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mus finden. Mit solchem Sinne nun, und also keinesweges in arglistiger Absicht, wie es wohl oft von andern Pharisäern geschahe, kam Nikodemus zu Jesu, und dachte ohne Zweifel, von einem solchen Lehrer, da könne auch er, obschon ein Meister in Israel, noch lernen. Und darin hatte er denn freilich recht, obschon er darin irrte, daß er in Jesu bloß einen göttlich gesandten Lehrer erkannte. Freilich iß Er dieses auch; aber Er ist noch mehr als das, wie denn das Evangelium uns bezeugt, daß unser Heiland die drey Aemter, das prophetische, hohepriesterliche und königliche, in seiner Person vereinigte. Wie aber Nikodemus hierüber noch nicht be lehrt, und also seine Erkenntniß von der Person des Heilandes zur Zeit noch mangelhaft war; so sahe er Ihn nur bloß als einen Propheten an. Hätte er jezt schon die rechte Erkenntniß von Ihm gehabt, und also Jesum auch als seinen Heiland, seinen göttlichen Hohenprie ster, den Tilger seiner Sünden, und den Erwerber seines Heils in Zeit und Ewigkeit erkannt, er wåre wohl nicht so schüchtern gewesen, wie wir ihn hier noch finden, indem er nåmlich, aus Menschenfurcht, bey nächtlichem Dunkel zu Jesu kam. Ja er möchte, das darf der redlichen Seele, ben mehrerer Erkenntniß von dem Heiland, wohl unbedenklich zugetrauet werden, nicht wenige unfrer heutigen Christen beschämen, die da mit Sorgfalt alles meiden, was irgend der Welt Ursach geben möchte, sie auch zu denen zu zählen, die es mit Jesu halten. Des Nikodemus Scheu und Furchtsamkeit war eine Schwäche, die ihren Grund wohl größtentheils in

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seiner mangelhaften Erkenntniß Jesu hatte, und solche Schwachen hat unser Heiland immer liebreich schonend getragen, wie auch schon der Prophet von Ihm geweiß sagt hat: „Das zerstoßene Rohr wird Er nicht zerbrechen, und das glimmende Docht wird Er nicht ausldschen.“ (Jes. 42, 3.) Ein Beyspiel solcher zarten Schonung stellt uns hier Jesu Verhalten gegen den Nikodemus vor, indem Er nicht mit einem Worte ihm seine Menschenfurcht zum Vorwurf macht, obschon wir wissen, daß Er, bey anderer Gelegenheit, zu seinen Jüngern sprach: „Wer mich bekennet vor den Menschen, den will ich auch bekennen vor meinem himmlischen Vater. Und wer mich verleugnet vor den Menschen, den will ich auch verleugnen vor meinem himmlischen Vater." (Matth. 10, 32. 33.) Wenn wir nun aber dies zarte schonende Verfahren betrachten, das Jesus hier dem redlichen Nikodemus bewies; so möge es doch bey uns den Eindruck machen, daß wir uns eines jeden vorschnel len harten Urtheils über Solche enthalten, bey welchen wir noch Mängel finden, die dem entschiedenen Jünger des Herrn nicht ankleben dürfen. Kann ja der Herr doch unter denen selbst, die da noch weit von Ihm entfernt zu seyn scheinen, hier oder da eine redliche Nikodemusseele finden, und kann doch wohl, trok aller bemerk ten Mängel, ein redlicher Sinn und wahres Verlangen nach Jesu in dem Innersten seyn, was denn der Herr, der da wohl weiß, was im Menschen ist (Joh. 2, 25.), noch heute so, wie dort bey Nikodemus, ehrt. Das aber müssen denn freilich dergleichen Seelen sich gefallen

lassen,

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lassen, daß der Herr mit ihnen eben so, wie hier mit Nikodemus, verfährt. Und da merken wir nun

II.

wie Jesus so mit diesem Manne umgeht, daß Er ihm seine Frömmigkeit, und also seinen ganzen Ruhm, zu nichte macht.

Wenn wir auch nicht Ursach finden, anzunehmen, daß Nikodemus vom Heiland Lob erwartet habe, wie es wohl ein gewöhnlicher Pharisäer erwartet haben möchte; das hat er doch wohl sicher nicht geglaubt, daß Jesus seine Frömmigkeit verwerfen und ihr das Urtheil sprechen werde, daß sie ihn nicht in das Reich Gottes bringen könne. Wußte sich doch Nikodemus wohl von den geheimen Greueln frey, die Jesus sonst den Pharisåern zum Vorwurf machte, und so dürfen wir auch wohl nicht zweifeln, daß sein Gewissen ihm das Zeugniß eines ernstlichen Strebens nach Gottes Wohlgefallen gab, was er denn auch durch einen unanstößigen, rechtlichen Lebenswandel bewies. Wie mußte da nicht der redliche fromme Mann betroffen werden, als gleich die ersten Worte Jesu ihm bemerklich machten, daß er, bey aller seiner Frömmigkeit und Rechtschaffenheit, doch, auf dem Wege zum Reiche Gottes, noch nicht den ersten Schritt ge= than habe. Man höre nur, wie Jesus gleich damit beginnt, dem frommen Manne zu sagen: „Wahrlich! wahrlich! ich sage dir; es sey denn, daß Jemand von Neuem geboren werde, sonst kann er das Reich Gottes nicht sehen." Das Reich Gottes zu sehen,

mit andern Worten

an der Seligkeit und Herrlichkeit

im Reiche des Messias Theil zu nehmen, das war der größte Wunsch eines jeden redlichen Israeliten, der auf die Zukunft des verheißenen göttlichen Königs hoffte, von welchem alle Propheten zeugten. Und nicht leicht zweifelte einer, an dieser Seligkeit mit Theil zu haben,

wie denn auch heut zu Tage die künftige Theilnahme an der ewigen Seligkeit dem großen Haufen als eine Sache erscheint, die sich von selbst verstehe. Was nun den Nikodemus betrifft; so schien sein anerkannt untadelhafter Wandel vor der Welt ihn zu der besten Hoffnung zu berechtigen. Gleichwohl muß er die oberwähnten, ganz bedenklich lautenden, Worte aus Jesu Munde hören, die sich, nach unsrer heutigen Redeweise, etwa also möchten ausdrucken lassen: „Lieber Nikode „mus! wenn du in Wahrheit glaubst, ich sey ein Leh„rer von Gott gekommen; so glaub mir auf mein Wort, ,, wenn ich dich heilig versichere, daß du zur Zeit noch „fern vom Reiche Gottes bist, und daß du erst im Grund

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und in der Wurzel anders werden mußt, wofern du „einst am Reiche Gottes Theil haben willst. Denn Niemand wird da Zugang haben; als wer von Neuem geboren ist." Das mußte einem Manne, wie Nikodemus war, unstreitig hart vorkommen wie es noch heutiges Tages gewissen Leuten, nämlich Solchen, die bey der Welt ein gutes, rühmliches Zeugniß haben, ge wöhnlich hart ankommt, dem Worte Gottes zu glauben, das all' ihr Thun zu nichte macht, ihren ganzen Ruhm der Rechtschaffenheit und Frömmigkeit für fal

schen

schen Schimmer erklärt, und demzufolge ihnen sowohl als den gemeinsten und offenbarsten Sündern, die hohe Nothwendigkeit einschärft, erst noch den einzig rechten Weg zu betreten, also von vorn zu beginnen, und erst an ihre Bekehrung zu denken, damit sie neue Creaturen in Christo (2 Cor. 5, 17.) werden. Da schütteln sie denn wohl den Kopf, das soll zu weit gegangen seyn, das lautet ihnen, wie eine neue Lehre, und Manche bilden sich wohl gar ein, es gehe hier darauf um, sie irre in ihrem Glauben zu machen. Und allerdings legt's das Wort Gottes bey solchen Leuten zuvorderst darauf an, sie von dem pharisäischen Wahnglauben abzubringen, ihre falschen Ruhestätten zu nichte zu machen, und sie herunter zu der Classe der armen Sünder, der geistlich Armen (Matth. 5, 8.) zu sehen, die da, in schmerzlichem Gefühl ihrer Untüchtigkeit für das Reich Gottes, mit Ernst, wie jener Kerkermeister (Up. Gesch. 16, 30.), fragen: „Was soll ich thun, daß ich selig werde?"

Dahin nun wollte es der Herr hier auch mit Nikodemus bringen. Darum rückte Er, sogleich zu Anfang seiner Unterredung, mit einer Wahrheit hervor, die das Gewissen des Nikodemus schlagen mußte. Da sollte er, aus seiner bisherigen falschen Sicherheit erweckt, sich selbst in seinem geistlichen Elende kennen, und bey sich selber sprechen lernen: „Wohlan! wird das erfordert, wenn man zum Reiche Gottes gelangen will; so bin ich jest, bey aller meiner Frömmigkeit und Rechtschaffenheit, noch weit vom Reiche Gottes entfernt." Und wirklich merkte auch Nikodemus bald so viel, daß Jesus

etwas

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