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selbst sagt ausdrücklich er sei dazu gekommen, die Blinden sehend und die Sehenden blind zu machen (9, 39)? Offenbar geschah Letzteres nicht durch eine unmittelbar psychische Einwirkung, sondern durch seine gnadenvolle Erscheinung selbst; denn durch diese wurden die Juden geblendet, weil sie von dem Ansehn der Pharisäer befangen waren: darum konnten sie nicht glauben. Die ganze Stelle hat den Auslegern viel zu schaffen gemacht, indem sie den Zusammenhang nicht beachteten. Lücke z. B. bezieht sie auf den streng monotheistischen Glauben der Hebräer, wornach auch das sittlich Böse auf Gott zurückgeführt werde; aber dass sie solchen Glauben gehabt, lässt sich nicht beweisen, und offenbar betont der Evangelist die Schuld der Juden. Meyer denkt an einen Strafact des Messias; aber im Texte wird vielmehr die Ursache der Blindheit des Volkes aufgedeckt.

Ap.-Gesch. 28, 25-27. Als Paulus, in Folge seiner Appellation an den Kaiser, nach Rom gekommen war, wandte er sich mit der Botschaft von Christo zunächst an seine judischen Landsleute. Allein weil dieselbe von der Mehrzahl verworfen wurde, und die Versammlung sich zankend auflöste, sprach der Apostel noch das Eine (entscheidende und entschiedene) Wort:,,Schön (klar und treffend) hat der heilige Geist durch Jesaia gesagt: gehe hin und sprich zu diesem Volke: höret, und vernehmet nicht!" (u. s. w. nach dem Texte der LXX). Das unnoτe zeigt also auch hier nicht eine Absicht Gottes an, sondern die muthwillige, gleichsam beabsichtigte Verschmähung der Wahrheit von Seiten der Juden. Das: gehe hin! bezieht der Apostel auf seine eigene göttliche Sendung, und fährt mit prophetischer Würde fort:,,Darum sei euch kund gethan, dass das Heil Gottes zu den Heiden gesandt ist die werden es auch hören (und annehmen; während ihr es verworfen habt)." So verkündigt der Apostel die universale Bestimmung des Christenthums, in Rom, als dem Mittelpunkte der heidnischen Welt; nach denselbigen Grundsätzen, welche er schon früher in seinem Schreiben an die römische Christen - Gemeinde dargelegt hatte.

Röm. 11, 7. 8. Diese Stelle enthält zunächst ein aus 5 Mos. 29, 4 und Jes. 29, 10 zusammengesetztes Citat; allein das inwonoav und ,,Augen, nicht zu sehn, und Obren, nicht zu hören" spielen doch auch auf Jes. 6 an. ,,Was Israel (im Ganzen) sucht (das messianische Heil), hat es nicht erlangt; aber die Auswahl (die Auserwählten unter Juden und Heiden, Röm. 9, 24) hat es erlangt; die Uebrigen aber sind verhärtet worden; denn, nach der Schrift, Gott hat ihnen ge

geben Augen, nicht zu sehn, und Ohren, nicht zu hören, bis auf den heutigen Tag." Hier wird also die Ursache der Verstockung anscheinend allein auf Gott zurückgeführt: allein gleich der folgende Vers 11 sagt ausdrücklich, dass damit die Schuld (nagántwμa) der Verstockten nicht geläugnet werde. Mithin haben wir kein Recht, dabei an einen unmittelbar zwingenden psychischen Einfluss Gottes zum Bösen zu denken, sondern nur an die Fügungen der göttlichen Allmacht, welche die sittliche Selbstbestimmung des Menschen keineswegs aufheben.

Weitere Aufklärung hierüber wird sich finden, wenn wir zum Schlusse die wichtigsten Stellen des A. und N. Testaments über göttliche Verhärtung des Menschen in ihrem Zusammenhange betrachten. Eine unmittelbare göttliche Verursachung des Bösen im Menschen erscheint von vornherein undenkbar, wenn man folgende Aussprüche der heiligen Schrift erwägt: Gott ist gut, Psalm 25, 8, ja der allein Gute, Matth. 19, 17. Er ist nicht ein Versucher zum Bösen, Jak. 1, 13: gerade ist Gott, und kein Frevel an ihm, Psalm 92, 16: er will nicht, dass Einige verloren gehn, sondern dass Alle zur Sinnesänderung gelangen, 2 Petr. 3, 9. Zwar gibt er die Unreinen ihres Herzens Gelüsten preis, Röm. 1, 24; allein das ist nicht eine Bestrafung der Sünde durch Sünde, sondern das Nichthindern eines immer tieferen Hinabsinkens in die Entfremdung von Gott. Nur durch seine Leitung des Weltlaufs in Glück oder Unglück, also nur mittelbar, gibt er eine erziehende Veranlas sung zu der nicht von ihm beabsichtigten Sünde. Deutlich erkennt man dieses aus der ausführlichen Schilderung der Verstockung des Königs Pharao in Aegypten, welche in den ersten Kapiteln des zweiten Buch's Moses enthalten ist. Da heisst es auf der einen Seite, Jehova habe das Herz Pharao's verstockt (4, 21; 7, 3); auf der anderen, Pharao habe sich selbst verstockt; wie denn der Herr vorhergesagt hatte (7, 12). Namentlich wurde sein Herz verhärtet, so oft die über ihn verhängten Plagen nachliessen (8, 15); daher er 5, 2 sogar spricht: wer ist dieser Jehova, dessen Stimme ich gehorchen müsste?" Der Schlüssel hierzu liegt in der ausdrücklichen Angabe (4, 21 und öfter), dass Pharao sich weder durch die wunderbaren Strafen Jehova's, noch durch deren Aufhebung habe bekehren lassen. Dadurch tritt also auf das einleuchtendste hervor, dass Pharao's Verstockung seine eigne Schuld war, und Jehova's Wunderthaten

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nur die mittelbare Veranlassung dazu. Hiermit stimmt auch zusammen die Stelle 5 Mos. 29, 2. 3:,,Jehova's Wunder bei'm Auszuge aus Aegypten waren Versuchungen des Volkes Israel, ob es Jehova treu gehorchen werde; allein sie hatten bis zum Ende der Wanderung durch die Wüste noch nicht bewirkt, dass es seine Schuldigkeit erkannte." Indem es vielmehr Gottes Wohlthaten verkannte (9, 18), war die Verstokkung ganz und gar seine Schuld (2, 21; 11, 2). Gott hat in allen seinen Fügungen eine erziehende Absicht; aber die Vereitelung dieser Absicht ist der Menschen Schuld. Darin liegt, wie wir gesehen haben, auch die ganze Tendenz von Jes. 6 und der Heiland wendet diese Stelle an auf die verschuldete Unwissenheit des grossen Haufens, welche ihn nöthigte, die Geheimnisse des Himmelreichs nur unter der Hülle von sinnlichen Bildern mitzutheilen Eben so reden Johannes und Paulus in den oben behandelten Stellen von der verschuldeten Unempfindlichkeit der feindseligen Juden. Den älteren Lutherischen Dogmatikern erschien nun, nach dem Wortlaute der Schrift, eine von Gott ausgehende Verstockung im Bösen ganz unzweifelhaft; sie suchten dieselbe aber, um das Anstössige dieser Vorstellung zu beseitigen, durch mancherlei Distinctionen zu mildern. Vergl. das oben von Delitzsch Angeführte. Auch Hollaz sagt: Deus non indural homines causaliter aut effective, sed judicialiter, permissive et defective; unter den neueren Auslegern aber beschränkt sich Drechsler auf göttliche Zulassung: er fügt noch hinzu: durch diese Zulassung finde der Satan Gelegenheit, solche Gefässe des göttlichen Zornes immer tiefer in die Sünde zu verstricken. Meyer zu Mark. 4, 12 fasst die Stelle, nach dem Vorgange von Lange, folgendermassen: es liege darin die Idee einer göttlichen Nemesis, eines richterlichen GottesVerhängnisses, welches pädagogische Bestimmung habe, und nicht Endzweck sei, sondern Mittelzweck. Was nun die göttliche Zulassung betrifft, so ist diese ein höchst unklarer, schwankender Begriff (vergl. Twesten's Dogm. II, S. 130 r.); und die Heranziehung des Satan, dessen die obigen Schriftstellen nicht gedenken, möchte die Frage nur noch schwieriger machen. Ein richterliches Urtheil ferner, welches die Sünde durch Sünde straft, erscheint auf Seiten Gottes, des allein Guten, vollends unbegreiflich: würde wohl ein menschlicher Vater seine Kinder also strafen? Dies auch gegen die Annahme einer pädagogischen Bestimmung; denn eine Erziehung zum Guten durch Sünde ist undenkbar; und die Idee einer göttlichen Nemesis, der griechischen Mythologie entlehnt,

lässt sich schwerlich mit dem biblischen Gottesbegriffe vereinigen.

Wir beziehen uns hier auf die oben gegebene Erklärung der betreffenden Schriftstellen, und behaupten demnach, dass die Bibel nie und nirgends eine unmittelbar göttliche Verstokkung des Menschen zum Bösen, mit Aufhebung seiner Selbstbestimmung, lehre. Allein eine besondere Schwierigkeit scheint sich dagegen zu erheben in dem grossartigen Gemälde von der Verstockung des jüdischen Volkes, wodurch dasselbe von dem Heile in Christo ausgeschlossen sei, in Kap. 9-11 des Briefes an die Römer. Zwar leitet auch Paulus jene Verstockung von der eigenen Schuld der Juden ab: Gott hat sein Volk nicht (willkürlich) verstossen (11, 1), und der Fall desselben (V. 11) ist nicht von Gott beabsichtigt; vielmehr hat er es oft genug zum Gehorsam ermahnt (10, 19-21). Auch nach 2 Kor. 3, 14,,sind ihre Gesinnungen verstockt durch ihre Blindheit." Allerdings aber wird in anderen Stellen des Römerbriefes die Verstockung auf Gottes allwirkende Machtvollkommenheit zurückgeführt; und der stärkste Ausdruck davon ist 9, 18:,,Gott erbarmt sich, Wessen er will, und verhärtet, Wen er will" (öv Déλei, oxλŋquva). Hierauf folgt dann das Beispiel des Töpfers, welcher aus dem Thone, ganz nach Willkür, Gefässe zu edlem oder zu unedlem Gebrauche bildet. Dass nun die beiden Sätze: der Mensch hat ein Vermögen der sittlichen Selbstbestimmung, und alle menschliche Thätigkeit ist von Gott abhängig, schwer zu vereinigen sind, spricht der Apostel selbst aus in den Schlussworten von der Unbegreiflichkeit der Wege Gottes (11, 33-36). Allein zur Lösung dieser Schwierigkeit dient vortrefflich eine längere Anmerkung Meyer's zu 9, 33, welche kurz folgenden Inhalts ist:,,In der Darstellung des Apostels von der Verwerfung Israels scheinen die beiden Sätze von der absoluten Allwirksamkeit Gottes und von der sittlichen Freiheit des Menschen einander zu widerstreiten. Allein es scheint

nur so. Paulus will die Anmassung der Juden, als des Volkes der Verheissung, welches auf seine Werkgerechtigkeit pochte, durch jene Sätze als durch ein doppeltes Argument niederschlagen, und er stellt sie daber unvermittelt neben einander. Aber er vermittelt sie schliesslich 11, 30-32 durch den Nachweis, dass Juden sowohl als Heiden Sünder und schuldig seien (συνέκλεισε τοὺς πάντας εἰς ἀπείθειαν), also nur durch Gottes Erbarmen gerettet werden könnten; woraus sich ergibt, dass seine Allmacht durch seine Heiligkeit normirt sei." Wir dürfen, nach dem Obigen, hinzusetzen, dass das schrofle: ὃν θέλει, σκληρύνει nicht eine unmittelbar psychische

Einwirkung Gottes ausdrückt, sondern seine freie Regierung des Weltganzen, wobei aber die menschliche Selbstbestimmung bestehn bleibt. Er, der allein Gute, wirkt durch seinen heiligen Geist alles Gute im Menschen (Röm. 8, 14; Phil. 2, 13); wodurch jedoch die menschliche Selbstbestimmung nicht aufgehoben, sondern gestärkt wird: niemals also darf irgend etwas Böses unmittelbar von Gott hergeleitet werden. So urtheilt schon Origenes (s. Baur's Dogmengeschichte I, S. 662); denn er sagt de princ. 3, 1:,,Die Verhärtung Pharao's war keine von Gott beabsichtigte, sondern die Schuld lag nur in seiner Bosheit, und wird Gott nur uneigentlich zugeschrieben. Da der Apostel das Wollen bald ganz dem Menschen, bald ganz Gott zuschreibt, so muss man beides verbinden und dadurch den Begriff vervollständigen."

Eine sorgfältige und unbefangene Erklärung der oben aufgeführten Schriftstellen ist von hoher Wichtigkeit, um den Lehrbegriff der Lutherischen Kirche über die Ursache der Sünde zu vertheidigen gegen die Calvinische und Dordrechter Theorie von einer unbedingten Vorherbestimmung des Menschen zur Seligkeit oder Verdammniss. Eben so vorsichtig als klar sagt die Augsburgische Confession, Art. 19: Tametsi Deus creat et conservat naturam, tamen causa peccati est volunlas malorum, videlicet diaboli et impiorum, quae non adjuvante Deo avertit se a Deo; wobei jedoch zu bemerken ist, dass der Teufel zum Bösen nur reizen, nicht zwingen kann (Jak. 4, 7), und dass das non adjuvante Deo nicht Aufhebung, sondern Stärkung der sittlichen Selbstbestimmung des Menschen anzeigt. Wir haben hier nicht zu erörtern, wie das sittlich Böse überhaupt mit der Weltregierung des allein guten Gottes zu vereinigen sei? Festzuhalten ist aber nach der Schriftlehre, dass Gott das Böse nicht durch einen unmittelbar geistigen Einfluss, sondern nur mittelbar, durch den Einfluss seiner Weltregierung auf die sittliche Selbstbestimmung des Menschen, verursacht; daher es immer des Menschen Schuld bleibt. So urtheilt auch Bengel im Gnomon zu Joh. 9, 39; und Wolf zu Röm. 9, 18 bemerkt vortrefflich, dass das: ov 9he, oxåŋquva, nach dem Zusammenhange, nichts Anderes besage, als: dieselbigen Wunderthaten in Aegypten, welche für Mose ein Beweis des göttlichen Erbarmens waren, bewirkten bei Pharao die Verstockung. Ein Abbild also von Beiden sind auf der einen Seite die Heiden, welche in's Gottesreich aufgenommen, auf der andern die Juden, welche davon ausgeschlossen wurden.

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