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1.

Da geschah ein großes Wunder. Mittags um die zwölfte Stunde, wo die Sonne doch sonst immer ihr vollstes, hellstes Lichtmeer über die Erde ausgießt, verlor sie mit einem Male ihren Schein, und dicke Finsternis breitete sich drei Stunden lang über das ganze Land aus. Die Natur entsetzte sich; denn ihr Gott hing am Kreuze, ihr Schöpfer starb am Fluchholz. Wenn es sich um Gott und den Sünder handelt, so steht die Natur allemal auf Seiten Gottes wider den Sünder. Sünder, schlage in dich!

Doch die Finsternis der Sonne ist nur ein Abbild von der Finster= nis, welche wie dicke, schwarze Wolken das Angesicht Gottes des Vaters überzieht, der jegt über die Sünde der Welt Gericht hält und seinen. ewigen Zorn ausschüttet. Der Sohn am Kreuze fühlt, wie er in die Nacht des ewigen Todes, in die höllische Finsternis unter dem Fluche Gottes sinkt, und er schreit: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen!" Er fühlt, was es heißt, von Gott, der da ist das Licht und das Leben, ewig verlassen und verstoßen zu sein, weil wir ihn zuerst verlassen haben. Drei schreckliche, schreckliche, schreckliche Stunden lang kann er seinem lieben himmlischen Vater nicht in die liebenden Augen schauen, und das ist Höllenqual, das ist ewiger Tod. Sei still, meine bebende Seele, und bete an, bete an!

Doch wozu läßt der Heilige Gottes dieses schauerliche Gericht von seinem Vater über sich ergehen? Was bringt er dadurch zuwege? Jauchze, meine Seele, und lobsinge dem Herrn! Denn der Vorhang im Tempel zerreißt, von oben an bis unten aus reißt er mitten entzwei, ohne daß eine Menschenhand ihn berührt. Was hat das zu bedeuten? Der dicke herrliche, aus kostbaren Stoffen gefertigte Vorhang im Tempel schied das Heilige vom Allerheiligsten. Im Heiligen opferten die Priester täglich, ins Allerheiligste aber hinter den Vorhang durfte nur der Hohepriester hineingehen, und zwar nur einmal im Jahre, am großen Versöhnungstage, wenn er das große Sühnopfer für seine und des Volkes Sünde Goite darbrachte. Da sprengte er das Blut des Opfers an die goldene Bundeslade, in welcher die Tafeln des Gesetzes und das Buch des Bundes lagen, und zündete Rauchwert an, daß eine Wolke von wohlduftendem Weihrauch den Gnadenstuhl, den goldenen Deckel der Bundeslade mit den Cherubim darauf, bedeckte, während er sein Gebet für das Volk verrichtete. Ueber diesem Gnadenstuhl aus der Wolke gab Gott ihm Antwort auf seine Fürbitte. Jegt, da das Opfer auf Golgatha schreiend in die Finsternis des

ewigen Todes sinkt, zerreißt dieser Vorhang und das Allerheiligste steht offen. Jetzt geht der rechte, wahre Hohepriester, von welchem alle jene Hohenpriester nur Vorbilder waren, in das Allerheiligste zu Gott hinein und bringt sein eigenes Blut zum Opfer dar für die Sünde nicht nur Israels, sondern der ganzen Welt und fleht für die ganze Menschheit um Vergebung. Und Gott giebt ihm eine gnädige Antwort, er reißt selbst die Scheidewand zwischen sich und uns entzwei von oben an bis unten aus, und nun steht der Zugang zu Gott ins Allerheiligste des Himmels nicht nur einem Hohenpriester einmal im Jahre, sondern der ganzen in Sünden verlorenen Menschheit zu allen Stunden weit offen. Nun können wir arme Sünder allesamt unmittelbar vor unsern himmlischen Vater, der mit uns versöhnt ist, hintreten, ihm unser Herz ausschütten, ihn um Vergebung bitten, ihm unsere Not klagen und aus seinem eigenen Munde in Wort und Sakrament seine Verheißung und gnädige Erhörung vernehmen. Unsere Sünden hatten uns und unsern Gott von einander geschieden. Aber die Scheidewand liegt darnieder, Gott kommt zu uns, und wir kommen zu Gott; der Bund des Gefeßes ist erfüllt und abgethan, und Der Bund der Gnade und des Friedens zwischen Gott und uns ist gestiftet. Unsere Missethat schloß uns von Gott, von seinem Leben, von seinem Himmel aus; aber der Vorhang zerreißt und der ganze, weite, selige Himmel ist uns allen aufgethan. Lobet den Herrn, alle Heiden, preiset ihn, alle Völker; denn seine Gnade und Wahrheit waltet über uns in Ewigkeit! Halleluja!

Endlich, als der unterste Abgrund der Verdammnis durchmessen, als der letzte bittere Tropfen aus dem Kelche des Zornes Gottes getrunken war, da rief Jesus aus: Es ist vollbracht! Das war ein Schrei des Triumphes. Das Feuer der Rache Gottes über die blutrote Sündenschuld einer Welt von Verbrechern erlosch. Der Satan mitsamt seinen giftigen Anklagen gegen uns sank geschlagen zur Hölle. Der donnernde Fluch des Gesezes verstummte. Die Thüren zu den ewigen Wohnungen des himmlischen Vaters droben sprangen auf. Die finstern Wolken von dem Angesichte des Vaters verflogen. Die Gerechtigkeit, die vor Gott gilt, war in heißem Ringen, im Schweiße des Todes erworben; das ewige Leben in blutigem Kampfe gewonnen; kurz, die Erlösung der Welt war vollendet. Jegt blickt das sterbende Lamm Gottes mit einem Strahl unaussprechlicher Freude im Auge zu Gott empor und betet: Vater, ich befehle meinen Geiff in deine Hände. Und als er das gesagt, verschied er; der Sohn Gottes war tot.

Als der heidnische Hauptmann, der die Kreuzigung beaufsichtigt hatte und unter dem Kreuze stand - er soll ein Deutscher gewesen sein, die Wunderdinge wahrnahm, die da geschahen, und sah, wie dieser in der Mitte Gekreuzigte starb, mit welcher Geduld, mit welcher Ergebenheit in Gott, mit welchem kindlichen Vertrauen auf Gott er von hinnen schied, da rief er überwältigt aus: Fürwahr, dieser ist ein frommer Mensch und Gottes Sohn gewesen! Das war ein Lobpreis Gottes aus dem Munde eines Heiden. Die heidnischen Weisen aus dem Morgenlande waren die ersten gewesen, die dem neugebornen. Könige der Juden ihre Huldigung darbrachten; ein Heide war es, der dem gekreuzigten Könige der Juden die gebührende Ehre gab. Wollen. wir, die wir doch auch von Heiden herstammen, uns ihnen nicht anschließen und anbetend zu den Füßen dieses Königs aller Könige niedersinken, der da in blutiger Majestät zwischen Himmel und Erde hängt?

Auch auf die Volksmenge, die umherstand und zusah, hat der Tod Christi und die Wunder, die ihn begleiteten, tiefen Eindruck gemacht; sie schlagen an ihre Brust. Jeht thut es ihnen leid, daß sie über diesen Gerechten Kreuzige! Kreuzige! geschrieen haben; es dämmert ihnen eine Ahnung davon auf, welche höllische Raserei es war, daß sie vor Pilatus riefen: Sein Blut komme über uns und unsere Kinder! Sie können den Anblick des unschuldigen Opfers ihrer Wut nicht länger ertragen, und sie wenden sich um, zu ihren Wohnungen zu. gehen. Es ist wohl nicht unwahrscheinlich, daß unter diesen tief erschütterten Leuten Hunderte waren, bei denen die heilsame Erkenntnis des Gekreuzigten bei der Predigt der Apostel am Pfingstfeste zum Durchbruch kam, daß sie ganze Jünger und freudige Bekenner wurden. Auch alle seine Verwandten standen da mit Trauer, Angst, Verwunderung und Schrecken im Angesichte; sie standen von ferne, sie waren zu verzagt, nahe heran zu treten, so lange Juden und Heiden an ihrer blutigen Arbeit waren. Ebenso harrten bei seinem Kreuze die Weiber aus, die ihm aus Galiläa waren nachgefolgt, die er gesund gemacht hatte von den bösen Geistern und von Krankheiten, nämlich Maria, die da Magdalena heißt, von welcher waren sieben Teufel ausgefahren, und Johanna, das Weib Chufas, des Pflegers des Herodes, und Susanna und viele andere, die ihm Handreichung gethan hatten. von ihrer Habe, die für ihn genäht, gekocht und gebacken hatten. Als die große Menge erschrocken sich zerstreute, blieben sie noch da und traten näher heran. Was in ihren Herzen während dieser schauerlichen Stunden vorging, die tiefe Trauer und erschütternde Angst ihrer lie

benden dankbaren Herzen, das hat derjenige gesehen, der Herzen und Nieren erforscht. Die Mutter unseres Heilandes war jest wahrscheinlich nicht mehr dabei. Denn der Sterbende hatte seinem Busenfreunde Johannes, der mit ihr unter dem Kreuze stand, als seinen legten Wunsch aufgetragen, daß er an Sohnes Stelle sich ihrer annehme, für sie sorge, sie tröste und schüße, und Johannes hatte die fast Ohnmächtige sofort zu sich genommen und sie von dieser entseglichen Stätte weg zu seiner Wohnung geführt. Denn das Schwert, davon Simeon im Tempel vor Jahren geweissagt hatte, war jezt durch ihre Seele gegangen, als sie ihren geliebten unschuldigen Sohn so greulich hinmorden sah. O des liebenden Heilandsherzens! Mitten in seiner Todesqual denkt er mit kindlicher, inniger Fürsorge seiner alternden, treuen, zitternden Mutter und giebt ihr einen Beschüßer, der ihn inbrünstig lieb hat und aus Liebe zu ihm alles für sie thun wird. Wollen wir uns nicht einem solchen Heilande anvertrauen, mit Leib und Seele, für Zeit und Ewigkeit?

II.

So hatten denn „Herodes und Pontius Pilatus mit den Heiden und dem Volke Israel gethan, was Gottes Hand und sein Rat zuvor bedacht hatte, daß es geschehen sollte" (Apg. 4, 27. 28). Die Männer von Israel hatten Jesum von Nazareth, den Mann, von Gott unter ihnen mit Thaten und Wundern und Zeichen erwiesen, der aus bedachtem Rat und Vorsehung Gottes ihrer und der Hölle Bosheit zum Opfer für die Sünde der Welt übergeben war, genommen durch die Hände der Ungerechten und ihn angeheftet und erwürgt (Apg. 2, 22. 23). Der Sohn Gottes war tot. Dort hing er regungslos am Holze. Die Hölle hatte ihr Werk vollbracht. Die Soldaten, die Priester, die Pharisäer, die Volksmenge, alles hatte sich zerstreut, und nur noch einige Weiber zitterten um das Kreuz und badeten die durchnagelten, blutigen, erfalteten Füße des teuren Toten mit ihren Thränen. Der Herr der Herrlichkeit hing da in seiner allertiefsten Erniedrigung. Aber Gott sorgte für die Ehre seines Sohnes. Eben als er so von Schmach und Schande und Verachtung bedeckt war, daß es gar nicht ärger hätte gemacht werden können, da wurden unverhofft die schwächsten Werkzeuge zu Heldinnen des Bekenntnisses. Die armen, geringen Weiber, die seine Wohlthaten erfahren hatten, harrten bis ans Ende, wie wir gesehen haben, bei ihrem Heilande und seinem Kreuze aus und schämten sich seiner nicht, und zwei Männer, die bis dahin aus Furcht vor den Juden ihren Glauben verheimlicht, traten

jezt durch das Bekenntnis der That mutig hervor und schämten sich seiner ebenfalls nicht. Der eine war Joseph, ein Ratsherr, ein guter, frommer Mann. Er hatte nicht eingewilligt in ihren Rat und Handel, als die Hohenpriester und Aeltesten falsches Zeugnis suchten und Anflagen erlogen, um den heidnischen Richter dazu zu bewegen, daß er das Verdammungsurteil über den Unschuldigen ausspreche. Wohl war er aus Arimathia, der Stadt der Juden, und wohnte zu Jerusalem, denn er besaß da einen Begräbnisplat; aber er stimmte nicht mit ein in das Geheul des verblendeten Volkes, sondern folgte biel= mehr seinem berühmten Landsmanne, dem Propheten Samuel, der aus demselben Ramathaim wie er stammte, er wartete auf das Reich Gottes, er harrte mit innigem Verlangen auf die Erfüllung der VerHeißungen von dem großen Sohne Davids, welcher ein Reich der Gerechtigkeit und des Friedens auf Erden aufrichten sollte. Als er den Tod Jesu und was da geschah beobachtete, da widerstand er nicht länger der versichernden Stimme des Heiligen Geistes in seinem Innern, es war ihm jezt sonnenklar, daß der Gekreuzigte und kein anderer der verheißene Messias sei. Nun bekannte er sich auch frei öffentlich zu ihm als seinem Heilande, indem er zu dem Tyrannen Pilatus ging und sich erkühnte, um den Leichnam Jesu zu bitten, auf daß er ihm ein ehrliches Begräbnis bereite. Pilatus der sich darüber verwunderte, daß Jesus schon tot sei, erlaubte Joseph ohne weiteres, den Leichnam vom Kreuze herunter zu nehmen und zu begraben. Sofort tehrte er zur Schädelstätte zurück und nahm den Toten mit Hilfe seiner Diener und der noch anwesenden Jüngerinnen herunter. Noch ein anderer Mann kam dazu und legte Hand mit an. Es war Nikodemus, der Meister in Israel und Oberste unter den Juden, der vormals bei der Nacht zu Jesu gekommen war mit einem heilsbegierigen Herzen, und dem Jesus mit der wunderbaren Predigt von der Wiedergeburt Licht gegeben hatte. Er brachte gegen hundert Pfund Myrrhe und Aloe mit, um den heiligen Leichnam damit vor Verwesung so lange als möglich zu schüßen, eine wohlgemeinte Bemühung, die sich drei Tage darnach als völlig unnötig erwies. So nahmen sie denn den blutrünftigen Leib herunter, indem sie die Nägel aus Händen und Füßen zogen und die Krone von Dornen mit zarter Behutsamkeit von seinem Haupte ablösten; sie wuschen ihn, wickelten ihn in reine leinene Tücher und bestatteten ihn, wie die Juden damals zu begraben pflegten. Nicht weit von dem Plaze, wo er sein Leben als unser Sühnopfer ausgehaucht, hatte Joseph schon früher für sich selbst ein neues Grab

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