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Gefühl der Zusammengehörigkeit weder selbst in sich trugen, noch in den Gemeinden erweckten. Verfolgt man diese Thatsachen mit unverwandtem Blicke, so wird man in ihnen den Schlüssel zum Verständniß der Erscheinung finden, daß die Verfassung der evangelischen Kirche sich zuerst auf dem Begriffe der Gemeinde und des Lehramtes aufzubauen suchte.

Die bisherige Darstellung hatte den Zweck, im Allgemeinen die Verhältnisse aufzuzeigen, in denen der verfassungsbildende Gedanke der Reformation Förderung und Nahrung gefunden hat, und es ist dabei mit Absicht auf specielle Gebrechen der römischen Kirche, welche der Reformation der Anlaß zu neuen individuellen Gestaltungen gewesen sind, auf den Verfall der Zucht und der Rechtspflege, nicht eingegangen worden, vielmehr bleibt es vorbehalten, derselben im Zusammenhange mit ihren Gegensäßen zu gedenken.

Dagegen ist es schließlich noch erforderlich, eine Frage in Erwägung zu stellen, deren Bedeutung für die Geschichte der Entwicklungen auf evangelischem Boden bisher oft zur Ungebühr übersehen worden ist: die Frage nach dem Verhältniß der Kirche zu dem Staate vor dem Anbruch der Reformation.

Nach einem bekannten Ausspruche des größten Papstes der mittelalterlichen Zeit9) hat der Herr zwei Leuchten an dem Firmament errichtet: eine große, welche den Tag, eine kleinere, welche die Nacht erhellt, beide groß, aber die eine größer als die andere. Ihnen gleichen die päpstliche und die königliche Gewalt, die Lenkerinnen der himmlischen und der irdischen Beziehungen des Lebens, die Sonne und der Mond am himmlischen Firmament, d. i. am Firmament der Kirche. Die weltliche Ordnung wird hiernach zwar auch als eine Ordnung Gottes angesehen, aber sie hat ein berechtigtes Dasein nur durch die Anerkennung und Weihe der Kirche, während sie ohne diese nur ein Product der Willkür und der Sünde ist. Die practischen Folgen dieser . Auffassung ergeben sich von selbst. Die geistliche Autorität waltet mit Freiheit, hütend, abwehrend und bessernd auch über den irdischen Dingen; dagegen die weltliche greift ihrerseits nur dann in das Gebiet der äußerlichen Beziehungen der Kirche ein,

9) c. 6. X. de maj. et obed. I. 33.

wenn sie als Dienerin gerufen wird. Auch hier ist jedoch das Leben hinter der vorauseilenden Idee zurückgeblieben, und vielfältige Zeugnisse beurkunden, daß die Kirche von dem Einflusse des weltlichen Elementes sich selbst in der Zeit nicht hat frei halten können, in der, um mit dem Dichter zu reden 10), die Sonne, die den Weg der Welt verklärte,

verlöscht ward von der andern Scheine

Und Schwerdt und Hirtenstab von Einer Hand
Gefaßt in übelpassendem Vereine.

Zunächst findet sich dies in den Städten, in denen der Clerus oft genug vor der freien bürgerlichen Verfassung nicht die erhabene Stellung zu erlangen vermochte, welche die Kirche für ihn in Anspruch nahm. Aber allgemach ermannte sich auch der zu seinen Jahren gekommene Mündel gegen die schwachgewordene Vormünderin, und während die päpstliche Gewalt, die Trägerin der göttlichen Einheit, in die Periode ihrer tiefsten Erniedrigung eintrat, erstarkte die fürstliche Gewalt und zog zwischen sich und der Kirche Grenzen. Als Beispiel dienen dafür die Bestimmungen, durch welche die Gerichtsbarkeit der Kirche in bürgerlichen Dingen beschränkt und der Clerus der weltlichen Jurisdiction wenigstens zum Theil wieder unterworfen wurde, und die Anordnungen, in denen sich das Amortisationsrecht und das Recht des Placet gegenüber den Erlassen des Papstes entwickelten 11). Aber auch ein positives Eingreifen der weltlichen Gewalt in die Sphäre der Kirche ist nicht selten erkennbar, und fand nicht nur in Concessionen der schwach und hülflos gewordenen geistlichen Regierung 12), sondern selbst auf dem Boden der Verfassung, in der Vogtei, der Stellung der landsässigen Bischöfe, sowie in dem Patronat seine Begründung. So wurde von den Landesfürsten insbesondere durch ihre maaßgebende Theilnahme an der Beseßung der bischöflichen Stühle und durch die Verleihung zahlloser geistlicher Aemter ein Ein

10) Dante XVI. 109 ff.

11) Vergl. z. B. die Landesordn. Herzog Wilhelms III. v. Sachsen v. 1446. bei Schilter, De lib. eccl. Germ. p. 808. Reinhard, De jure principum circa sacra ante reformationis tempora exercito, Hal. 1717, de Wolzogen (de Lu

dewig), De principum S. R. I. potestate in sacris, Hal. 1738 u. A.

12) Wie z. B. in Cleve, Jacob= son, Gesch. der Quellen des W. K.R. in Rheinland u. Westph., Bd. I. S. 10 ff. Das Sprüchwort: Dux Cliviae est Papa in suis terris wurde auch für andre Länder angewendet.

fluß auf die Kirche ausgeübt 13), der je nach der besondern kirchlichen Richtung und Gesinnung sich zu der Sorge für das religiöse Leben selbst steigern konnte. Wenn, um von tausend Beispielen eins anzuführen, der brandenburgische Kurfürst im Jahre 1431 für ein Pfarramt einen wissenschaftlich gebildeten Theologen berufen wissen wollte, damit die Pfaffheit zu Lernung und der Schrift Verständniß zu begreifen etwas Ursach habe, und dem Volke desto minder gebreche die Speise des göttlichen Wortes 14), so war dies gewiß nicht mehr blos die Sorge um die fleischlichen Dinge, auf welche einst Innocenz III. in der oben angeführten Decretale die weltliche Gewalt beschränkt hatte. Es ist also gewiß nur ein Irrthum, wenn die wirkliche Stellung der Fürsten zu der Kirche nach den Bestimmungen des canonischen Rechts bemessen wird, vielmehr wird man nicht verkennen. dürfen, daß durch das funfzehnte Jahrhundert ein Zug hindurchgeht, welcher zu einem neuen Verhältnisse zwischen der aufstrebenden Gewalt der Fürsten und der Kirche hindrängte. An diese Bemerkung wird sich später die Entwicklung eines Theiles der evangelischen Kirchenverfassung anzuknüpfen haben. Damit es jedoch an den Gliedern nicht fehle, welche die alte und die neue Zeit verbinden, mag es zulezt noch vergönnt sein, auf zwei Thatsachen zu verweisen, aus welchen die Steigerung erkannt werden kann, welche das Bewußtsein der weltlichen Gewalt zur Zeit des Anbruches der Reformation erfahren hatte: Zunächst auf die hundert Beschwerden, in welchen die Stände deutscher Nation das, was seit langer Zeit gefordert worden war, zu einer großen Anklageschrift vereinigt hatten 15). Sie schließen zunächst mit einer vertrauensvollen Bitte an den Vater der Christenheit und dem Erbieten der Treue und des Gehorsams; dann aber mit der Erklärung, daß, wenn jenes Vertrauen getäuscht, jene Bitte nicht erfüllt werden sollte, die Stände der päpstlichen Heiligkeit nicht verhalten wollten, daß sie jene drückenden und unerträglichen Beschwerden nicht länger ertragen wollten und könnten, und daß sie darum sich durch die Noth der

13) S. z. B. v. Mühler, Ge= schichte, der evang. K.-Verf. in der Mark Brandenburg, Weim. 1846. S. 17 ff.

14) v. Raumer, Cod. dipl.

Brandenb. cont. T. I. p. 153.

15) Gaertner, Corp. jur. Eccl. Cath. nov. T. II. p. 156. u. ö. Ranke, Deutsche Gesch. im Zeitalter der Ref., Bd. II. S. 60.

Thatsachen gedrungen sehen würden, nach ihrem eignen Vermögen auf Mittel zu denken, durch welche die alte Freiheit wieder hergestellt werden könne. Die zweite Thatsache, welche wir anzuführen haben, ist die im J. 1523 von dem Reichsregiment in einem denkwürdigen Gutachten ausgesprochne Forderung: daß auf dem zu berufenden Concilio auch den Weltlichen. Siz und Stimme zustehen müsse 16). Darin klingt ein damals schon in vielen Gemüthern mächtig gewordener Gedanke der Reformation wieder. Allein eben so gewiß regte sich in diesem Verlangen dasselbe Bewußtsein, welches im funfzehnten Jahrhundert die Fürsten leitete, als sie zur Hebung der über die Kirche gekommenen Noth die helfende Hand boten, und das im folgenden Jahrhundert in der evangelischen Reformation sich bethätigte.

16) Waß der Ausschuß zu pepstlicher Heiligkeit Antwurdt den lutherischen Handell betreffen verordnet der

halb gerathschlagt hat, Franks. Samml. der Reichsabsch. Bd. 38. Bl. 99. Ranke a. a. D., S.55 ff.

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Erstes Buch.

Die Entwicklung der Kirchenverfassung im sechszehnten

Jahrhundert.

Erster Abschnitt.

Die Gebiete der deutschen Reformation.

S. 1.

Die reformatorische Idee in Luthers ältesten Schriften. (Allgemeines Priesterthum. Die Gemeinde. Das Lehramt. Der Diaronat. Die Schule. Die Obrigkeit.)

Die Zurückführung alles christlichen Lebens auf seinen Anfang, die Oeffnung des Weges zum Heil durch den Glauben, ist in Luther wie eine neue Offenbarung über einen Theil der christlichen Welt gekommen. Das Gesez wich dem Evangelium, das Mittleramt des Clerus, welches sich zwischen das gläubige Menschenherz und seinen Erlöser gestellt hatte, dem allgemeinen Priesterthum, und an die Stelle der äußerlichen Kirche trat die heilige allgemeine christliche Kirche, die von Anfang an in den gläubigen Menschen vorhanden gewesen ist.

Diese Ideen haben auf den überlieferten Bestand der Kirche zunächst von der negativen Seite durch die Befreiung der Gewissen von dem Zwange des Gesezes eingewirkt. Die ersten Früchte ihrer schöpferischen Kraft aber sind die Ordnung des Gottesdienstes, in welcher sich das allgemeine Priesterthum sein Recht suchte, und das evangelische Lehramt 1).

In dem Evangelium war der Schaß der Kirche wiedergefunden: das Amt, welches aus diesem Schaße die göttliche Wahrheit fördert und in die Gemüther einprägt, war daher die Institution, in der alle Verfassungsgedanken vorerst ihren Abschluß fanden. Damit steht scheinbar die Idee des allgemeinen

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