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ich in gewissen Augenblicken wünschen möchte, dass mein strenger Sittenrichter nicht mehr auf der Welt wäre, so fühle ich in andern desto stärker, in welchen tiefen Kummer mich ein Verlust wie dieser stürzen würde.

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XXXIII. Wie aber das Bild von den Statuengehäusen 333 auf Sokrates passe, wird die nun folgende Schilderung des Mannes deutlich machen. Wer seinen Unterredungen beigewohnt, oder seinen Umgang genossen hat, weiss dass er immer von aussen ganz anders erscheint als er wirklich ist, und dass man ihn länger gekannt haben muss, um das was hinter seiner äussern Hülle verborgen liegt zu entdecken. So stellt er sich z. B. als wäre er in allen Dingen unwissend, er, in dem man, wenn man nur durch seine Ironie hindurch ihm in die Seele schauen kann, die grössten Schätze der Weisheit, Wahrheit und Tugend entdeckt. Er spielt ferner bei allen wohlgebildeten Personen immer die Rolle des feurigsten Liebhabers; und doch merkt man bald dass er auf die körperliche Schönheit eines Menschen, wie auf so viele andere vom Pöbel gepriesene sogenannte Güter und Vorzüge, nicht den geringsten Werth legt. Ich kann hierüber ein Wort aus Erfahrung reden. Denn auch ich glaubte ehmals dass er auf meine Schönheit eine eigennützige Absicht hätte, und ich muss bekennen dass ich das für eine sehr glückliche Eroberung hielt. Nun hast du, dachte ich, die schönste 334 Gelegenheit an den Schätzen seines Geistes Antheil zu nehmen, und ich machte deshalb alle Anstalten dazu, ihm seinen Sieg über mich zu erleichtern. Ich suchte seine Gesellschaft oft und ohne alle Begleitung, ging mit ihm auf die öffentlichen Uebungsplätze, trieb mit ihm allein und ohne von Fremden beobachtet zu werden gymnastische Uebungen;

XXXIV. ja ich that sogar noch einige Schritte mehr, die mancher der der lockenden Stimme der Philosophie niemals Gehör gab, mir äusserst verübeln könnte: aber alle meine Bemühungen waren fruchtlos. Seine Liebe zu mir war und blieb jederzeit die reine, unschuldige Liebe eines

1) immer den feurigsten Liebhaber

Vaters gegen seinen Sohn, oder die eines ältern Bruders gegen den jüngern.

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XXXV. Was sollte ich nun thun? Wegen so vieler misslungenen Versuche böse auf ihn werden? Dies war mir unmöglich. Oder allen Umgang mit ihm aufheben? Auch das konnte ich nicht. Nichts blieb mir jetzt übrig als auf 335 ein Mittel zu denken, wie ich ihn ganz für mich einnehmen könnte. Aber hier befand ich mich wieder in einer neuen Verlegenheit. Wodurch sollte ich ihn gewinnen? Durch reiche, kostbare Geschenke, die sonst wol Liebende an Geliebte zu schicken pflegen? Sokrates nimmt keine Geschenke an: und etwas anderes stand nicht mehr in meiner Gewalt. Nach der Zeit befanden wir uns beide zusammen auf dem Feldzuge nach Potidaea, und da traf sichs dass ich sein Zeltgenosse wurde. Hier habe ich gesehen, was Sokrates auch als Soldat vermochte, wie er es allen seinen Mitstreitern, mich selbst mit eingeschlossen, in der Duldung der schwersten Strapatzen zuvorthat, wie er Hunger und Durst und alle Rauhigkeiten des Wetters ertrug, und mit welcher Ergebung und Gemüthsruhe er überhaupt sich in die jedesmalige Lage der Umstände zu bequemen wusste.

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XXXVI. Eine interessante Anekdote die in diese Zeit gehört, kann ich euch hier nicht vorenthalten. Sokrates fing eines Tages am frühen Morgen an über einen gewissen 336 Gegenstand tief nachzusinnen, und blieb eine ganze Zeit lang auf einem Fleck und in der zuerst angenommenen Stellung stehen. Fs wurde dies bald bemerkt; mit Verwunderung erzählte es einer dem andern; endlich, da er schon den ganzen Tag gestanden hatte, trieb die Neugierde etliche Ionische Soldaten sich in der Nähe auf die Erde zu lagern, um doch zu sehen, wie lange er seine Meditation ausdehnen, und ob er sie auch die Nacht hindurch fortsetzen 5 würde. Was man kaum geglaubt hatte, geschah wirklich. Sokrates blieb in seiner Ekstase, bis er die aufgehende Sonne gese

1) Liebende einander

2) ich in sein Kontubernium kam. 3) vermag 4) in die Lage der jedesmaligen Umstände 5) die Nacht dazu nehmen

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hen und sein Gebet zu ihr verrichtet hatte. Auf dem Schlachtfelde selbst focht er als ein wahrer Held. Ich hatte ihm einst meine ganze Rettung zu danken,1 da ich verwundet und in Gefahr war meine Waffen einzubüssen; und als nachher die Feldherren beschlossen dem muthigsten Streiter den Preis der Tapferkeit zu ertheilen, war er doch so grossmüthig, dass er zu meiner Aufmunterung den Ehrenkranz, der ihm gebührte, mir überliess. Nicht minder bewundernswerth war sein Betragen auf der Flucht nach jenem unglücklichen Treffen bei Delium. Da hättet ihr ihn sehen sollen, 337 wie er an Fassung und Geistesgegenwart selbst den Feldherrn Laches übertraf, wie er mit Verachtung aller Gefahren in seinem gewöhnlichen Schritt einhertrat, wie er mit gleich heiterm, ruhigem Blick seiner stieren Augen auf Feinde und Freunde umherschaute. Doch das sind Dinge, dergleichen sich noch manche von ihm erzählen liessen, die ich aber jetzt übergehe, weil sie zur Kenntniss seiner charakteristischen Züge nicht sonderlich beitragen, und man immer hin und wieder Beispiele gleicher Eigenschaften auffinden kann. Seiner Originalität aber und dem eigenthümlichen Charakter seines Vortrages weiss ich bis jetzt noch nichts besser zu vergleichen als womit ich ihn oben verglich, mit Silenen und Satyrn.

XXXVII. Dies einmal angefangene Bild ganz 3 auszuführen, muss ich noch folgendes hinzusetzen. Das Gewand das Sokrates seinen Gedanken umzuwerfen weiss, ist immer ganz gemein und einfach; und daher kömmt es dass viele beim ersten Anhören seine Gespräche für wenigbedeutend oder wol gar für lächerlich halten. Er spricht dem Anschein 338 nach von nichts als gewöhnlichen 5 Dingen; die Sprache die er führt, ist allgemein verständlich; seine Beispiele und Gleichnisse wählt er aus dem alltäglichen Leben, oft sogar aus der Sphäre der Handwerker: wie könnte daher der grosse Haufe hier Kunst und Wissenschaft entdecken? Aber

1) verdanken

schlecht und simpel

2) zuzutheilen

5) gemeinen

3) vollends 6) gebraucht

gemeinen Leben und oft

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4) ganz 7) dem

derjenige der im Stande ist den schönen, tiefgedachten Sinn seiner Reden zu ergründen, sieht deutlich ein 1 wie weise, wie reichhaltig und göttlich sie sind, und dass ihrer aller Zweck ist, unsere Seelen empor zu heben und Tugend und Rechtschaffenheit unter den Menschen auszubreiten.

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XXXVIII. So schloss Alcibiades die Schilderung seines Lehrers. Die ganze Gesellschaft lachte herzlich über die Offenherzigkeit, womit er gesprochen hatte, und Sokrates und Agathon fingen mit ihm einen kleinen launigen Wortwechsel darüber an.

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XXXIX. Auf einmal aber stürzt eine Menge von Nachtschwärmern ins Zimmer, die Gesellschaft wird tumultuarisch, 339 und trinkt ohne Gesetz und Ordnung. Eryximachus und einige andere gingen nach Hause. Aristodem begab sich zur Ruhe, und wachte erst gegen Morgen wieder auf, fand aber doch noch den Sokrates mit den beiden Dichtern bei einer ziemlich grossen Trinkschale sitzen. Endlich kam die Reihe des Schlafens auch an diese, den Sokrates ausgenommen, welcher mit Aristodem aufbrach, und aufs Lyceum ging, wo er sich noch den ganzen folgenden Tag mit Kampfübungen beschäftigte.

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2. Ist Homer auch übersetzbar?

[Beiläufig über Hrn. Bürgers neueste Verdeutschung der Ilias.*] Auch mir war es seit langer Zeit ein Lieblingswunsch, den göttlichen Sänger der Vorwelt Homer so verdeutscht

1) zu ergründen und zu fassen, sieht deutlich, wie 2) Seele zu erheben 3) schliesst 4) ins Z. herein 5) gingen nun 6) einem.. Pokal

*) Da ich den folgenden Aufsatz (dessen Verf. dem Publicum vor der Hand unbekannt bleiben will) nicht füglich länger zurücklegen konnte, weil er sonst einen Theil seines Interesse verlieren würde, so habe ich ihn um so eher unter dem Artikel Handschriften aufgenommen, da er zugleich statt einer Probe der Abhandlungen und Untersuchungen über den Homer dienen kann, welche der Hr. Verf. zum Drucke liegen hat, und die vielleicht nächstens erscheinen werden. Mai 1784. Goekingk

im Journal von u. f. Deutschl.

unter uns auftreten zu sehen, dass ein Mann, der seine Gesänge in eben der Sprache, worin die Musen sie ihm vorsangen, nicht seit gestern und ehegestern hört, ihm 341 zurufen könnte:1 sei uns willkommen! wir kennen dich! Ich kann nicht läugnen dass ich selbst manche Stunde 2 diesen Wunsch, so viel an mir war, realisiren zu helfen getrachtet habe: aber noch hat man von dem vielen Uebersetzerschweisse, den ich vergossen, keinen Tropfen in eine Monatschrift oder ein Journal fliessen sehen: so wenig konnte ich mich überzeugen dass das Bild von Homer, das ich dem Lumpenpapier anvertraut hatte, das lebendige Ebenbild des ehrwürdigen Sängers sei. Oft rufte ich, trotz dem Beifall - Lächeln von Freunden, die es unter dem Vorlesen meiner Versuche an Almosen des Lobes nicht fehlen liessen, meinem Deutschen Homer im Herzen zu:

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τίς, πόθεν εἰς ἀνδρῶν ? 4

Manchem unserer allezeit fertigen Uebersetzer möchte es vielleicht schwer fallen den Versuchungen der Autorschaft so lange zu widerstehen, als ich bisher gethan habe; und ich bilde mir wahrlich auch auf diesen Widerstand wenigstens eben so viel ein als der heil. Martinus, wenn er den Teufel gebannt vor sich liegen sah. Denn, unter uns gesagt, die Versuchungen jener Art sind oft nicht weniger furchtbar 342 als die des leidigen Satans, und man unterliegt ihnen um so viel leichter, da es immer unter unsern Journalisten und Zeitungsschreibern kritische Päpste giebt, die uns, wenn man den rechten Weg zu ihrem Pantoffel weiss, von allen Sünden solcher Art vor dem ganzen Publicum kraft ihres Amtes feierlich absolviren. Mögen sie aber doch - mich soll auch der beste meiner Freunde nicht verleiten mit einer Verdeutschung Homers hervorzutreten, der ich nicht wenigstens so viel Lebenskraft zutraue, dass sie ein Vierzigtheil der Jahre durchlebe, die der Grieche selbst nun schon auf dem Rücken hat; ein so bescheidener Wunsch, wie ich hoffe, 1) könne 2) manche Stunde und manchen Tag 3) weder in eine öffentliche Bibliothek noch in ein Journal 4) ἀνδρῶν, πόθι τοι πόλις ἰδὲ τοκῆες?

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