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nicht dagegen auch auf die Ordnung und Leitung der auf dem Boden der neuen Lehre begründeten Verhältnisse sich bezogen habe. Indessen hat das Bewußtsein der damaligen Zeit eine solche Scheidung nicht vollzogen, vielmehr läßt sich ohne Mühe nachweisen, daß schon damals ein Recht und eine Pflicht auch in lezterem Bezuge behauptet und geübt wurde.

Einen Beleg giebt hierfür der erst in neuerer Zeit vollständig bekannt gewordene Entwurf einer Reformation für die Stadt Hall2), einen Beleg, der für die Geschichte der Verfassungslehre um so merkwürdiger ist, als er sich noch nicht an den positiven Rechtssag anknüpfen konnte, welcher noch in demselben Jahre durch den Reichstag zu Speyer festgestellt wurde. Der Verfasser, der später durch seine reformatorische Wirksamkeit einen berühmten Namen erlangt hat, Johann Brenz3), gründet zunächst den Beruf der christlichen Obrigkeit zur Abschaffung der Messe und anderer Mißbräuche auf das göttliche Recht im alten Testament und auf das Beispiel der jüdischen Könige, indem er zugleich auf den Bauernkrieg hinweist, der gerade die Stadt Hall vielfach berührt hatte. Im Allgemeinen aber faßt er die Stellung der christlichen Obrigkeit in folgender Weise auf: „Es sein ,,allein zwey Ding vnd wesentliche stuck gotlichs Dinsts einem ,,igklichen Christen notig, Nemlich glauben vnd lieben. Glauben ,,gegen got, liben gegen dem nechsten. Die zwey stuck seyn also ,,nottig zur sel seligkait, das ein Crist schuldig ist, Sie zu halten, ,,wann er mitten in der Turckey wonete. Aber dieweil got vnser ,,seligmacher den Cristen ein solch gnade bewissen, das sie aigen „Land, Stet vnd Fleckern in weltlichem gewalt Inhaben vnd be,,sigen. So ist die Oberkeit als Cristenliche glider vnd mitgenos,,sen der Kindtschafft Gottes bei Ir sel selikait vnd ampte halben ,,zu furdern schuldig anzurichten zu ordiniren Iren vnderthonen. ,,(weltlichem gewalt nach)4) vnd Irn mit brudern Cristo nach, „dan sie auch der ewigen miterben mit Inen sein, zu gut vnd ,,fromen alles was Cristus in einer Cristenlichen versamlung zu ,,thon beuolhen. Nu hat Criftus fürnemlich drew stuck beuolhen

2) Ev. K.-O. Bd. I. S. 40.

3) Hartmann und Jäger, Jo: hann Brenz, 2 Bde. Hamburg 1840.

4) Schenkel a. a. O. S. 227 hat

den Gegensaß, welcher hier vorliegt, übersehen; es ist nicht von einer in der weltlichen Gewalt liegenden Gränze die Redc.

,,in seiner versamlung der Cristen auffzurichten, Nemlich Predigen ,,das Euangelion, Tauffen vnd das Nachtmal Cristi nach seinem ,,vffsaß zu halten, by denen genanten stucken, So sie ordenlich ,,vnd der institution der einsagung Cristi des Rechten maisters ,,gemeß gehalten werden, mag man nennen vnd erkennen ein ,,Cristenliche kirchen." Endlich erklärt er ausdrücklich: Vnd ob ,,etwas andres in der kirchen ausserthalb der gemeinen ordnung ,,zu thon were, folt es vorhin an die bestimpten von der Oberkait „gelangen, von den selbigen ainer ganzen Oberkait furgebracht „werden. Welche so es nuglich fur die kirchen wurd angesehen ,,approbirt oder so es fur vntuglich geacht verwurffe. Darmit ,,nit einer Itliche sonderliche person Irs gefallens in der kirchen ,,ordnung zu stolziern vnd leben gestat wurd.“

Vergleichen wir diese Aeußerungen mit den ersten Ansichten Luthers, welche oben mitgetheilt sind, so werden wir sofort zwischen beiden eine wesentliche Uebereinstimmung erkennen. Inzwischen hatte aber Luther im Gegensaße gegen die der römischen Kirche anhängenden weltlichen Gewalten sich auf einen anderen Standpunct gestellt, von welchem aus er das Recht der weltlichen Obrigkeit auf das weltliche Gebiet beschränkte. So stand er denn offenbar in einem Conflicte, insofern er das Elend der Zeit, die Nothwendigkeit der Hülfe täglich erkannte, während die lettere doch nur da zu finden war, wo sie nach seiner Vorstellung nicht gesucht und gewährt werden konnte. Dieser Widerstreit tritt denn auch bei ihm öfter hervor, ja es ist zu erweisen, daß er in derselben Zeit nach der einen Seite hin dem Fürsten seines Landes die Anordnung einer Visitation zur Gewissenspflicht machte, und nach der andern das Regiment der Kirche den weltlichen Regierern versagte. Zuleßt aber überwog in ihm die Sorge um das Evangelium und schon im J. 1526 fonnte er die Hülfe des Kurfürsten in folgenden Worten anrufen3): „Nu aber in E. K. F. G. Fürstenthum päpstlich und ,,geistlicher Zwang und Ordnung aus ist, und aller Klöster und „Stift E. K. F. G. als dem obersten Haupt in die Hände fallen, „kommen zugleich auch mit die Pflicht und Beschwerde, solches ,,Ding zu ordnen, denn sichs sonst niemand annimmt noch an

5) de Wette, Briefe, Bd. II. S. 493.

,,nehmen kann und soll. Derhalbenn will es von nöthen sein, ,,aufs förderlichst von E. K. F. G., als die Gott in solchem Fall ,,dazu gefodert und mit der That befället, von vier Personen „lassen das Land visitiren, zween die auf die Zinse und Güter, ,,zween die auf die Lehre und Person verständig sind, daß die,,selben E. K. F. G. Befehl die Schulen und Pfarren, wo es noth „ist, anrichten heißen und versorgen." In ähnlicher Weise drückt sich die Vorrede zu dem sächsischen Visitationsbuche aus, wenn sie sagt): „Demnach, so vns ißt das Euangelion durch vnaussprechliche gnade Gottes barmherziglich wider komen, oder wol ,,auch zu erst auffgangen ist, dadurch wir gesehen, wie elend die ,,Christenheit verwirret, zurstrewet vnd zurissen ist, hetten wir „auch dasselbige recht Bischoflich vnd besucheampt, als auffs höhest ,,von nöten, gerne widder angericht gesehen, Aber weil vnser ,,feiner dazu beruffen odder gewissen befelh hatte, vnd S. Petrus ,,nicht wil yn der Christenheit etwas schaffen laffen, man sey ,,denn gewis, das Gottes geschefft sey, hat sichs keiner für dem „andern thüren vnterwinden, Da haben wir des gewissen wollen „spielen, vnd zur liebe ampt (welchs allen Christen gemein vnd ,,gepoten) vns gehalten, vnd demügtiglich mit bitten angelangt, ,,den durchlauchtigisten. . Fürsten vnd Herren, Herren Johans, „Herzog zu Sachssen . . als den lands Fürsten, vnd vnser ge,,wisse weltliche öberkeit, von Gott verordnet. Das S. K. F. G. „aus Christlicher liebe, (denn sie nach weltlicher öberkeit nicht „schuldig sind) vnd vmb Gottes willen, dem Euangelio zu gut ,,vnd den elenden Christen ynn S. K. F. G. landen, zu nuß vnd ,,heil, gnediglich wolten etliche tüchtige personen zu solchem ampt ,,føddern vnd ordnen.“ Eben so heißt es später da, wo von dem Widerstreben wilder, eigensinniger Köpfe gegen die neue Ordnung die Rede ist: Ob wol S. K. F. G. zu leren vnd geistlich ,,su regirn nicht befolhen ist, So sind sie doch schüldig, als welt,,liche öberkeit, darob zu halten, das nicht zwitracht, rotten vnd „auffrhur sich vnter den vnderthanen erheben, wie auch der Kaiser „Constantinus die Bischoue gen Nicea foddert, da er nicht leiden ,,wolt noch solt, die zwitracht, so Arrius hatte vnter den Christen.. ,,angericht, vnd hielt sie zu eintrechtiger lere vnd glauben.“

6) Ev. K.-O. Bd. I. S. 83.

In diesen Aeußerungen ist die Einwirkung der oben schon dargestellten Ereignisse nicht zu verkennen. Die reformatorischen Ideen Luthers hätten zu einer neuen Kirchenschöpfung führen müssen. Allein die erste Begeisterung war durch die Noth der Thatsachen erkältet, und der Blick wandte sich auf die geschichtliche Ueberlieferung zurück, die nicht ganz aus dem Buche des Lebens zu streichen, sondern, wenn möglich, zu versöhnen nun die Absicht war. Während also Brenz das Recht der Obrigkeit in der Kirche als ein unbedingtes auffaßte, erscheint dasselbe bei Luther und Melanchthon jezt nur noch als ein bedingtes, das nur eintreten soll, weil und so lange es an einer andern besser berechtigten Autorität fehle. Diese zu schaffen, war ein Gedanke, den das Visitationsbuch ausdrücklich ablehnt. Sie war also nur in der geschichtlichen Ordnung der Kirche zu finden, und in der That ist dies auch der Sinn der reichsgeseßlichen Bestimmung, welche aller Reformation durch die Landesfürsten nur bis zu einem freien christlichen Concilio Raum gegeben hatte. Jemehr sich jedoch das Princip der Reformation. herausbildete und befestigte, jemehr sich der unversöhnliche Gegensaz zu dem Principe der römischen Kirche offenbarte, destomehr verlor sich der irenische Gedanke in das Gebiet des Ideals, und destomehr wurde die Vorstellung von dem unbedingten Berufe der christlichen Obrigkeit, wie wir sie so eben bei Brenz gefunden haben, zu einem maaßgebenden Grundsaße der Verfassung.

Wirklich ist dieselbe gleichzeitig auch von andern Seiten her hervorgetreten. Wir wollen hier nicht daran erinnern, daß der Markgraf Cafimir von Brandenburg-Anspach, der im Jahre 1526 in der Kirche seines Landes eine Anzahl von Reformen in ziemlich territorialistischem Sinne anordnete7), schon während des Bauernkrieges an den Convent zu Langenzenn schriebs): „Wir halten auch gar nicht dafür, daß Ihr pflichtig oder schuldig „seid, nach des Bischofs Gefallen Kittel anzulegen, oder abzu,,ziehen, noch andere dergleichen Dinge, daran eines Christen„menschen Seeligkeit nicht gelegen ist, von seines Gebotes wegen

7) Vergl. den Abschied in den Ev. K.-O. Bd. I. S. 50. Derselbe hat später auch in anderen Ländern, z. B. in Cleve und Nassau (1532) für den

Versuch einer vermittelnden Reform als Grundlage gedient. Ev. K.-O. a. a. D. S. 160. 173.

8) Bensen a. a. D. S. 371.

„zu thun, oder zu lassen, sondern Ihr seid uns, als Eurer von „Gott verordneten Obrigkeit, in dem und anderem dergleichen „mehr zu gehorsamen schuldig, denn dem Bischof zu Würzburg“, und daß er die Ordensbrüder anwies, ihren Bischof an den Markgrafen zu verweisen, dem, als ihrer von Gott geordneten Obrigkeit und Schuß- und Schirmherrn, sie gehorchen würden. Wohl aber beziehen wir uns zum Beweise zunächst auf die Artikel 9), welche die Lüneburgische Geistlichkeit dem Herzog Ernst dem Bekenner im Jahre 1527 übergab, und in denen sie ausdrücklich die Pflicht des Fürsten behauptete, Ordnung zu schaffen. und zu handhaben, „dat der gestalt ynn der gemenheit rouwe „und einheit lyfflick, frede vnd froüde, geistlick mögen erholden ,,werden", und weiter auf ein sehr merkwürdiges Ausschreiben des Herzogs Friedrichs II. von Liegniß von demselben Jahre, aus welchem wir folgende Stelle hervorheben 10): Inn deme ,,haben ezliche vnserer underthanen furtragen lassen, wie sie durch „die Euangelische warheit befunden, das sie und ire vorwanthen, ,,durch vngeschickte prediger, die auch zum teil eines beruchten. ,,bösen lebens weren, vnnd sonst mit vill auffseßen zu vorstrickung ,,jrer gewissen, wider gottis wort vnd seinen willen, greifflich vor„furt wurden, mit hochsten ermanen vnd bietten, sie in demselbi,,gen auch christlich vnd gnediglich zu bedenken, ynen prediger zu ,,vorgonnen, die eines fromen erbaren wandels wern, vnd die ,,das reine lautter wort gottis, an allen menschlichen zusaß, ane ,,fremde lere vnd widerwertige opinion, zu irer seelen heil vnd ,,selikeit, furtrugenn, da durch mann dises, ßo dem worte gottis ,,vnnd seiner göthlichen ehre, entkegen, christlicher vnd gebürlicher ,,weiß, konstig abstellen, Vnnd do gegen den warhafftigen gottis ,,dienst, so im götlichen worte, vnd Biblischer schrifft gegrundet, ,,aufrichten mochte. Als wir aber solchs alles zu herzen genohmen, ,,auch mit vnsern prelaten, des manchfaldigen misbrauchs halben, ,,viel vnderredung gehaltenn, ßein wir dornoch durch heilige. ,,schrifft gelernt vnd vnderweist worden, das wir bei vormeidung „götliches hornns, in deme, ßo der seelen heil belangt, schuldig ,,weren einsehen zuhaben, Ja allen vleiff furzuwenden, auff das „vnser vnderthone mit dem reinen claren wort des heiligen

9) Ev. K.-O. Bd. I. S. 70.
Gesch. der evang. Kirchenverfassung.

10) Daselbst S. 72.
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