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Sulpiz Boifferée reiste nach Weimar und legte sie Göthen nebst anderen Zeichnungen und Kupfern vor. Alie diese zusammen bezogen sich auf das Mittelalter, und auch dem klassischen Dichter theilte sich Boisseree's Interesse an „eine zwar düstere aber durchaus ehren- und autheilswerthe Zeit“ mit, wenn sich jener auch nur wie bei einer veränderten Theaterdecoration, abermals gern in Zeiten und Localitäten versehen ließ, zu denen man in der Wirklichkeit nicht wieder gelangen sollte". Göthe hatte einmal erkannt, daß die eine Schönheit, von der Winckelmann redet, in der klassi= schen Antike ruhe und nur von dort neues Leben empfange; seine einstige Schwärmerei für die Kunst des Straßburger Münsters war vorüber, sie erschien ihm seltsam. Diese Ansicht ist jedenfalls die höhere und richtigere. Für uns aber sind die Erscheinungen jener Tage jezt, wo die nationaldeutschen Kunst- und Literaturbestrebungen von damals zur Romantik mit all deren schwärmerischen Folgen sich ausgebildet und deren Schicksal getheilt haben, ganz vorwiegend geschichtliche. Und deshalb sehen wir Blätter wie den Cornelius'schen Faust anders an, als Göthe es einst that. Doch hören wir erst das Urtheil des Dichters selbst über die malerische Gestaltung seines eigenen Werkes. Er schrieb am 8. Mai 1811 an unseren Künstler den folgenden Brief:

„Die von Herrn Boisserée mir überbrachten Zeichnungen haben mir auf eine sehr angenehme Weise dargethan, welche Fortschritte Sie, mein werther Herr Cornelius, gemacht haben, seit ich nichts von Ihren Arbeiten gesehen. *) Die Momente sind gut gewählt, und die Darstellung derselben glücklich gedacht, und die geistreiche Behandlung, sowohl im Ganzen als Einzelnen muß Bewunderung erregen. Da Sie sich in eine Welt versetzt haben, die Sie nie mit Augen gesehen, sondern mit der Sie nur durch Nachbildungen aus früherer Zeit bekannt geworden, so ist es sehr merkwürdig, wie Sie sich darin so rühmlich finden, nicht allein, was das Costüm und sonstige Aeußerlichkeiten betrifft, sondern auch der Denkweise nach; und es ist keine Frage, daß Sie, je länger Sie auf diesem Wege fortfahren, sich in diesem Elemente immer freier bewegen werden.

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„Nur vor einem Nachtheil nehmen Sie sich in Acht. Die deutsche

*) Früher hatte Cornelius an Göthe wegen einer Preisbewerbung eine Zeichnung „Theseus beim Peirithoos in der Unterwelt" eingesendet; s. Beischriften 4.

Kunstwelt des 16. Jahrhunderts, die Ihren Arbeiten als eine zweite Naturwelt zu Grunde liegt, kann an sich nicht für vollkommen gehalten werden. Sie ging ihrer Entwickelung entgegen, die sie aber niemals so, wie es der transalpinischen geglückt, völlig erreicht hat. Indem Sie also Jhren Wahrheitssinn immer gewähren lassen, so üben Sie zugleich an den vollkommensten Dingen der alten und neuen Kunst den Sinn für Großheit und Schönheit, für welchen die trefflichsten Anlagen sich in Ihren gegenwärtigen Zeichnungen schon deutlich zeigen. Zunächst würde ich Ihnen rathen, die Ihnen gewiß schon bekannten Steinabdrücke des in München befindlichen Erbauungsbuches so fleißig als möglich zu studiren, weil, nach meiner Ueberzeugung, Albrecht Dürer sich nirgend so frei, so geistreich, groß und schön bewiesen, als in diesen gleichsam extemporirten Blättern. Lassen Sie ja die gleichzeitigen Italiener, nach welchen sie die trefflichsten Kupferstiche in jeder einigermaßen bedeutenden Sammlung finden, sich empfohlen sein, und so werden sich Sinn und Gefühl immer glücklicher entwickeln, und Sie werden im Großen und Schönen das Bedeutende und Natürliche mit Bequemlichkeit auflösen und darstellen.

„Daß die Reinlichkeit und Leichtigkeit Ihrer Feder und die große Gewandtheit im Technischen die Bewunderung aller derer erregt, welche Ihre Blätter sehen, darf ich wohl kaum erwähnen. Fahren Sie so fort, auf diesem Wege alle Liebhaber zu erfreven, mich aber besonders, der ich durch meine Dichtung Sie angeregt, Ihre Einbildungskraft in die Regionen hinzuwenden und darin so musterhaft zu verharren. Herrn Boisserée's Neigung, die Gebäude jener merkwürdigen Zeit herzustellen und uns vor Augen zu bringen, stimmt so schön mit Ihrer Sinnesart zusammen, daß es mich höchlichst freuen muß, die Bemühungen dieses verdienten jungen Mannes zugleich mit den Ihrigen in meinem Hause zu besißen“ u. s. w.

Dies Urtheil Göthe's ist in jedem Sinne bedeutend. Er erkannte in Cornelius die Ungewöhnlichkeit und Ursprünglichkeit der Begabung, den natürlichen Zug zur Großheit und Schönheit, aber er witterte mit feinem, wohlberechtigtem Gefühl die Gefahr romantischer Ueberschwänglichkeit, welche das Anknüpfen an die alte nationale Kunst nahe legen mußte, heraus. Nun aber empfahl er einem Manne von achtundzwanzig Jahren, der von klein auf nach Rafael gezeichnet hatte, italienische Stiche, aus denen Cornelius un

möglich noch etwas Wesentliches lernen konnte, und dies war ein Mißgriff. Er hätte ihm schreiben müssen: „Schnüre heute lieber als morgen dein Ränzel, und pilgere nach Rom zu den Werken des Alterthums und der großen Maler, denn dort wird dir eine neue Welt aufgehen." Andererseits aber ist es vom höchsten Werthe, daß Göthe in Cornelius Blättern die Verwandtschaft mit Dürer erkannte, denn dies gerade macht uns den Faust vom kunsthistorischen Standpunkte aus so einzig und wichtig, daß er den Faden deutscher Kunstentwickelung an dieser Stelle wieder anknüpfte. Die ältere deutsche Kunst war durch die Reformation gebrochen und endlich durch italienische und französische Mode getödtet worden. Die akademischen Wiederbelebungsversuche der Kunst durch Mengs waren gescheitert, von Carstens wußte man damals diesseits der Alpen noch wenig, aber man fühlte ebenso heftig wie dieser, daß man mit dem alten Verfahren brechen, daß man den Akademieen offenen Krieg auf Leben und Tod erklären müsse. Wo aber hätte unter solchen Umständen ein, in die Entwickelung der Kunst eingreifender, Genius eine nationale Grundlage, künstlerische Echtheit und geistige Wahrheit finden können, wenn nicht bei Dürer? Und gerade dazu, sich an die alte deutsche Tüchtigkeit zu klammern, drängten die schmachvollen öffentlichen Zustände unsres Vaterlandes, die um jene Zeit ihren Höhenpunkt erreichten. Es war also keinesweges eine absichtliche Form, die Cornelius seinen Compositionen gab, vor Allem zwang ihn sein innerer Trieb dazu, sein Werk in jedem Betracht als ein national deutsches zu schaffen. Er konnte seinem Faust ebensowenig eine klassisch vollkommene Form geben, wie Göthe seinem Götz. Beide Werke lassen sich übrigens für die Entwickelung des Dichters und des Künstlers, wie für die allgemeine der Literatur und Kunst auf das Treffendste vergleichen und durch viele verwandte Beziehungen einander nahe bringen. Genug, wenn man Klopstock und Carstens, wie wir thaten, vergleicht, und ihren Rückgang auf die Antike, deren idealer Schönheit sie begeistert nachstrebten, als die wesentliche Grundlage zur klassischen Vollendung unserer Literatur und Kunst anerkennen muß, so treten Göthe's Götz und Cornelius Faust mit dem Vollgewichte deutsch-nationalen Wesens hinzu. Beide Werke stehen nicht auf der absoluten Höhe der Dichtung und Kunst, aber sie sind unschätzbare Perlen, und verknüpften deutsche Dichtung und

Kunst der neueren Zeit mit einer ruhmreichen Vergangenheit, welche deutsche Art, Sitte und Kraft in erhebender Größe widerspiegelt.

Von diesem Gesichtspunkte aus kann Niemandem die Großheit und Kühnheit der Auffassung in den Cornelius'schen Faustblättern entgehen, Niemand wird die treffende Gestaltung der einzelnen Figuren verkennen, von deren Mustergültigkeit spätere Künstler ungestraft nicht wohl abweichen konnten, Niemand wird die eigene poetische Kraft, mit welcher der Künstler die Dichtung in sich selbst durchbildete, übersehen, wenn er sich auch sagen muß, hier sei eine Form hart, dort eine andere eckig. Dies nehmen wir freudig mit in den Kauf; denn der hohe Sinn, der aus diesen Zeichnungen spricht, ist der, daß in ihnen der Geist Dürer's lebendig geworden, daß wir in unsrer Kunst deutschen Grund und Boden wieder unter uns fühlen, in dem unsere Kraft mächtig gedeihen mußte. Aber den befruchtenden Thau sendete unser Himmel nicht herab, das heilsame Lebenselement reichte jenseits der schneebedeckten Berge in goldener Schaale der Genius der klassischen Kunst.

Im Herbste desselben Jahres 1811 reiste Cornelius nach Rom. Seine künstlerischen Anschauungen waren noch ganz im Mittelalter befangen; sein Geist lebte und webte noch ganz im heimischen Wesen. Wir werden nachher zu dem römischen Kreise zurückkehren, in den er nun, noch in seiner Sendung unerkannt, eintrat, und wir werden versuchen, uns ein Bild zu machen von jenem einzigen, auf das Höchste gerichteten Streben. Zunächst lag ihm sein Faust am Herzen und er zeichnete, wenn auch mit Unterbrechungen, welche die Studien und andere Arbeiten herbeiführten, die weiteren fünf Blätter, welche 1815 fertig wurden. Es befindet sich unter diesen das Blatt mit der Widmung an Göthe, welche, aus Rom vom September 1815 datirt, wie folgt lautet:

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Wenn auch jede wahre Kunst nie ihre Wirkung auf unverdorbene Gemüther verliert, und die Werke einer großen Vergangenheit uns mächtig in die damalige Denk- und Empfindungsweise hineinziehen, so sind doch die Wirkungen einer gleichzeitigen Kunst noch ungleich größer und lebendiger, und ganze Völker, ja ganze Zeitalter sind oft von den Werken eines einzelnen großen Menschen begeistert worden. Wie Ihre Excellenz auf Ihre Zeit und besonders auf Ihre Nation gewirkt haben, ist davon der

Riegel, Cornelius.

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sprechendste Beweis. Möchten Sie unter jenen tausend Stimmen der Liebe und Bewunderung, die sich dankbar zu Ihnen drängen, die meinige nicht ganz überhören und diesem geringen Werke, als einem schwachen Widerscheine Ihrer lebendigen Schöpfungen, eine kleine Stelle in Ihrem Andenken so lange gönnen, bis ein Würdigerer kommt, der mit größerer Kunst und reich begabterem Geiste das wirklich vollführt, wonach ich so sehnlich aber mit geringem Erfolge gestrebt habe. Peter Cornelius.“

Neben der, den Menschen hoch ehrenden, Bescheidenheit und der schönen Pietät gegen Göthe, die sich in diesen Worten aussprechen, erkennen wir in ihnen vornehmlich die volle Klarheit und bewußte Sicherheit, mit welcher Cornelius seinem künstlerischen Berufe sich hingab. Er wollte sich an das Vaterland anschließen, wo auch die „starken Wurzeln seiner Kraft“ waren, und wollte, wenn möglich, so zurückwirken zur künstlerischen Hebung des Vaterlandes selbst. Durch Nichts aber hätte er dies in so hohem Maße gekonnt, als gerade durch Darstellungen aus Göthe's Faust, die er im national-deutschen Geiste, wie dieser in Anlehnung an das Mittelalter damals als das Ideal erscheinen mußte, auffaßte. Heute, wo ein halbes inhaltreiches Jahrhundert seitdem verrauscht, stehen die Sachen anders. Ein späterer Künstler, der einst ein echt deutsches Kunstwerk schaffen will, wird sich nicht an Dürer, er wird sich an Cornelius anlehnen müssen, und er wird hier den echten deutschen Geist in klassischer Form vereint mit Allem, was unsere Zeit Großes und Edles darbot, finden. Jetzt einen Faust zeichnen zu wollen, wie es Cornelius zu Anfange der großen Kunstentwickelung that, deren Ende wir leider allzu nahe zu stehen scheinen, wäre unmöglich, und würde es dennoch versucht, thöricht. An Stelle der Naivität, der ungezwungensten Hingebung, mit welcher Cornelius in der alten deutschen Kunst lebte, würde Absichtlichkeit und gezwungene Unwahrheit treten müssen: kein Mensch möchte so Etwas gern sehen, ebenso wenig als ein vorurtheilsfreier, gesunder Sinn sich von dem absichtlich Naiven gewisser ultramontaner Maler angezogen fühlen kann.

Aber noch in einem anderen Betrachte sind die Faustblätter von dem größesten Interesse. Trotz der technischen Meisterschaft in der Führung der Feder, troß der seltenen Sicherheit, mit welcher jede Linie gezogen ist, läßt sich doch wahrnehmen, daß die künstlerische Darstellungsfähigkeit, also die Form,

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