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welcher die Geschichte der politischen, kirchlichen und geistigen Bewegungen seit 1840 kennt, der einen Blick in den Charakter Friedrich Wilhelm's IV. gethan, und dem die Kunstzustände seit dem Tode dieses Königs nicht ganz fremd sind, wird auch die Geschichte des neuen Dombaues zu Berlin leicht verständlich sein. Wir müssen auf ein näheres Eingehen in dieselbe verzichten, obwohl es nicht ohne Interesse sein müßte, die Schicksale desjenigen Werkes zu erzählen, mit welchem die reifste und höchste Thätigkeit unsers Meisters in so innigem Bezuge steht. Denn auch für den Dom sollte Cornelius noch einen großen Auftrag erhalten.

Nach dem tiefgreifenden Umschlage, der zu Anfang der fünfziger Jahre die Bewegung von 1848 abgelöst hatte, tauchte auch in den Hofkreisen sehr bald wieder der Lieblingsgedanke des Königs auf, und man wirkte für den Neubau des Domes. Wenn man nun auch nicht, wie jeder praktische Bauherr gethan hätte, mit dem Bau selbst begann, so erfreute man sich doch an der Idee, und beschäftigte sich mit der künstlerischen Ausschmückung dieses embryonischen Domes. Ja man gab Aufträge zu Gemälden, mit denen die Kirche geziert werden sollte, und so fiel Cornelius die Aufgabe zu, einen Entwurf für ein großes Fresko in der bereits erwähnten Absis zu bearbeiten. Er unterzog sich derselben willig, allein er glaubte in Berlin ein solches Werk nicht vollenden zu können; hier, wir können es nicht leugnen, konnte nach allem Vorgefallenen nicht der Ort sein, der seine künstlerische Begeisterung zu befruchten im Stande war. In Rom sprach Alles anders zu ihm, und die Werke Rafael's und Michelangelo's regten ihn tief an. Sein Entschluß, zurückzugehen zu jenen Quellen der Kunst, mußte mit der Annahme dieses Auftrages zugleich feststehen, denn nur in Rom glaubte er ihn ausführen zu können.

. „Ich möchte dort,

wo noch der Geist der großen Männer schwebt,
und wirksam schwebt, dort möcht ich in die Schule
aufs neue mich begeben.“ . .

So dachte mit Göthe's Tasso auch unser Meister und er folgte frei dem Zuge seines künstlerischen Bewußtseins. Nach einer kurzen Erholungsreise, die er im Herbst 1852 nach Süddeutschland unternommen, trat er im folgenden Frühjahr in Begleitung seiner Familie die weite

Pilgerfahrt an. In München war wieder das alte Zusammensein, und Cornelius fand Gelegenheit, in Beantwortung eines auf ihn ausgebrachten Trinkspruches ein Hoch dem König Ludwig zu weihen, und zugleich seiner Stimmung über einzelne der neueren Kunstunternehmungen dort Ausdruck zu geben. Er schloß: „Jetzt noch bringe ich ein Pereat allen Schacherjuden in der Kunst!" und man wird heute die Bedeutung dieser Worte wohl leichter und richtiger verstehen, als damals, wo man am liebsten diese Schacherjuden im Monde suchen wollte, während man doch leicht hätte die Goldstücke klingen hören können, um welche sie die göttliche Kunst verriethen. In Florenz wurde Cornelius durch ein Unwohlsein einige Zeit aufgehalten, erreichte aber dann in guter Gesundheit Rom, wo ihn die Deutschen mit Liebe und Begeisterung empfingen, und ihn zur Feier seines Namenstages am 29. Juni festlich in ihre Mitte luden. Der Meister überließ sich alsobald seinen Studien und schon im Frühjahr 1854 meldeten Berichte aus Rom die Vollendung der neuen Composition; ihre Ausführung in Deckfarben nahm ihn dann ausschließlich in Anspruch, bis er im Frühjahr 1856 sein neues Werk als beendigt aus den Händen geben konnte.

Es ist bekannt, daß dies die Erwartung des Weltgerichtes ist. Dieser farbige Karton ist etwa seiner Höhe nach der zweihundertste Theil von dem beabsichtigten Fresko und natürlich in seiner Breitenausdehnung gradlinig, während das Fresko dem Halbkreise der Abfis sich anschließt. Das muß man bei Betrachtung des Werkes im Auge behalten, da die Krümmung der Linien eine größere Lebendigkeit, reichere Perspective und eine schlankere Proportion erzeugen würde. Freilich hätte man im Großen wieder denselben Uebelstand, der schon bei dem jüngsten Gerichte der Ludwigskirche erwähnt wurde, daß man nemlich haushohe Gemälde nicht mehr unmittelbar übersehen und mit einem Male anschauen kann. Und dies Fresko würde einen Flächenraum etwa 211⁄2 Mal so groß als das Münchener Bild bedeckt haben! Hier nun im Kleinen läßt sich das Werk als Ganzes vortrefflich übersehen, und da auch die Ausführung im Einzelnen vollkommen durchgebildet ist, so können wir auf diese Weise die großartige Schöpfung als eine in sich geschlossene und für sich selbst lebende betrachten und genießen. Nur die Aquarellfarben erinnern zunächst, daß es eigentlich eine farbige Vorlage für ein Fresko ist, dann weist uns der Gegen

Riegel, Cornelius.

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stand und die Composition selbst auf einen gewissen Zusammenhang mit einer bestimmten Architektur und einen bestimmten Zweck hin, und ferner müssen wir die bezeichnete Rücksicht auf die Krümmung der Horizontallinien beachten. Endlich jedoch tritt noch als wesentlichstes Moment für die Beurtheilung des Werkes der Umstand hinzu, daß dem Meister die ausdrückliche Bedingung gestellt wurde, den König sammt seiner Familie auf diesem Bilde anzubringen, und so Friedrich Wilhelm's IV. bekannten Ausspruch: „Ich und mein Haus, wir wollen dem Herrn dienen!“ künstlerisch zu verewigen. Betrachten wir aber jetzt zuerst den von Cornelius gewählten Stoff.

Eine Erwartung des jüngsten Gerichtes! Man sollte im Voraus meinen, daß dieser Gedanke wenig Sinn haben könne, da doch der Richter sich ankündigt, er werde so unverhofft kommen, wie der Dieb in der Nacht; wenn er aber in so überraschender Plötzlichkeit erscheint, wie kann er da erwartet werden? Dies ist nach den kirchlichen Dogmen gewiß folgerichtig und unzweifelhaft, wir müssen also eine Bedeutung aufsuchen, die über das Dogma hinausgeht, oder die das Dogma zu einer allgemein menschlichen und ewigen Wahrheit vergeistigt. Haben wir nicht einen Vergleich? Auch der Tod kommt ja unerwartet und plößlich wie der Dieb in der Nacht, und sollen wir ihn dennoch nicht jede Stunde erwarten? Ja, unser ganzes Leben soll nur eine stetige Erwartung des Todes sein, da es doch, wie Dante singt, Nichts ist als ein Laufen zum Tode hin, un correre alla morte. *) Unser Ziel ist das Abstreifen des schweren Erdenkörpers und die Befreiung unsers unsterblichen Theiles von ihm durch den Tod; denn der Tod ist, wie Sokrates in Platon's Phädon spricht, Nichts als der Umzug dorthin, Nichts, wie die alten Jnder sagten, als der Geburtstag zu einem neuen wahren Leben. Deshalb sollten die Menschen sich billigerweise darauf freuen, zum Mindesten aber soll dies Ziel uns immer wie ein Angelpunkt und Pol fest vor Augen stehen, und wir sollen immer annehmen, die gegenwärtige Stunde sei auch unsere lezte:

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Verlieren wir den Gedanken, daß unser Tod jeden Tag eintreten könne,

*) Purgat. XXXIII. 54. **) Hor. Epist. I. 4.

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aus dem Gesichte, so geben wir uns eben einem unwürdigen Leichtsinn hin, denn der Genuß dieses Lebens und die Beruhigung der Seele mit der behaglichen Auskömmlichkeit hier ist trügerischer Schein. An uns richtet sich dann das Wort des Gleichnisses: „Du Narr, diese Nacht wird man deine Seele von dir fordern; und weß wird es sein, daß du bereitet bist?" Immer bereitet sollen wir sein, die dunkle Pforte zu durchschreiten, und so muß der Gedanke an den Tod, wenn wir so sagen dürfen, nie aus unsrer Seele kommen, damit, wann er eintritt, wir in fröhlichem Gottvertrauen den nächtlichen Pfad wandeln. Sokrates mag uns ein Beispiel sein, dessen letzte Worte waren: „Dem Asklepios sind wir einen Hahn schuldig; bezahlt die Schuld und laßt es nicht unbeachtet," oder aus der Bildersprache der griechischen Mythologie in christliche Ausdrucksweise übertragen, etwa: „Bringet Gott Dank, daß er mich endlich von dem Leibe dieses Todes erlöset." So mögen wir denn die Mahnung dieses herrlichen Weisen und heiligen Mannes, „daß all unser Treiben und Denken auf nichts Anderes gerichtet sein solle, als auf Sterben und Todtsein," als sein edelstes Testament hier auffaffen. Aber der Tod an sich ist gleichgültig, was nach ihm aus uns wird, dies ist das Entscheidende und Wesentliche, und deshalb faßt Sokrates auch Sterben und Todtsein in eins zusammen. Denn das ist auch hier die Frage: „Sein oder Nichtsein?" Todtsein könnte auch sein ein Nichtsein! Wohl meint der lebensmüde Hamlet : „Sterben schlafen es ist ein Ziel aufs Innigste zu wünschen!" Und doch auch er war nicht der Mann, die dunklen Pforten aufzureißen, an denen Jeder gern vorüberschleicht;" ein einziger Gedanke verweht seine Entschlüsse, wie ein kalter Wind die Spreu:

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nichts weiter?

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Es ist so Etwas im Menschen, das man Gewissen nennt, und das über Kurz oder Lang doch bei Jedem einmal zum Sprechen kommt. Die Gesammt= idee aber der menschlichen Gewissenszustände kleidet sich künstlerisch, wie wir schon fahen (S. 132), in die Vorstellung vom jüngsten Gericht. Die Stimme unsres Gewissens allein, die über den Tod hinweg in die Ewig

keit zu uns redet, schallt deshalb der Posaune des jüngsten Tages voraus, greift dem Spruche des Weltrichters vor, und giebt uns eine Ahnung unsrer Zukunft. Wenn wir also streng unterscheiden, so leben wir eigentlich nicht in der steten Erwartung des Todes, sondern vielmehr des Zustandes nach dem Tode, und für diesen besitzen wir allein in unserm, Gewissen einen sicheren Maßstab. (Vergl. auch Beischriften Nr. 12.)

Will aber die Kunst diesen ernsten und großen Gegenstand behandeln, und will sie diejenige Idee anschaulich machen, welche die nie ruhende Begleiterin des Menschen ist, so muß sie aus dem subjectiven Gefühl des Einzelnen, wie aus der objectiven Abstraction der Philosophie übergehen zu der concreten Gestaltung dieser Gedanken, wie die Schrift fie giebt. Bisher hatte die Kunst in diesem Falle das jüngste Gericht dargestellt; allein wir müssen zugeben, daß in einem solchen Bilde doch ein anderer Sinn liegt, als wie wir ihn uns hier denken. Das Gericht als eine künstlerisch gestaltete Thatsache ist etwas anderes, und wir haben hier schon versucht, uns über die Bedeutung solcher Gemälde zu verständigen. Indem wir aber immerdar bereit uns halten, durch den Tod in die Ewigkeit einzugehen, leben wir doch nicht dem Gericht als der vollendeten Thatsache gegenüber, sondern wir leben in seiner Erwartung. Was heißt dies also anders, als wir leben in der Erwartung des Todes? Der Tod ist nur, da er lediglich das Ereigniß der Vermittelung ist, aus der Ideenkette gestrichen, und der Geist greift über ihn hinaus in die fernste Zukunft. Obgleich nun freilich die Erwartung des Gerichtes, um in dieser Gleichnißsprache zu bleiben, eigentlich nur in unserer Seele als nie rastendes Lebensprinzip unsichtbar wirkt, so hat dennoch auch die Kunst ein Recht auf diese hohe Idee. Was die Darstellungen des Weltgerichtes bereits handgreiflich vor Augen bringen, die Scheidung der Seeligen und Verdammten, muß in der Erwartung des großen Ereignisses folgerichtig fehlen, aber es muß im Herzen des Beschauers durch den Ruf seines Gewissens widerklingen. Deshalb wird die Erwartung naturgemäß milder und geistiger erscheinen, als das Gericht selbst, ja sie wird in weit erhöhterem Maße, als dieses, Gleichniß sein müssen; von ihr gelten in unbedingt zutreffendem Sinne Schiller's Worte: „Was sich nie und nirgend hat begeben, das allein veraltet nie." Die Erwartung des Ge

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