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ständig entscheidenden Staatsminister überlassen, eine Einrichtung, welche da, wo eine constitutionelle Staatsverfassung eingeführt worden war, ihre ganze Incongruenz um so mehr offenbarte, als die hier und da hergebrachte Theilnahme der Landstände an der kirchlichen Gesetzgebung auf die Kammern übertragen und eine ministerielle Verantwortlichkeit auch in Betreff der Kirchensachen nicht in Abrede gestellt wurde 35). Der hierin liegende Widerspruch sollte freilich durch den, auch in den Verfassungsurkunden 36) zuweilen vorkommenden Grundsay versöhnt werden, daß keine Aenderung in Lehre, Liturgie oder Verfassung ohne Zustimmung einer Synode erfolgen solle. Dieses Correctiv war indessen offenbar nur ein theoretisches, weil es an jeder Norm fehlte, in welcher die Kirche das ihr zugestandene Recht zu üben vermocht hätte.

Je weniger aber auf dem Gebiete der Verfassung zur Heilung der Schäden geschah, welche der Territorialismus der Kirche angethan hatte, desto rühriger war die Literatur, und eine Fluth von Schriften ergoß sich über die Verfassungsfrage, in denen sich der Drang nach einer anderen Gestaltung und zwar vorherrschend in collegialistischem Sinne und mit der Richtung auf Presbyterien und Synoden fund gab. Darin trat nur zu oft ein höchst beklagenswürdiger Mangel an Einsehen in die Lebensbedingungen der Kirche und an geschichtlichem Wissen zu Tage. Eine Wahrheit war indessen doch auch in diesem Chaos zu finden, nämlich diese, daß die Kirche krank sei und der Heilung bedürfe, und solcher Erkenntniß konnten auch diejenigen sich nicht entziehen, welche sonst der Ansicht waren, daß, wie die Staatsverfassung nicht tugendhafte Bürger schafft, so auch die Kirchenverfassung die Kirchenglieder nicht zu geistlichen Priestern umstempelt. Wir werden nicht irren, wenn wir als eine Frucht jener Wahrnehmung die Berathungen betrachten, welche, vom deutschen Süden aus angeregt, von Abgeordneten deutscher Fürsten im Anfange des Jahres 1846 in Berlin gepflogen wurden. Eine größere Einheit

35) Eine solche Theilnahme übten 3. B. die Kammern im K.-R. Sachsen, indem sie die so eben erwähnte neue Organisation der Kirche beriehen. Verfassungsmäßig anerkannt

war im J. 1846 die Theilnahme der Stände ferner z. B. in Holstein, Lauenburg, Mecklenburg, Coburg-Gotha, Altenburg.

36) So z. B. in der kurhessi

der kirchlichen Entwicklung ungeachtet der Mannichfaltigkeit des besonderen Lebens anzubahnen, war damals die von treuem Herzen angeregte und von treuem Herzen ergriffene und gepflegte Absicht. Aber, wir wissen nicht zu sagen, aus welchem Grunde, der erste, von den wahrhaften Freunden der Kirche mit Hoffnung begrüßte Versuch blieb auch der lezte, ohne eine sichtbare Wirkung zu äußern.

Eben so wenig allgemeinen Erfolg hatten die Synoden, welche in den Jahren 1844 bis 1846 in Preußen gehalten wurden 37), und selbst ihre einzige Frucht im Gebiete der Verfassung, das im Januar des Jahres 1848 errichtete Oberconsistorium 38), kam nicht zu dauerndem Leben. Der Zeitgeist hatte die Freiheit gewollt. Darum war er erzürnt, daß ihm anstatt des Brodes ein Stein, anstatt freier Presbyterien und Synoden ein Ober-Consistorium gereicht wurde, und die kaum erst begründete Institution fiel ihm daher als erstes Opfer 39).

Welche Prüfungen überhaupt nunmehr in Preußen und anderwärts über die Kirche hereinbrachen, wie auf der einen Seite anstatt der Kirche die souverainen Pfarrgemeinden in den Vordergrund traten, und die Artikel der Bauernschaft, die Frucht des März im J. 1525, in verstärkter Auflage erneuert wurden, auf der anderen in den Verhandlungen der Parlamente die Kirche unter dem gleisnerischen Scheine der Sorge um ihre Freiheit in das Gebiet der Privatgesellschaften oder Clubbs gedrängt werden sollte; wie die Trennung des Staates von der Kirche, der Kirche von der Schule, zu einer eben so oft verkündigten als mißverstandenen Losung wurde; wie das Staatsregiment die Bekenntnißfreiheit als Freiheit vom Bekenntnisse auffaßte und darnach seine kirchliche Verwaltung bemaß: dies und Anderes hier nachzuweisen, ist nicht nöthig. Wohl aber müssen wir schließlich noch anführen, daß die Vorgänge auf dem politischen Gebiete auch auf die Verfassung der Kirche insofern theils negativen theils positiven Einfluß äußerten, als sie einerseits die Aufhebung der Consistorialgerichtsbar

schen V.-U. und der hannoverschen Landesverf.

37) Vergl. die Protokolle der Provinzialsynoden, Berl. 1845, und der Generalsynode 1846.

38) S. die Erlasse am Schlusse des ersten Bandes der angeführten Mittheilungen.

39) Erlaß des Staatsministeriums vom 16. Apr. 1848.

keit, wie in Hannover40) und Anhalt-Dessau, andererseits die Bestellung oberster Kirchenbehörden wie in Preußen 41), Mecklenburg-Schwerin42), Mecklenburg-Streliß 43), Sachsen-Weimar 4) und Anhalt-Bernburg 45), den Erlaß von Gemeinde-Ordnungen, wie in Preußen 46), Württemberg 47), Bayern 48) diesseits des Rheines, HessenDarmstadt 49), oder eine Erweiterung der bestehenden Presbyterial-Verfassung, wie in Lippe-Detmold 50), einmal aber, in Oldenburg (1849), die Aufrichtung einer völlig neuen Verfassung in ihrem Gefolge hatten.

Das wiedererwachte Bewußtsein, daß die Kirche eine individuelle Lebensordnung sein solle, hat diese, freilich von sehr verschiedenen Gesichtspuncten ausgegangenen Bestrebungen bestimmt, und in diesem Motive liegt ohne Zweifel der Gewinn, den sowohl die Kirche als der Staat aus der über sie ergangenen beispiellosen Prüfung gezogen haben 51.) Gewiß ist die Richtung, welche die Kirche außer Beziehung zu dem Staate sezen will, nicht evangelisch, und wenn in den lezten Jahren so oft behauptet worden ist, daß vor Allem das Band zwischen dem Landesherrn und der Kirche als ein Erzeugniß des Territorialismus gelöst werden müsse, so beruht auch dies gewiß auf einer mangelhaften Einsicht, denn nicht die landesherrliche Kirchengewalt an sich, sondern nur ihre Ausartung ist territorialistisch. Aber daß die Kirche nicht jeder Schwankung des politischen Lebens, nicht jeder zufälligen Strömung der Zeit Preis gegeben, oder gar zu einem Vehikel politischer Tendenzen gemacht werde, sondern daß sie auf dem

40) Ges. v. 12. Juli 1848.

41) Ordre vom 26. Jan. 1849 u. 29. Juni 1850.

42) Verord. v. 16. Dec. 1848. 43) Verord. v. 1. Jan. 1849, 19. Dec. 1850.

44) Verord. v. 25. Sept. 1849. 45) Verord. v. 16. Dec. 1850. 46) Ordre v. 29. Juni 1850. 47) Verord. v. 25. Jan., Cons.Erl. vom 7. Febr., Erl. der Synode, Sonntag Serag. 1851.

48) Verord. v. 7.Oct. 1850. Ueb.d. Entwurf einer Verf. für Bayern jen seits des Rheines f. d. Gutachten deut

scher theol. Facultäten, welche 1851 in
Speyer im Druck erschienen sind.
49) Verord. v. 14. Dec. 1849.
50) Verord. v. 3. Febr. 1851.
51) Außerdem sind in einzelnen
Landeskirchen Verfassungsentwürfe
veröffentlicht worden, z. B. in Würt-
temberg (1848), in Hannover
(1849), in Braunschweig (1850)
und neuerdings in d. preuß. Rhein-
provinz und Westphalen. Vergl.
den Aufsag von v. Bethmann-
Hollweg in der Monatsschrift für
die evangel. Kirche 1851., Juli, S.
1 ff.

Grunde, der da gelegt ist, ihr individuelles Leben in Gottseligkeit und Ehrbarkeit führe: das ist für sie ein Recht und für den Staat ein Segen.

Freilich wie dieses Leben geordnet werden solle, darüber waren die Ansichten so zwiespältig, daß die äußersten Gegenfäße oft ohne Liebe, noch öfter ohne Einsehen, an das Licht traten, und bald waren es die göttliche, bald die menschliche Seite des Amtes, bald das allgemeine, bald ein besonderes Priesterthum, bald das Recht der Gemeinden, bald das Recht der über den Gemeinden stehenden Kirche, bald das Princip der Majorität, bald das der Auctorität, welche den Grundton der zahllosen Wünsche in Betreff der Verfassung bildeten. Zugleich kam es aber auch bald genug dahin, daß sich politische Rücksichten gegen jede Aenderung der hergebrachten Einrichtungen geltend zu machen suchten, und daß namentlich selbst das besonnenste Streben, die Gemeinden zu christlicher Thätigkeit heranzuziehen, und dadurch ein von der Kirche so schmerzlich empfundenes, und von ihren Freunden so oft beklagtes Unrecht wieder gut zu machen, sogar als ein staatsgefährliches Beginnen bezeichnet wurde. So sind denn mit der größeren Erregung der Geister auch die Schwierigkeiten gewachsen. Dennoch wird es mit Gottes Hülfe gelingen, sie zu überwinden, wenn wir nur allzumal uns selbst erst überwinden, wenu wir also von uns abthun die Unfehlbarkeit der vorgefaßten Meinungen sammt der unleidlichen Angewöhnung, politische Sympathieen und Antipathieen auf das Gebiet der Kirche zu übertragen, und wenn wir den Rath, dessen wir bedürfen, nicht bei den Dogmatikern des stebzehnten Jahrhunderts oder in den constitutionellen Charten, sondern in den Büchern unserer Geschichte suchen, in denen die Ursachen der Schäden des kirchlichen Leibes, aber auch die Mittel der Heilung verzeichnet sind.

Somit fehrt unsere Erörterung zu der Mahnung zurück, von welcher sie ausging. Zwischen ihrem Anfange und ihrem Ende liegt eine Wanderung auf einem nicht immer freudenvollen Wege. Möge dem Wanderer, da er scheidet, das Zeugniß nicht versagt werden, daß die Wahrheit sein Leitstern, die Liebe sein Stab gewesen sei!

Negister.

[blocks in formation]

der Wiederherstellung im Königreich
Preußen, 232.

Bischofswahl des Herz. Preu-
ßen, 131.

Bisthümer, Sächsische, pro-
jectirte Verfassung derselben, 97.
Böhmer, Just Henn., 208.
Böhmische Brüder, 232.
Brandenburg - Anspach, Re-
formation v. 1526, 32, · Kirchen-
ordnung v. 1533, 100.

Braunschweigische Kirchenord-
nung v. 1528, 47, 100, von 1569,
101, 113.

Bremische Kirchenordnung von
1534, Bestimmung derselben in An-
sehung der Chesachen, 64, 100.

Brenz, Ansichten von dem Ver-
hältniß der Obrigkeit zur Kirche, 29.

-

dessen Entwurf der Kirchenord-
nung für die Stadt Hall, 48. — Kir-
chenordnung von Brandenburg - An-
spach und das Nürnbergische Gebiet,
100.

Bugenhagen, 108.
Buzer, 158.

Calvins Verfassungslehre, 166.
Capito's Gutachten über die
Presbyterien, 159, Ansichten dessel-
ben von der Stellung des Landesherrn
zur Kirche, 79.

Carpzov, der Theol., 205, der
Jurist, 196.

Censur der Geistlichen, 154.
Classenconvente, 178.
Cleve-Märkische reform. Kir-
chenverfassung, 219.-luther., 222.
Collegialismu 8,209,212,247.
Collegialsystem, 212.
Collegium irenicum, preußi-
sches, 231.

Consistorialordnung des Her-
zogthums Mecklenburg v. 1570, 138.
Consistorialverfassung, Ver-
gleichung derf. mit der Synodal- und
Presbyterial-Verfassung, 186.

Consistorien, Wittenberger
Gutachten wegen derselben v. 1538,
82 ff. Wirkungskreis, welcher nach
dem leztern denselben zugewiesen

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