صور الصفحة
PDF
النشر الإلكتروني

382

14

V.212

Das Recht der Übersetzung ist vorbehalten.
Copyright 1913 by F. A. Brockhaus, Leipzig.

VORWORT.

Der als Kritiker ausgezeichnete, aber philosophisch weniger gut beratene Verfasser des berühmten Lebens Jesu, David Friedrich Straufs, wirft in der Schrift seines Alters ,,Der alte und der neue Glaube" die Frage auf: ,,Sind wir noch Christen?" und beantwortet sie mit einem klaren und entschiedenen Nein. Wer aber imstande ist, den philosophischen Kern aus der historischen und daher zufälligen Schale zu lösen, wer nicht bei den blofsen Worten stehen bleibt und eine Sache auch da wiederzuerkennen vermag, wo sie unter anderm Namen und in neuer Einkleidung auftritt, der wird auch nach allen Errungenschaften der Geschichtsforschung, Naturwissenschaft und Philosophie die von Straufs aufgeworfene und verneinte Frage: Sind wir noch Christen? mit einem ebenso klaren und entschiedenen Ja beantworten. Denn das Wesen des Christentums erstreckt sich viel weiter als sein Name und besteht in einem Gedanken, welcher so ewig ist wie die Welt und nie erlöschen wird: es ist der indisch-platonisch-christliche Gedanke, dafs unser Erdendasein nicht Selbstzweck ist, wie alle eudämonistische Ethik annimmt, dafs vielmehr die höchste Aufgabe des Lebens darin besteht, auf dem Wege der Selbstverleugnung, welche das Wesen aller echten Tugend ausmacht, uns von dem uns allen angeborenen Egoismus zu läutern und dadurch unserer ewigen Bestimmung entgegenzureifen, welche uns im übrigen unbekannt bleibt und bleiben

4946.38

mufs, soll nicht die Reinheit des moralischen Handelns gefährdet werden.

Wer diesen Gedanken, in welchem das eigentliche Wesen des Christentums besteht, in seiner vollen Tiefe erfafst hat, der wird nicht länger zaudern, der Wissenschaft zu geben, was der Wissenschaft ist, sollte er dabei auch manche Vorstellungen, welche die Freude und den Trost unserer Väter bildeten, zum Opfer bringen müssen, weil sie mit einer wissenschaftlichen Erkenntnis der Welt unvereinbar sind.

Seitdem wir für die Geschichte des Volkes Israel und des aus seinem Schofse hervorgegangenen Christentums nicht mehr auf Quellen wie Bibel und Herodot allein angewiesen sind, hat durch die Entzifferung der Hieroglyphen und der babylonischassyrischen Keilschriften, die Inschrift des Königs Meša, die Funde von Tell-el-Amarna und Elephantine, und die genauere Kenntnis der iranischen Weltanschauung, auch auf biblischem Gebiete vieles ein anderes Aussehen gewonnen. Seit die Denkmäler des alten Ägyptens nach tausendjährigem Verstummen wieder zu uns reden, ist der alte Traum einer ägyptischen Urweisheit (Apostelgesch. 7,22) und mit ihm die Möglichkeit geschwunden, den hebräischen Theismus aus dem ganz anders gearteten ägyptischen abzuleiten. Hingegen ist es gelungen, in der Bibliothek des Assurbanipal die Vorbilder nachzuweisen, aus denen sich unter den Händen der alten Hebräer in bedeutsamer, ethischer, vom Geiste des Prophetismus getragener Umwandlung die Mythen von der Weltschöpfung, dem Paradies, den zehn Urvätern und vor allem der von der Sintflut entwickelt haben, während andererseits die Briefe von Tell-elAmarna uns ein Reich der Mitani kennen lehren, dessen Herrscher schon um 1400 a. C. iranische Namen tragen, wodurch sich die Möglichkeit eröffnet, den schon beim Jahvisten (850 a. C.) auftretenden Sündenfallmythus auf iranischen Ursprung zurückzuführen. Eben diese Amarna-Briefe geben uns

ein Bild von dem Zustande Palästinas vor der Zeit der Invasion der Hebräer, welchem die ethisch so wertvollen Erzählungen von Abraham, Isaak und Jakob in keiner Weise sich einfügen lassen, so dafs wir bei den drei Erzvätern auf jede historische Gewifsheit verzichten müssen. Aber noch gröfsere Opfer liebgewordener Vorstellungen müssen gebracht werden. Denn wenn es kaum mehr zu bezweifeln ist, dafs das Deuteronomium das Gesetzbuch des Königs Josia (621 a. C.), und dafs der Leviticus nebst den angrenzenden Partien erst das von Esra und Nehemia (444 a. C.) proklamierte Gesetzbuch des zweiten Tempels ist, was bleibt dann von Mose anderes übrig als die nebelhafte Gestalt eines mythischen Heros, auf welchen die erste Organisation der als Beduinen in der Wüste umherziehenden Hebräer und mit ihr die ersten Rudimente des spätern Gesetzeskanons zurückgeführt werden können. Zu dem gewaltigen und nicht selten gewaltsamen Auftreten dieses Heros der Gesetzgebung will die furchtsame Rolle nicht stimmen, welche die Sage ihn bei seiner Berufung spielen läfst, wie denn überhaupt der ganze Aufenthalt des Volkes Israel in Ägypten und die Katastrophe bei seinem Auszuge sehr ins Wanken gerät, da die ägyptischen Denkmäler von beiden nichts zu wissen scheinen. Festern Boden betreten wir erst nach erfolgter Eroberung des gelobten Landes in der Zeit der Richter und ersten Könige. Dafs in dieser Zeit neben Jahve als dem Schirmgotte Israels auch andere Götter verehrt wurden, dafs die Forderung des Monotheismus erst durch die ältern und jüngern Propheten aufgestellt und schliesslich durchgesetzt wurde, dafür treten zahlreiche Stellen des Alten Testaments ein, und eine unschätzbare Ergänzung finden dieselben in der Inschrift des Moabiterkönigs Meša, welche zeigt, dafs Jahve für die Hebräer gerade wie Kamoš für die Moabiter der spezielle Stammgott war, dem man Verehrung und Treue schuldete, und neben dem die andern

Götter ebenso bestanden wie neben dem König des eigenen Landes fremde Könige, denen man keinen Gehorsam schuldig war, an deren realer Existenz aber niemand zweifelte. Erst allmählich konnte man es wagen, in der krassen Weise, wie es beim zweiten Jesaia geschieht, alle andern Götter für Stein und Holz zu erklären und Jahve als den allein realen Gott zu proklamieren, auf welchen die Schöpfung der Welt und mit ihr ganz konsequent auch die Urheberschaft des Bösen zurückgeführt wurde, und als dessen Geschöpf, ebenso konsequent, der Mensch aus nichts geschaffen war und mit dem Tode wieder in sein ursprüngliches Nichts versank. Diese Anschauungen von Gott und Mensch waren sehr ungeeignet, die Grundlagen einer Weltreligion zu werden; zu diesem Zwecke bedurften die althebräischen Begriffe einer Umformung, wie sie nicht aus dem Schofse des alten Hebraismus allein, sondern nur durch das Eindringen eines fremden Elementes möglich war; und so müfsten wir als Mittelglied zwischen dem Alten und Neuen Testamente ein solches Element postulieren und hypothetisch konstruieren, läge es uns nicht in der iranischen Weltanschauung des Zarathustra offenkundig vor Augen. Ein Bild dieser Religion des grofsen und mächtigen Perserreichs, dem die Juden zwei Jahrhunderte hindurch als Untertanen angehörten, war somit unserer Darstellung einzuflechten und auf Grund desselben der Nachweis zu führen, wie es erst durch iranischen Einflufs möglich wurde, Gott von der Urheberschaft des Bösen zu entlasten und als Prinzip der Moralität festzuhalten, während eben diesem Einflusse auch die Erkenntnis der ewigen Bestimmung des Menschen und eine Vergeistigung der Messiashoffnungen verdankt wurde. So war der Boden vorbereitet für das Auftreten Jesu, dessen Leben nur auf Grund der drei synoptischen Evangelien mit völliger Ausschliefsung des vierten dargestellt werden darf, will man sich nicht der Möglichkeit berauben, über die einzig

« السابقةمتابعة »