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Auch den modernsten Schwärmern für Naturwirklichkeit und Farbenpracht gilt eben der tiefere künstlerische Gedanke wenig, wie denn die Manieristen ja niemals nach Geist fragen; es ist deshalb nichts Seltenes, in solchen Kreisen dieselbe Aeußerung zu hören, welche cinst von den Anhängern des Zopfes und später besonders von Wilhelm Schadow endlos wiederholt wurde, Cornelius möge vielleicht ein geistvoller Zeichner sein, aber durchaus sei er kein Maler. Wir wollen uns dieses Umstandes und seines, theils zopfigen, theils persönlichen, theils französisch - belgischen Ursprungs nur erinnern, um desto deutlicher die Wahrheit hervorzuheben, daß Carstens die ganze Tiefe seines Wesens an die klassische Kunst hingab, und daß der lette Grund unserer ganzen Kunstblüthe nur in der innigsten Vermählung deutschen Geistes mit hellenischer Schönheit beruht. Fern sei es, hier den Reiz und die Poesie der Farbe leugnen und herabsetzen zu wollen, doch Alles hat sein Maß und seine Grenze, und jene angedeutete Partei übertreibt wiederum das Wahre und Berechtigte ihrer Ansichten, so daß auch sie zum ernsten Kampf herausfordert. Viele aber giebt es gewiß noch, die ein Papier mit poesievoller, geistreicher Zeichnung einer Leinwand mit blendendem Farbenanstrich vorziehen.

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In das Jahr 1798 fällt der Tod von Carstens. Drei Männer nahmen sich ihn sogleich zum Vorbild für ihr eigenes malerisches Streben und arbeiteten in Rom mehrere Jahre ruhig weiter. Es waren Wächter, Schic und Koch. Ihnen aber war das Hohepriesterthum für die neue Verkündigung der Kunst nicht beschieden, sie sollten nur Alles erhalten und zurichten, bis die Stunde kommen würde. Und diese war im Herannahen. Denn schon war auch Thorwaldsen in Rom. Er sah Carstens, der ihm von dem gemeinsamen Besuche der Kopenhagener Akademie schon bekannt war, noch persönlich, und erklärte stets offen und frei, welche maßgebende Anregung er von ihm empfangen; ja er sagte, daß er Carstens Alles verdanke. Man weiß, wie unfertig in seiner allgemeinen und künstlerischen Bildung Thorwaldsen nach Rom kam, so unfertig, daß er oft meinte, erst in Rom habe sein Leben begonnen, erst der Tag seiner Ankunft in Rom sei sein wahrer Geburtstag. So wuchs dort in der ewigen Stadt der deutsche Praxiteles im Anschauen edler Kunstwerke, geleitet durch Carstens grundlegende Arbeiten, heran. Ich nenne ihn deutsch. Denn es ist sehr

irrig, Thorwaldsen als einen geborenen Dänen im Gegensatz zum deutschen. Leben zu denken, oder ihn gar zum modernen Eider-Dänen zu machen, wie das sein Biograph Thiele in dem dreibändigen vielfach so mangelhaften Buche thut, welches schließlich fast keinen anderen Zweck zu haben scheint, als Thorwaldsen zu einem dänischen Parteimann zu stempeln. So etwas ist mehr als schwach, wenn man die deutsche Bildung der besseren Kreise Kopenhagens zumal am Ende des vorigen Jahrhunderts, Thorwaldsen's Zustand, bevor er nach Rom kam, und seinen vollen Eintritt in die deutsche Kunstentwickelung ins Auge faßt. Auch hat Thorwaldsen sich selbst stets in diesem Sinne und Zusammenhange betrachtet, und sich lebendig in Uebereinstimmung mit deutschem Geist und Wesen gefühlt, wie dies vor den neuesten Kämpfen alle wahrhaft gebildeten Dänen thaten. Weiteres über diesen sonnenklaren Punkt zu sagen, wäre Thorheit.

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Die ersten sieben Jahre in Rom verlebte Thorwaldsen wie in künstlerischer Kindheit, fast nur aufnehmend und sich bildend. Von 1803 an beginnt sein eignes Schaffen. Und gerade im Jahre 1803 kam auch Schinkel auf seiner ersten italienischen Studienreise nach Rom. kennen wir jetzt in dem ersten und zweiten Jahrzehnt unseres Jahrhunderts die einzelnen Geburtsstunden für unsere Kunst und ihre Zweige; wir verstehen die vorbereitende Kultur Entwickelung, wir sehen dann in Carstens die erste Regung des neuen Wesens, und begreifen in dem ganzen geistigen Streben des Volkes das befruchtende Lebenselement. So im Innersten und im vollsten Sinne organisch aus dem deutschen Volke emporgewachsen erscheint die deutsche Kunst. Kühn und im eigenen Gefühle der Kraft hat sie sich erhoben, kein August und kein Mediceer hat ihre Jugend gepflegt, erst die blühende Jungfrau wurde von Königen und Fürsten umbuhlt, aber sie blieb ihres Ursprungs gedenk und hielt stets zum Volke. Uns aber, die wir eine solche Kunst besißen, ziemt des

Dichters stolzes Wort:

„Kein Augustisch Alter blühte,

Keines Mediceers Güte

Lächelte der deutschen Kunst.

Sie ward nicht gepflegt vom Ruhme,

Sie entfaltete die Blume

Nicht am Strahl der Fürstengunst. . . .

Rühmend darf's der Deutsche sagen,

Höher darf das Herz ihm schlagen;

Selbst erschuf er sich den Werth.“

Ein doppeltes Vermächtniß ist es so für uns, die Nachlebenden, das herrliche Gut rein und lauter zu erhalten, uns nicht vom falschen Scheine blenden zu lassen, sondern treu und fest an den Lebensquellen der Kunst zu stehen.

Für Bildnerei und Malerei ist der Geburtsort Rom selbst; für die Baukunst änderte sich dies naturgemäß vermöge der besonderen Eigenschaften der Werke in dieser Kunst. Schinkel baute von 1818 ab das berliner Schauspielhaus, und in dieses Jahr muß man den Anfang der Blüthezeit unsrer Architektur setzen. Der neue Geist der Kunst und der künstlerische Genius des Erbauers kamen in diesem Werke zum durchschlagenden Ausdruck, und die baukünstlerischen Unternehmungen seit jener Zeit stehen durchaus in einer ursprünglichen Zusammengehörigkeit mit jenem, welches die vorbereitende Entwickelung schließt und die Baukunst in die Blüthenepoche führt. Fast zu gleicher Zeit schlug die Geburtsstunde der Malerei. Seit 1815 wurde ein Saal des Bartholdy'schen Hauses zu Rom a fresco unter Cornelius' Leitung gemalt, und hierin oder richtiger in des Meisters eigenen beiden Bildern aus der Geschichte Joseph's sehen wir den Wendepunkt zur Blüthe. Für die Bildhauerei behauptet Thorwaldsen's Jason vom Jahre 1803 dieselbe Bedeutung. So zeigt es sich auch hier und weist auf die alte Verwandtschaft hellenischen und deutschen Wesens hin, daß die Plastik zeitlich der Malerei vorausschreitet, während die Baukunst sich ihrer besonderen Bedingungen wegen in mehr abgesonderter Weise hält. In Italien war es dereinst umgekehrt. Dort ging die Malerei vorauf, und erst als diese fast schon ihre Mittagshöhe erreicht hatte, folgte die Bildnerei. Diese Erscheinungen sind gewiß nicht Zufall, sie liegen ebenso im Charakter der Deutschen und Italiener wie in der großen, allgemeinen kunstgeschichtlichen Entwickelung überhaupt begründet.

Der Sinn von der Erscheinung dieser drei Männer ist, wir haben es schon ausgesprochen, die Wiedergeburt der klassischen Kunst im deutschen Geiste, es ist die zweite Renaissance, aber nicht wie jene erste, eine neue der römischen Kunst, sondern die der griechischen. Die

Dichter des vorigen Jahrhunderts, besonders Klopstock, gingen in die Schätze der griechischen Literatur zurück, der Homer wurde ein Buch, das man in der Tasche trug und im Schatten einer traulichen Linde las. So innig verwebte sich das Alte mit dem Lebenden, und es mag für uns bezeichnend sein, daß die Blüthe der Dichtung der der Kunst voraufgehen mußte, ja daß auch Musik und Philosophie ihre glänzenden Höhenpunkte bereits erreicht hatten, als die bildenden Künste ihre Blume zu entfalten strebten. An den Werken unserer Dichter sind unsere Künstler groß geworden, die Töne Gluck's und Mozart's schlugen an ihr Ohr, und ohne daß sie es vielleicht selbst merkten, waren schon durch Schiller Gedanken der Kantischen Philosophie in ihr Fleisch und Blut übergegangen. Von Schinkel wissen wir auf das bestimmteste, wie er sich an Goethe, Schiller und Lessing gebildet, wie er Fichte hoch verehrte; Cornelius konnte in seiner Jugend Schiller's Gedichte und Dramen, besonders die der ersten Periode, fast auswendig, und seine Begeisterung für den Faust spricht aus seinen Zeichnungen, daß aber auch Thorwaldsen an den Brüsten deutscher Dichtung gesäugt ist, müssen wir ohne jeglichen Zweifel annehmen, wenn wir nur einen Blick werfen in den römischen Kreis, in welchem Thorwaldsen sich bewegte. Er wohnte mit Koch zusammen, hatte mit Fernow und Koch gemeinsam den Nachlaß von Carstens geordnet, — den übrigens Herr Thiele auch zu einem dänischen Maler macht, war mit Wächter und Schick auf das Innigste vertraut, und hatte zeitlebens die deutschen Klassiker und den deutschen Homer um sich in seiner kleinen Büchersammlung. Als er seinen Fuß an die Küste Italiens sette, verstand er kein Wort italienisch, in Rom waren es Deutsche, die zuerst seinen Umgang bildeten, und mit denen er stets verkehrte. Wer soll die Namen alle nennen? Und wer wagte zu sagen, daß Thorwaldsen, von Haus aus mit deutscher Sprache und Art vertraut, in dieser steten Umgebung nicht die Einflüsse der deutschen Literatur lebendig und folgenreich in sich aufgenommen? Wenn die griechischen Künstler sich an Homer, Aeschylos und Sophokles begeisterten, wenn mit Dante's Einwirkung die italienische Kunst auflebt und mit dem Erlöschen jener selbst abstirbt, so sind die Dichter, aus deren Gesängen die Begeisterung in die Seele deutscher Künstler drang, Schiller und Göthe.

Unter diesen geistigen Einflüssen lebte der deutsche Künstlerkreis in

Rom, lebten die Meisten derjenigen in der Heimath, die später an ihn sich anzuschließen oder im Vaterlande zu wirken hatten. Aber ein ganz neues Element trat in jenen Kreis im Jahre 1810, als Overbeck und Wilhelm Schadow nach Rom kamen. Beide waren Protestanten, aber von großer Neigung zur Romantik und zur christlichen Heiligen-Geschichte. Overbeck, eine reine Seele von frömmster Gläubigkeit, fand im Protestantismus, der gegen die reiche Pracht, gegen die Fülle poetischer Legenden, welche die katholische Kirche bietet, immerhin nüchtern erscheint, keine Befriedigung; und wenn wir auch noch so große Gegner aller Conversionen sind, so mögen wir Overbeck frei sprechen, denn er mußte nothwendig katholisch werden. Die Richtung seiner aus der tiefsten Seele entspringenden Kunst forderte dies. Overbeck ist aber überhaupt eine so für sich einzeln stehende Erscheinung, daß er ganz nach eigenem Maßstabe nur wie eine Ausnahme, nicht als ein Muster für andere beurtheilt werden kann. Schadow stellt in gewissem Sinne den vollsten Gegensatz zu Overbeck dar, und Viele behaupten, sein Uebertritt zur katholischen Confession sei nicht rein inneres Bedürfniß gewesen. Sei ihm, wie ihm sei: er hat unzweifelhaft von demselben großen äußern Vortheil gehabt, und Overbeck's Gewinn war geistiger Natur. Wenn so beide Männer später einen erheblichen Gegensatz ausdrücken, als Menschen, Künstler und Lehrer, so vereinigte sie damals doch derselbe schwärmerische Drang, und es ist ihnen zu danken, daß sie im Streben, ihre christliche Begeisterung auszudrücken, auf die mittelalterlichen Meister zurückgingen, und so der Malerei das zweite Moment zuführten, ohne welches diese nicht emporblühen konnte.

Ueber die ewige Gültigkeit und unantastbare Schönheit der klassischen Antike auch nur ein Wort zu wiederholen, hieße wahrlich Eulen nach Athen und Wasser in die Donau tragen. Aber eben so wenig richtig wäre es, sie ausschließlich, besonders für Malerei gelten lassen zu wollen. Von ihrem Studium allein konnte namentlich nicht die Darstellung christlicher Stoffe in der Malerei ausgehen, eben so wenig wie von Dürer oder Rubens die plastische Kunst. Und was hieße es auch, die mittelalterliche und neuzeitliche Malerei, was, die Deutschen und Italiener, was, Rafael verleugnen? Von hier floß der andere Strom, der, mit den Wassern des Helikon gemischt, den Boden fruchtbringend bespülte, aus dem die deutsche

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