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artige Persönlichkeit Jesu, neben der selbst ein Buddha matt und ein Sokrates kalt erscheinen mag, sowie über seine Lehre eine historisch begründete und psychologisch zusammenstimmende Vorstellung zu gewinnen. Es kann ferner nicht nachdrücklich genug darauf hingewiesen werden, dass Paulus sich auf seine eigenen Offenbarungen beruft, dafs somit der paulinische Christus, auf welchem die Christusgestalt der Kirche beruht, schon von Haus aus nicht ein historischer, sondern ein idealer Christus ist. Das Bedürfnis, diesen an einem Leben Jesu exemplifiziert zu sehen, führte dann zur Abfassung des vierten Evangeliums, welches, wie unsere Darstellung nachweist, durchaus auf paulinischem Grunde beruht und somit die späteste, aber auch gereifteste und universellste Urkunde des Neuen Testaments bildet.

Ein letztes Kapitel unseres Buches unternimmt den Versuch, den unvergänglichen Kern des Christentums aus der vergänglichen Schale zu lösen, wobei die tiefe innere Verwandtschaft dieses Kernes mit den Grundanschauungen der Kantisch-Schopenhauerschen Philosophie deutlich hervortritt. Im Hinblick auf diesen Kern, welcher als einzige Quelle der Offenbarung das moralische Bewufstsein mit seinen Wunderphänomenen des kategorischen Imperativs, der Freiheit und Verantwortlichkeit, der unwillkürlichen Billigung des Guten und Verwerfung des Bösen bei andern wie bei uns selbst, gelten läfst, aber in diesen metaphysischen, aus der Natur nicht erklärbaren Tatsachen das ganze und sichere Evangelium eines ewigen, über diese Erscheinungswelt hinausliegenden Reiches enthält, dürfen wir es wagen, auch nach allen Unterminierungen des Bibelglaubens durch historische und naturwissenschaftliche Kritik die zu Eingang aufgeworfene Frage: „Sind wir noch Christen?" mit einem zuversichtlichen Ja! zu beantworten.

Nachdem wir schon in Schulpforta angefangen hatten, die an den Schriften der Alten geübte philologisch-historische Methode auch auf die biblischen Bücher anzuwenden, ging auf den Universitäten zu Bonn und Tübingen durch das Studium der Theologie der letzte Rest des Kirchenglaubens verloren. Wiedergegeben wurde mir die Religion durch das Studium der Kantischen und Schopenhauerschen Philosophie. Die ,,Kritik der reinen Vernunft" bewahrte mich vor dem Materialismus, während die „Kritik der praktischen Vernunft" und die „,Welt als Wille und Vorstellung" mich anleiteten, mein Christentum auf den Christus in uns, auf die Tatsachen des moralischen Bewusstseins zu gründen, welche die einzige Quelle sind, aus der auch ein Jesus und Paulus ihre Offenbarungen geschöpft haben. Ein längeres Leben in der Geisteswelt des alten Indiens schärfte dann noch weiter den Blick für die analogen Bildungen auf biblischem Gebiete und erleichterte deren objektive Auffassung. Und so empfinde ich es als ein besonderes Glück, dafs die Ausarbeitung meiner „Allgemeinen Geschichte der Philosophie" in der vorliegenden ersten Hälfte der fünften Abteilung mir die Möglichkeit bot, auch für andere zu sagen, was Kopf und Herz so viele Jahre beschäftigt hatte. Ich habe dabei ein ähnliches Gefühl wie der alte Kâçyapa, nachdem er die lange gepflegte Çakuntala aus seiner Einsiedelei an den Königshof abgesandt hatte: játo mama ayam viçadah prakâmam pratyarpitanyasa' iva antarâtmá,

erleichtert ist jetzt mein Gemüt, als hätt' ich
ein anvertrautes Gut zurückerstattet.

Kiel, im August 1913.

P. D.

CALIFORNIA

Vorbemerkungen und Übersicht.

Das geistige Leben der Gegenwart, dessen volleres Verständnis zu vermitteln zu den wichtigsten Aufgaben einer Geschichte der Philosophie gehört, ist wesentlich bedingt durch den Entwicklungsgang der neuern Philosophie, diese selbst aber ist zum grofsen Teile ein Befreiungskampf des menschlichen Geistes von den durch die Weltanschauung des Mittelalters ihm angelegten Fesseln, ein Kampf, aus welchem nur langsam und spät in der Kantischen Philosophie eine Neuschöpfung hervorging, auf deren Boden wir noch heute stehen. Diese Entwicklung des geistigen Lebens in der neuern Zeit von der Renaissance bis auf die Gegenwart hin kann nicht völlig verstanden werden ohne die in ihm noch vielfach nachwirkende Philosophie des Mittelalters, diese aber wiederum ist ein mixtum compositum aus zwei von Haus aus ganz heterogenen Elementen, der griechischen Philosophie, deren Darstellung in unserm der Philosophie der Griechen gewidmeten Bande unternommen wurde, und der durch das Christentum ererbten Gedanken des Alten und Neuen Testaments, deren ursprüngliche Entstehung und Fortwirkung in Patristik und Scholastik zu verfolgen die hauptsächlichste Aufgabe des vorliegenden Bandes bildet. Nochmals sei wiederholt, was schon in der Vorrede des Gesamtwerkes S. VIII gesagt wurde, dafs die neuere Philosophie bis auf die Gegenwart hin kaum weniger unter dem Einflusse der Gedankenkreise eines Jesus und Paulus als der eines Platon und Aristoteles steht. Eine genetische Darstellung des biblischen Lehrinhalts, frei von

DEUSSEN, Geschichte der Philosophie. II, II.

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