Schiller und Reinhold kennen zu lernen, nach Jena gekommen war; der Liefländer Karl Graß, „ein herzlich attachirtes Wesen“, wie ihn Schiller charakterisirt, von Beruf Theolog, aber der Neigung und den Anlagen nach Poet und Maler; ein anderer Liefländer, ein ungemein zartsinniger und bildungseifriger junger Mann, Gustav von Adlerskron. Auch der treu anhängliche Privatdocent Niethammer, der sich später durch amtliches und literarisches Wirken rühmlich bekannt machte, und ein Baron Herbert aus Klagenfurt schlossen sich diesem Kreise an. Letterer, ein Fabrikbesizer, ein Mann in den Vierzigen mit Weib und Kind, besuchte Jena auf vier Monate, um KantischReinhold'sche Philosophie zu studiren solche Zugkraft übte dieses neue Evangelium damals auf die Geister.

Am vorlegten Tage des so glücklich verlebten Jahres 1790 reiste Schiller mit seiner Frau und seiner Schwägerin nach Erfurt. Dort wurde er nach einem Koncert im Stadthause beim Abendessen plöglich von einem Katarrhalfieber befallen und mußte einen ganzen Tag lang das Bett und mehrere hindurch das Zimmer hüten. Es blieb zwar für jezt bei dem einzigen Anfall; aber dieser war so stark, daß sein Arzt, wie er selbst, ihn zuerst für die Ankündigung eines gefährlichen Fiebers hielten. Dortige Freunde und vor allen der Koadjutor suchten ihm die Reconvalescenztage möglichst erträglich zu machen. Mit Dalberg, schrieb er an Körner, habe ihn der Aufenthalt in Erfurt überaus nahe gebracht und von dessen Seite die bestimmtesten und glücklichsten Erklärungen herbeigeführt." Auf der Heimreise hielt er sich einen Lag in Weimar auf, traf dort zu seiner Freude den Schauspieler Beck aus Mannheim, stellte sich auch bei Hofe vor, bewunderte bei der Herzogin Amalia die aus Italien mitgebrachten schönen Zeichnungen (Prospekte von Neapel, von Rom und Umgegend, Zeichnungen nach Antiken u. s. w.) und ließ Lotte in Weimar zurück. Am 11. Januar war er wieder in Jena. In seinem Briefe an Körner vom nächsten Tage meldete er sich wohlgemuth als „ganz hergestellt" und sprach seine Freude aus, daß er endlich nach langem Suchen ein begeisterndes Sujet zu einer Tragödie, und zwar ein historisches (Wallenstein) gefunden habe. Aber schon am folgenden Tage kehrte seine Krankheit zurück, und zwar Viehoff, Schiller's Leben. II.

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so heftig und angreifend, daß er am 15. Januar nur mühsam in unsichern Schriftzügen Lotte um ihre Heimkehr bitten konnte. Am dritten Tage spie er Blut und litt an Brustbeklemmungen, die man durch Aderlässe, Blutegel und Vesicatorien zu erleichtern suchte. Da er in den ersten sechs Tagen keine Nahrung zu sich nehmen konnte, so war er bald so abgemattet, daß die kleine Bewegung beim Getragenwerden vom Bett zum Sopha ihm Ohnmachten zuzog. Am siebenten Tage wurde sein Zustand sehr bedenklich. Am neunten und siebenzehnten erfolgten Krisen; die Paroxysmen waren stets von starkem Phantasiren begleitet. Erit acht Tage nach Aufhören des Fiebers", berichtete er den 22. Februar an Körner, „vermochte ich einige Stunden außer dem Bette zuzubringen, und es stand lange an, ehe ich am Stock herumkriechen konnte. Die Pflege war vortrefflich, und es trug nicht wenig dazu bei, mir das Unangenehme der Krankheit zu erleichtern, wenn ich die Aufmerksamkeit und thätige Theilnahme betrachtete, die von vielen meiner Auditoren und hiesigen Freunden mir bewiesen wurde. Sie stritten sich darüber, wer bei mir wachen dürfe, und einige thaten dies dreimal in der Woche. Nach den ersten zehn oder zwölf Tagen kam meine Schwägerin von Rudolstadt, und ist noch hier, ein höchst nöthiger Beistand für meine liebe Lotte, die mehr gelitten hat, als ich. Auch meine Schwiegermutter besuchte mich; und diesem innigen Leben mit meiner Familie, dieser liebevollen Sorge für mich, den Bemühungen meiner andern Freunde, mich zu zerstreuen, danke ich größtentheils meine schnellere Genesung. Zu meiner Stärkung schickte mir der Herzog ein halb Dugend Bouteillen Madeira, die mir neben ungarischem Weine vortrefflich bekommen." Unter den jungen dienstwilligen Hausfreunden machte besonders Adlerskron durch die liebevolle Umsicht, womit er der Wartung Schiller's sich hingab, um ihn und die Familie sich hochverdient. Auch trat damals der kaum achtzehnjährige gefühlvolle Hardenberg (Novalis) in ein nahes Verhältniß zum Schillerschen Hause.

War nun auch durch den trefflichen Arzt Starke die Lebensgefahr, worin Schiller schwebte, für den Augenblick beseitigt, so hatte doch der furchtbare Anfall seine Gesundheit in ihren Grundvesten erschüttert ; sein Körper blieb für den ganzen Lebensrest zerrüttet, wenn gleich sein Geist eine wunderbare Frische behielt, ja zeitweise sich wahrhaft ver= klärte. Die Natur hatte ihn, wie wir wissen, von Haus aus nicht mit einer starken, widerstandskräftigen Gesundheit ausgestattet, und das Leben in der Karlsschule war ihm leiblich nicht förderlich gewesen. In der folgenden Zeit hatten sodann Unregelmäßigkeit im Lebenswandel,

drückende Sorgen, heftige Gemüthsbewegungen, Ueberanstrengung des Geistes, das langwierige Wechselfieber in Mannheim, Nachtwachen, gekrümmtes Siten bei der Arbeit, selbst Abhärtungsversuche, die er zu weilen machte, seinen Körper noch mehr entkräftet; besonders neigte er feines oft anhaltenden Stubenlebens wegen sehr zu Erkältungen. In der lezten Zeit aber hatte, wie dies Wieland (im Vorwort zum Histor. Kalender für Damen 1792) bezeugt, das Experiment im Schnellarbeiten bei der Darstellung des dreißigjährigen Kriegs ihm heftig zugesezt und den eben beschriebenen Krankheitsanfall vorbereitet, von dem er nie wieder vollständig genesen sollte. Wie sein Leben im Knabenalter ein Kampf mit Geistesdruck, dann weiterhin und noch jezt mit der Armuth war, so ward es von nun an ein erhaben tragisches Ringen eines starken und muthigen Geistes mit einem siechen und hinfälligen Leibe. Er durchschaute selbst die Gefahr, die ihn fortwährend bedrohte, verbarg fie aber den Seinigen. Nur dem Dresdener Freunde, der ihm in diesen Leidenstagen wieder das treueste Bruderherz bewährte, gestand er sie. Körner versuchte ihm und sich selbst Muth einzureden. „Du hast eine schreckliche Krankheit überstanden“, schrieb er am 1. März, „und es ist, als ob du mir von neuem geschenkt wärest. Wohl dir, daß du eine so brave Gattin gefunden hast! Ohne ihre Sorgfalt hättest du schwerlich gerettet werden können."

Kaum fühlte er sich wieder etwas leidensfrei, so kehrte seine heitere Stimmung zurück, und mit ihr seine Arbeitslust. An die Fortseßung der Geschichte des dreißigjährigen Krieges durfte er sich noch nicht wagen; die öffentlichen Vorlesungen mußten des Zustandes seiner Brust wegen einst weilen unterbleiben; der Herzog dispensirte ihn von denselben willfährig für den Rest des Wintersemesters und den nächsten Sommer. So begann er denn, gleich stark von einem sittlichen, wie von einem kunstphilosophischen Interesse getrieben, jest gegen Anfang März 1791 zum ersten Mal ein ernsteres Studium Kant's. Wahrlich es läßt sich kaum ein empfehlenderes Zeugniß für eine Philosophie denken, als daß ein heldenkender Geist, der sich nicht fern dem Rande des Grabes glaubt, zu ihr sich hinwendet, um Beruhigung und Erhebung zu schöpfen. Zugleich erkannte er eine kunstphilosophische Durchbildung als die leste Aufgabe, die er noch zu lösen hatte, ehe er wieder, wenn das Schicksal es vergönnte, zum Dichter werden konnte. Er nahm daher von Kant's Hauptwerken zunächst die Kritik der Urtheilskraft vor, in die er leichter, als in die Kritik der reinen Vernunft, einzudringen hoffte, weil er selbst über Aesthetik schon viel nachgedacht und auch empirisch mit einem Theil des Kunstgebiets sich bekannt gemacht hatte.

Am 10. April finden wir ihn seit einigen Wochen in Rudolstadt. „Meine Brust", schrieb er unter, diesem Datum an Körner, „ist mirum nichts leichter geworden; vielmehr empfinde ich noch immer bei starkem, tiefem Athemholen einen spannenden Stich auf der Seite, die entzündet gewesen ist, öfters auch Husten und Beklemmungen. Ich mag. es hier Niemand sagen, was ich von diesem Umstande denke; aber mir ist, als ob ich diese Beschwerden behalten müßte. Eine Stunde laut zu lesen wäre mir ganz und gar unmöglich ... Ich reite die Woche drei-, viermal spazieren, und erwarte nur die frischen Kräuter, um nach der Verordnung des Arztes Selterwasser abwechselnd mit Milch und frischen Kräutersäften zu gebrauchen . . . Mein Gemüth ist übrigens heiter, und es soll mir nicht an Muth fehlen, wenn auch das Schlimmste über mich kommen wird." Gleichzeitig meldete er, daß er einen be= geisternden Stoff zu einem lyrischen Gedicht (wahrscheinlich zu der später uns wieder begegnenden Hymne an das Licht) gefunden und ein Stück aus dem zweiten Buch der Aeneide in Stanzen gebracht habe. „Es ist aber“, fügte er hinzu, „beinahe Originalarbeit, weil man nicht nur den lateinischen Text neu eintheilen muß, um für jede Stanze ein kleines Ganze zu erhalten, sondern auch, weil es durchaus nothwendig ist, dem Dichter im Deutschen von einer andern Seite wiederzugeben, was von der einen unvermeidlich verloren geht."

Den für's Schlimmste, was drohen könnte, versprochenen Muth sollte er leider bald zu bewähren haben. In der zweiten Maiwoche kamen unter mehrern periodisch wiederkehrenden Anfällen zwei der furchtbarsten Art. Die Respiration wurde so schwer, daß er über der Anstrengung, Luft zu bekommen, bei jedem Athemzug ein Lungengefäß zu zersprengen fürchtete. Mit dem ersten Anfall verband sich ein starker Fieberfrost: die Extremitäten wurden eisig kalt, der Puls verschwand, in heißem Wasser blieben die Hände unerwärmt und nur die stärksten Friktionen brachten wieder einiges Leben in die Glieder; den zweiten glaubte er nicht zu überstehen; jeden Augenblick meinte er der schrecklichen Mühe des Athemholens zu erliegen. Eines Lautes war seine Stimme schon nicht mehr fähig, und zitternd konnte er nur noch schreiben, was er gerne gesagt hätte. Darunter waren auch einige Worte an Körner, die er nach überstandenem Anfall zurückhielt und als Andenken an den gefahrvollen Augenblick aufbewahrte. Starke wurde Nachts aus Jena herbeigeholt, fand aber bei der Ankunft den Kranken in einem wohlthätigen Schlafe. Sein Geist war mitten in dem schweren Kampfe heiter geblieben; nur der Anblick Lottens, die dem drohenden Schlage zu erliegen schien, hatte ihm Schmerz verursacht. „Ueber

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